6 - Nachwort
Zum Vergleich stelle ich hier nochmal die Ursprungsversion ein. Und für alle, die wissen wollen, wie es mit den beiden weitergeht - ich arbeite an einer Fortsetzung.
I
Wild brausend drängt sich das Meer der Küste entgegen.
Mit weißer Gischt gekrönte Wellen umarmen die Klippen, recken sich am Fels empor, mal zärtlich liebkosend, mal in wilder Leidenschaft überschlagend. Vor, zurück, auf und nieder, gefangen im ewigen Rhythmus der Gezeiten, angetrieben vom Herzschlag des Ozeans, der Kraft, die einst das Leben an Land trug.
Ein Gedanke blitzt auf, steigt in die Höhe, silbrig glänzend vom Gischthauch und Sonnenlicht geküsst, lässt sich von der Thermik treiben, erst dem Himmel entgegen, dann hinein ins grüne Land und begibt sich auf die Suche nach Träumen, die die Zeit überdauern.
II
30.04.2005 früher Nachmittag
„Arie!... Ariieee!... Komm schon, ich weiß, dass du da bist!"
Nein! Überhaupt nicht! Jetzt nur keine unvorsichtige Bewegung, keinen Mucks und kein Quietschen meines Liegestuhls verursachen.
Hinter der Buchsbaumhecke des Gartens bemüht sich ein hüpfender, hellblonder Haarschopf vergeblich um einen Überblick.
Ich will niemanden sehen, mit niemandem reden, jetzt nicht, nachher nicht, niemals nie wieder. Schon gar nicht mit meiner selbsternannten, besten Freundin Cindy.
Vor einer Stunde hat Jeremy mich angerufen, hat gefragt wie's mir geht, mir Glück gewünscht für meinen Auftritt heute und so ganz nebenbei erklärt, dass die Sache zwischen uns nicht das Richtige ist.
Das Richtige ist für ihn Melissa, sie ist von ihm schwanger und auch schon bei ihm eingezogen. Ich darf mich jetzt entscheiden, ob ich meine paar Sachen bei ihm abholen will oder ob er sie mir schicken soll. Wie zuvorkommend!
Ich frage mich wann das alles passiert ist, die Sache zwischen uns geht seit mehr als zwei Jahren, nein – ging muss es ja heißen. Ich wünsche mir auch ein Kind, bin bereit mein Tingeltangelleben aufzugeben, habe sogar schon nach einer festen Anstellung gesucht. Jeremy hat stets gebremst, wir haben noch Zeit, lass uns das Leben genießen, vielen Dank auch du Arsch.
Meine Sicht verschwimmt. Ich schiebe es auf den stetig wehenden Wind, der den salzigen Atem der rauen Irischen See beständig durch das kleine Küstenstädtchen treibt. Schwermut überkommt mich und das liegt nicht nur an diesem beschissenen Anruf.
Letztes Jahr bin ich aufgewacht und wusste nicht mehr wo ich war. Die Erkenntnis, mittlerweile das gleiche unstete Leben zu führen, für das ich als Kind meinen Eltern so oft Vorhaltungen gemacht habe, schockierte mich.
Als fahrende Künstlerin reise ich den Sommer hindurch von einer Veranstaltung zur nächsten, durch ganz Wales bis hinauf nach Schottland, wo ich mit der Medieval-Band meines Vaters als Sängerin, Tänzerin und Märchenerzählerin auftrete.
Mein Vater ist Musiker und meine Mutter war einst die Königin seiner Groupies. Meine frühesten Kindheitserinnerungen sind die von Jahrmärkten und Volksfesten, vergammelten Wohnwagen und tagelangen Autobahnfahrten. Das Wort daheim war für mich lange Zeit ein Fremdwort. Und wir sind nie eine richtige Familie geworden. Demnächst wird meine Mutter zum vierten Mal heiraten und die neueste Freundin meines Vaters ist zwei Jahre jünger, als ich es bin.
Jeremy war meine Hoffnung, mein Hafen zum Heimkehren, mein Anker zur Beständigkeit.
Jetzt fühle ich mich losgelöst, dahintreibend, verloren.
Zuhause war ich immer nur hier, bei meinen Großeltern, im Schatten der alten Burg. Seit sie gestorben sind gehört das Häuschen meinem Vater. Er nutzt es nie und ich komme nur selten her, außer in der Woche im Frühjahr, zu Beltane, zum großen Mittelalterfest auf Caer Draig. Wie es aussieht, werde ich diesmal länger bleiben. Vielleicht finde ich das Gefühl meiner Kindertage wieder, anzukommen und willkommen zu sein im Schutz des mächtigen Bauwerkes, um das sich die Legenden ranken, wie der wilde Wein um seine verwitterten Mauern.
"Hab' ich es mir doch gedacht!"
Ich fahre zusammen und ich schiebe mir schnell die Sonnenbrille auf die brennenden Augen.
Einen zusammengerollten Flyer anklagend auf mich gerichtet steht Cindy keine drei Meter von mir entfernt, hinter dem niedrigen Gartenzaun des Nachbargrundstückes.
"Kein Wort sollte ich mehr mit dir reden!"
Wider Willen muss ich schmunzeln.
Vor mehr als achtzehn Jahren habe ich als Neue im Vorhof der kleinen Schule von Llanrhaeadr-Ddu gestanden, als die kleine aufgeweckte Cindy auf mich zugelaufen kam, meine Hand ergriff und sagte: „Du kannst meine neue Freundin sein." Ohne auf eine Zustimmung zuwarten, zerrte sie mich in die Klasse und platzierte mich auf die Bank neben ihr.
Bei einigen, wenigen Gelegenheiten waren meine Eltern sich einig, zum Beispiel als es darum ging, dass ich regelmäßig eine Schule besuchen sollte und dafür einen festen Wohnsitz brauchte und bei der Auswahl meines dämlichen Vornamens. Ein Symbol ihrer Liebe, zusammengebastelt aus den Anfangsbuchstaben ihrer eigenen Namen. Aus Armand und Wendy wurde Arwen. Erst seit der 'Herr der Ringe' Verfilmung brauche ich keine großen Erklärungen mehr abliefern, mein Name ist jetzt einfach der einer Elbenprinzessin.
"Ich bitte dich, Cindy. Du würdest platzen wie der Mount St. Helens."
"Hm", Cindy zuckt mit den Schultern. "Aber es wäre deine Schuld."
Sie zieht den Flyer zurück und stemmt die Arme auf ihre wohlgeformten Hüften. Die drohende Gebärde wirkt bei ihren knappen eins-sechzig wenig einschüchternd und ihre gekränkte Miene weicht schnell freudiger Aufregung.
"Du ahnst nicht, was passiert ist!"
"Nein, aber du wirst es mir sicher gleich mitteilen. Los, schwing die Beine rüber. Wenn Miss Brummel dich erwischt, wie du durch ihre Petunien trampelst, hetzt sie ihren Pekinesen auf dich."
Nichts hört Cindy lieber, als diese Einladung. Den kurzen Rock ihres marineblauen Kostüms noch ein Stück höher raffend, übersteigt sie das kleine Hindernis mit einem weit ausgreifenden Schritt.
Ich bekomme große Augen.
"Gütiger Himmel! Wenn hier irgendwo ein Paparazzo lauert, bist du morgen auf den Titelseiten sämtlicher Sensationsblätter."
"Huch!" Cindy zieht den Rock eilends auf eine züchtige Länge und späht erschrocken in das grüne Dickicht.
"Du mit deinen dummen Scherzen." Dabei streicht sie sich die elegante Seidenbluse am Körper glatt und vollführt eine perfekte Drehung.
Ich unterdrücke ein Stöhnen.
"Mein Gott, Cindy. Schwöre mir auf der Stelle, dass ich dich jetzt nicht auf eine dumme Idee gebracht habe."
"Wieso?"
Mit ihren rehbraunen Augen blickt meine Freundin wie die personifizierte Unschuld. Ich schnaube abfällig.
"Tu nur nicht so! Für eine wirkungsvolle Publicity würdest du so ziemlich alles tun."
"Als Vorsitzende des Festkomitees bin ich dazu sogar verpflichtet!"
Cindys abwechslungsreiches Mienenspiel wechselt zu dem einer würdevollen, aufopferungsbereiten Märtyrerin.
"Ihr habt schon die Zeitrechnung zu euren Gunsten verbogen. Wenn du jetzt noch als Lady Godiva splitternackt um den Burgberg reitest, setzt das dem Fass die Krone auf."
"Seit wann bist du so pingelig? Um die Touristen zu unserem Dornröschenschloss zu locken brauchen wir einen guten Aufhänger. Unser Städtchen braucht dringend einen wirtschaftlichen Anschub. 2000 Jahre Caer Draig klingt eben besser als 1986 Jahre."
"Du erfindest glatt noch ein paar neue Märchen wenn es Erfolg verspricht, oder?"
"Na und?", Cindy winkt den Einwand mit einer lässigen Handbewegung ab.
"Das Monster von Loch Ness hat auch keiner wissenschaftlich nachgewiesen. Aber Jahr für Jahr kommen Tausende um es zu sehen. Die Leute übernachten dort, gehen essen und einkaufen und der Rubel rollt, wie es so schön heißt."
Sie reibt sich verzückt die Hände. "Wenn nur ein paar davon den Weg zu uns finden, dann könnten wir eines Tages genauso bekannt sein wie Stonehenge."
Ich verstehe sie, auch wenn ich ihre Begeisterung nicht teile. Ich liebe diesen Ort so wie er ist, eine Oase der Ruhe und des Friedens.
„Was ist jetzt deine große Neuigkeit?"
„Hier! Schau dir das an."
Ehrfürchtig streicht sie den Flyer auf meinem Tisch glatt.
„Sie sind rechtzeitig fertig geworden. Wir können sie heute Abend auslegen und die Besucher werden sie mit nach Hause nehmen und herumzeigen und schwuppdiwupp kommen neue Gäste!"
Ja, ganz toll. Noch mehr Touristen. Ich greife nach dem Hochglanzprospekt und staune nicht schlecht. Es sind wirklich fantastische Aufnahmen unserer schönen Heimat. Die Steilküste mit dem Wasserfall, die malerischen kleinen Cottages, die urigen Pubs und natürlich, ganz groß, Caer Draig. Der gesamte Mittelteil ist der Burg und unserem jährlichen Heimatfest an Beltane gewidmet. Bilder vom letzten Jahr, mit der angestrahlten Festung bei Nacht, dem Fackelumzug und den Feuerspuckern auf dem Innenhof. Und dann, ich traue meinen Augen nicht, sehe ich mich selbst. In einem Kostüm vom Burgfräulein, in huldvoller Pose, hinein-retuschiert, genau vor den alten Wandteppich, der im Museum ausgestellt ist. Der Wandteppich, der mich als Kind verzaubert hat, mit seiner detailgetreuen Abbildung des edlen Kreuzritters mit den traurigen grünen Augen und einem Rätsel im Hintergrund. Das Rätsel, mit dem die Verfasser dieses Faltblattes schamlos um Aufmerksamkeit werben.
'Von den Tylwyth Teg durch die Zeit getragen, begrüßt unsere Prinzessin aus dem Morgenland die Gäste unserer jährlichen Festaufführung.'
„Das ist nicht dein Ernst!", fassungslos starre ich auf die Bildcollage.
„Wieso? Sind doch super Bilder."
„Nein! Und mit dem Feenvolk macht man keine Späße!"
Cindy reißt mir den Flyer aus der Hand.
„Du siehst aber nun mal genauso aus wie die Frau auf dem Wandbehang. Früher hat es dich doch auch nicht gestört immer die Prinzessin zu spielen. Stundenlang hast du diesen Teppich angeschmachtet! Aber jetzt ist Madame ja was Besseres! Einmal im Jahr lässt du dich hier blicken und spielst den großen Star!"
Ich bin geschockt über ihren giftigen Tonfall. Das dieser Ritter der Schwarm meiner Mädchenträume war, habe ich ihr einst im Vertrauen erzählt.
„Die Frau ist verschleiert, man sieht nur ihre Augen!", entgegne ich, aber es stimmt, diese Augen sehe ich jeden Tag im Spiegel. „Ihr habt mich nicht mal gefragt!"
„Du meine Güte! Wenn du nicht gesehen werden willst, hättest du die Rolle ablehnen müssen. Außerdem hast du eingewilligt, dass wir das Bildmaterial verwenden können."
Stimmt, für die Heimatzeitung. Doch es bringt nichts jetzt darauf herumzureiten. Die Flyer kann ich nicht ungeschehen machen. Ebenso wenig das ausufernde Konzept der diesjährigen Aufführung.
Unser neuer Bürgermeister hat keine Mühen gescheut, um das wichtigste traditionelle Heimatfest des Ortes aufzupeppen. Es ist ihm sogar gelungen Isaak Melrin, einen bekannten Theaterregisseur, für die künstlerische Leitung des Festivals zu verpflichten. Der gleichermaßen pedantische wie exzentrische Meister seines Fachs, oft nur der große Merlin genannt, hat alles umgekrempelt und jetzt gibt es Hochseilakrobatik über dem Burggraben, Turnierkämpfe auf der Festwiese, Mönchsgesänge á la Gregorian und nicht zu vergessen das Feuerwerk-Laser-Event des Jahres zur mitternächtlichen Stunde.
Die zum größten Teil ehrenamtlichen Laiendarsteller des Ortes müssen ebenso weichen wie die einfachen Fackeln und Laternen. Die hausgemachten Kuchen und Törtchen des Frauenbundes werden von kulinarischen Exquisitäten eines Cateringservices abgelöst und bezahlte Stuntmen liefern sich Showkämpfe, wo im letzten Jahr Kinder in selbst gebastelten Rüstungen lärmend durch den Burghof getobt sind.
Statt Spaß an der Freude haben wir jetzt perfekt geplante, gewinnorientierte Professionalität.
Und ich habe eine Ehrenrolle bei diesem Schauspiel. Beim Festumzug am späten Abend werde ich Seite an Seite mit meinem Ritter vom Platz vor der Feengrotte über den Kammweg hinauf zur Burg reiten und dem Volk zuwinken.
„Du solltest jetzt besser gehen. Ich muss mich noch vorbereiten, nicht das ich heute Abend euer Spektakel verderbe."
Cind zieht eine Schnute, doch die Stimmung zwischen uns ist hinüber.
„Darf ich vorn raus oder muss ich wieder durch den Nachbargarten?"
Wir gehen durchs Haus und verabschieden uns förmlich.
Ich fühle mich verraten, obwohl Cindy nicht gänzlich unrecht hat. Ich lebe ja von meinen Auftritten vor Publikum. Aber dieses Geheimnis um meine Ähnlichkeit mit einer 800 Jahre alten Handarbeit ist zutiefst persönlich und das es jetzt für Werbezwecke missbraucht wird, verletzt mich sehr.
Ich plumpse auf die Eckbank in meiner gemütlichen Wohnküche und schiele zum Highbord, auf dem verschiedene hochprozentige Muntermacher und Schmerzstiller bereitstehen.
Aus dem Garten flattert ein silbrig-blauer Falter herein, landet auf der mit Streublümchen bestickten Tischdecke und beginnt mit seinen
langen Fühlern die Umgebung zu erkunden. Seine irisierenden Flügel schimmern wie die Schaumkronen des Meeres.
In meinem Herzen verspüre ich erneut eine schmerzliche Sehnsucht.
„Hey, du", ich beuge mich herunter, so dass er sich auf meiner Augenhöhe befindet.
"Du suchst vergeblich, die Blumen sind nicht echt. Alles nur Illusion. Enttäuschend, nicht wahr? Genauso fühle ich mich auch. Immer wollte ich ein freies und unabhängiges Leben führen und nun bin ich so frei, dass meine Freunde nur darauf warten, dass ich wieder verschwinde und so unabhängig, dass mich meine eigene Mutter noch nicht mal zu ihrer Hochzeit einlädt."
Toll, ich rede mit einem Schmetterling. Die Krise ist wohl größer als gedacht. Aber der kleine Kerl ist ein wirklich aufmerksamer Zuhörer. Anmutig klappt er seine zart schillernden Flügel auf und zu.
Ich greife zur Nachsendepost, die noch ungeöffnet auf dem Küchentisch liegt. Ein amtlich aussehendes Kuvert mit geprägtem Wappen von einer Anwaltskanzlei bringt meine Sinne zum Kribbeln. Ich habe keinen weiteren Bedarf an Hiobsbotschaften.
Ich lese das Schreiben, einmal, zweimal, lege meine Sonnenbrille beiseite und lese ein drittes Mal. Doch Buchstaben und Sätze ändern sich nicht, bleiben da stehen, schwarz auf weiß und verkünden in geschraubter Amtssprache von der Auszahlung meines Erbanteils meiner Großeltern. Die Summe klingt nicht schlecht, doch es ist der Haken dahinter, der mir die Luft zum Atmen nimmt. Mein Vater hat das Häuschen verkauft und ich habe noch eine Woche, um mir liebgewordene Dinge auszusuchen, bevor die Baufirma des neuen Besitzers mit Umbau und Renovierung startet.
Der Damm ist gebrochen und ungehindert fließen die Sturzbäche meiner Tränen.
Der kleine Falter sitzt ganz erstarrt vor mir und ich schluchze ihm zu:
„Nimm mich mit. Nimm mich mit in dein Sommermärchen und lass mich einfach verschwinden."
III
30.04.1205 später Abend
Der Schatten bewegt sich lautlos durch die Nacht. Der gewundene Pfad, der sich kaum sichtbar zwischen niedrigem Strauchwerk und hochaufragenden Findlingen hindurchschlängelt, stellt für ihn keine Schwierigkeit dar. Seit Kindesbeinen sind ihm diese Wege vertraut. Er kennt jeden Stein, jeden herabhängenden Ast und jeden sich zwischen buckligen Wurzeln hervorzwängenden Farnbusch. Seine Bewegungen sind fließend und geschmeidig und die dicke Laubschicht des vergangenenJahres dämpft seine Schritte, sodass man fast glauben möchte er schwebe durch den Wald. Wenn das sanfte Licht der Sterne seinen Weg bis unter die tief herabgezogene Kapuze finden würde, könnte es ein wehmütiges Lächeln enthüllen.
Der Schatten erinnert sich an die unbeschwerten Tage seiner frühen Jugend, an denen er mit kindlichem Eifer all die verschlungenen Pfade und geheimnisvollen Höhlen des Bergmassives erforschte. Zahllose Stunden verbrachte er in diesem Wald, auf der Suche nach dem sagenhaften Einhorn oder einem geheimen Tanzplatz der Elfen. Doch nie waren ihm die magischen Geschöpfe aus den Erzählungen seiner Mutter begegnet.
Das Lächeln verzieht sich zu einem ironischen Grinsen. Sollte heute, in dieser besonderen Nacht, ein verirrter Wanderer mit einem zufälligen Blick die verhüllte Gestalt bemerken, so würde er annehmen ein Wesen aus der Geisterwelt hätte sich erhoben, um seine ruhelosen Kreise zu ziehen. Und der Wald der Feen hätte eine neue Geschichte um seine mystische Aura.
An der nächsten Biegung des Weges tritt er einen Schritt zur Seite, lehnt sich an den zerfurchten Stamm einer Schwarzerle und verschmilzt mit ihm in der Dunkelheit. Sein Blick geht abwärts, sucht das glitzernde Band des Gwyllt und folgt ihm durch die Hügel in Richtung des Ozeans. Dort hinten stürzt sich der bis dahin ruhige und behäbige Fluss mit einem spektakulären Sprung aus 30 Metern Höhe ins Meer. Wenn der Wind von der See herüber weht, kann man das Donnern des Wasserfalls zwischen dem Rauschen der Brandung vernehmen.
Tief atmet er die nächtliche Kühle ein. Heute liegt kein salziger Geschmack nach Meeresluft darin. Es riecht nach Rauch. Die vielen kleinen Feuer, die auf dem gegenüberliegenden Berghang unterhalb der Burg entfacht sind, zwinkern ihm wie schalkhafte, rot glühende Koboldaugen zu.
Für eine Weile bleiben seine Augen am schemenhaften Umriss des steinernen Bauwerkes haften. Dann setzt er unbeirrt seinen Weg fort. Keiner wird ihn dort heute vermissen. An Beltane wollen die Menschen ausgelassen und fröhlich feiern. Seine Nähe verursacht den meisten Unbehagen.
Er kennt die Geschichten, die sie sich über ihn erzählen und versteht sogar, wenn sie glauben er stünde mit dunklen Mächten im Bunde. Er ist dem Bösen begegnet auf dieser unseligen Pilgerfahrt, die in den Fängen von Sklavenhändlern endete. Unter ihrem diabolischen Drill verlor er seine Unschuld und seinen Glauben und wurde zu dem seelenlosen tödlichen Krieger, der jetzt sein Land vor jedwedem Feind beschützt. Er ist der Drache, den die Menschen verehren und fürchten.
Dennoch gönnt er den Leuten ihr Fest. Er hat sein Ziel fast erreicht. Wenn seine Pläne glücken, wird auch für ihn ein neues Leben beginnen. Ein Leben, in dem nicht nur der Frost aus den Feldern, sondern auch die eisige Kälte in seinem Inneren endlich verschwindet.
Der Schatten verlässt den schmalen Steg, der zum Bergkamm hinaufführt, klettert geschickt über ein paar einzelne Felsbrocken und tritt auf eine kleine Lichtung hinaus. Vor ihm liegt ein Taleinschnitt, vor Tausenden von Jahren durch einen Erdrutsch entstanden oder nach einer alten Legende von der Hand des Riesen Idris erschaffen, der nach einer Elfe griff, die ihn zu sehr geneckt hatte. Die Elfe flüchtete durch einen geheimen Weg in ihr Reich, doch durch die Gewalt des großen Grobians wurde der versteckte Durchgang freigelegt. Seit dieser Zeit gibt es eine als Elfentunnel oder auch Feengrotte bezeichnete Höhle, deren Eingang ihm schwarzmäulig entgegen starrt.
Ein Nachtfalter mit schillernd blauen Flügeln tanzt vor ihm im silbernen Mondlicht.
Der Schatten zögert einen Moment. Ausgerechnet er, der jeden Glauben verloren hat, will heute Nacht die Götter herausfordern. Mit einem leichten Schnauben verscheucht er die Anwandlung von Furcht. Was soll ihm groß passieren? Das Himmelreich ist ihm längst versagt und durch die Hölle war er schon gegangen. Entweder erhören ihn die Mächte früherer Zeiten oder er ist den Hirngespinsten eines verrückten Mönches aufgesessen.
IV
30.04.2005 23.30 Uhr
Brüllender Donner rollt über den Wald. Krachend entlädt sich der himmlische Zorn. Sturm zieht herauf und fegt wütend durch die Nacht.
Ich bin allein, wartend – worauf?
Das dieser Tag vorüber geht? Das ich meine Maske des Lächelns ablegen kann?
Allein! Verlassen! Obdachlos!
Angst greift nach mir, kriecht mir kalt in die Knochen, presst mein Herz zusammen, rauscht erdrückend in meinen Ohren.
Ich laufe los, renne davon. Doch wohin? Wer wird mich beschützen?
Zweige schlagen mir ins Gesicht, Ranken reißen an meinem Gewand.
Weiter, immer weiter.
Da vorn, die Grotte. Eine Zuflucht?
Ein schwacher Lichtschein, der mich leitet.
Oh ihr Geister dieses Waldes, Volk der alten Sagen, gewährt mir einen Wunsch. Bringt mich nach Hause, gebt mir einen Platz im Leben, einen Ort, an dem ich zur Ruhe finde und einen Menschen, der auf mich wartet, um ...
30.04.1205 23.45 Uhr
Ein Feuer aus heiligen Eschenzweigen,
drei Federn eines weißen Vogels,
Wacholder, Mistel, Alraunenwurzel.
Ein Schnitt, den ich kaum spüre,
mein Blut, euch als Opfer.
Ihr Götter meiner Urahnen, Herrscher der Elemente, Hüter der Zeit, Volk, das im Verborgenen lebt, gewährt mir Zugang in eine andere Welt.
Nehmt mich hinfort aus meinem einsamen Schmerz.
Nein, halt, ich kann nicht gehen.
Wer soll die Menschen hier führen, beschützen?
Oh schwindet ihr Zweifel unnütz!
Unnütz wie mein totes Herz, wie die kalte Leere meiner Seele.
Gibt es irgendwo Erlösung?
Ich wünsche mir nur ein wenig Wärme, ein Licht, das die Schatten meiner Seele vertreibt, ein Wesen an meiner Seite, das bereit ist ...
0.00 Uhr
...mich zu lieben...
V
Ich kann in eure Herzen sehen
und
hab' vernommen euer Flehen.
Bevor zu Ende diese Nacht,
werd' ich nun wirken meine Macht.
Kommt!
Findet zusammen, bleibt nicht länger allein,
dass was längst vergangen - mit dem was wird sein.
VI
Rhys ap Kynan starrt mit zusammengekniffenen Augen den Abhang empor. Durch das dichte Unterholz aus Haselnuss- und Ebereschenschösslingen bahnt sich etwas unter lautem Krachen den Weg nach unten, direkt auf ihn zu. Schwarz schnaubt unwillig und wirft den Kopf nach hinten, sodass seine lange seidige Mähne ihm ins Gesicht peitscht.
Als letzte Nacht das Unwetter losbrach, war er zu seinem Pferd geeilt, welches er an der alten Weidenhütte im Tal zurückgelassen hatte.
Die ganze Aktion ist sowieso schwachsinnig gewesen. Elfenzauber! Nichts als Aberglaube.
Was auch immer dort den Hang herunter kommt, erscheint dem Hengst in höchstem Maße verdächtig. Da Pferde bei Gefahr erst einmal weglaufen und lieber später nachsehen, hat Rhys alle Mühe das Tier unter seiner Gewalt zu behalten.
Das seltsame Wesen hat angefangen zu quieken, womit ein Bär mit ziemlicher Gewissheit als Verursacher des Radaus ausscheidet. Vielleicht ein wilder Eber? Zur Sicherheit zieht er sein Schwert und lenkt den Rappen in die Deckung einer mächtigen Buche.
Mit einem Rums kommt die Buschlawine in einem Gestrüpp aus wildem Holunder, Brombeerranken und Farnkraut zum Stehen.
In der darauf folgenden Stille schweben abgerissene Blätter wie sanfte Schneeflocken zu Boden und aus dem hellgrünen Dickicht ragt ein zierlicher Schuh heraus. Eine Art Kurzstiefel aus feinem dunkelroten Leder, dessen gelöste Schnüre eine innige Verbindung mit dem Strauchwerk eingegangen sind. Den Schaft ziert eine kunstvolle Stickerei aus Ranken und Blüten, eindeutig handelt es sich um einen Frauenschuh. Vom dazugehörigen Fuß nebst Besitzerin ist allerdings nichts zu entdecken.
Peinlich berührt wird Rhys bewusst, dass er hoch zu Ross und mit gezogenem Schwert vor einem Stück weiblicher Garderobe Stellung bezogen hat. Er verliert ein paar deftige Worte über die ausgeprägte Tapferkeit eines gewissen männlichen Begleiters, während er schleunigst seine Waffe in die Lederscheide zurückschiebt.
Schwarz kommentiert die Bemerkung mit geblähten Nüstern und kurzem Schütteln seines mächtigen Hauptes, ganz nach dem Motto "Danke, gleichfalls."
Sich aus dem Sattel herunter beugend, angelt Rhys den Schuh aus dem Gesträuch. Bewundernd streicht er über das weiche Leder. Noch nie ist ihm eine so feine Arbeit unter die Augen gekommen. Solche Schuhe kosten ein Vermögen und gehören keinesfalls einer Frau aus der Umgebung. Seine weiblichen Untertanen laufen in Holzschlappen oder barfuß.
Dies bringt ihn auf einen anderen Gedanken. Wer mit solchem Schuhwerk reist, reist nicht allein, sondern mit Begleiteskorte.
Beunruhigt lässt er seine Blicke den Hang hinauf schweifen und lauscht dabei angestrengt auf verdächtige Geräusche. Sein geschultes Gehör vernimmt jedoch nur die üblichen friedlichen Stimmen des Waldes.
Aus dem Blätterlabyrinth vor ihm erklingt leises Stöhnen. Rhys biegt einige Zweige des Strauches auseinander.
Die Überreste eines Schleiers hängen zwischen wirren Zöpfen, Laub und losen Strähnen einer wahren Mähne von lockigem, rubinroten Haar.
Grüne Augen, schießt es Rhys durch den Kopf. Wenn sie grüne Augen hat, ist sie ein wahrhaftiger Kobold.
Sie sind blau und ihr Blick trifft ihn wie ein Keulenschlag.
Nicht das helle, wässrige Blau vieler Angelsachsen. Nein, ein tiefes, reines Kobaltblau. Die leicht schräge, mandelartige Form verleiht ihrem fein geschnittenen Gesicht einen exotischen Touch. Und sie leuchten, wie Kornblumen in einem Weizenmeer, allerdings nicht sonderlich freundlich.
Ich koche vor Wut. In mir brodelte es wie in einem Schnellkochtopf, kurz vor der Explosion. Ich brauche ein Ventil um Dampf abzulassen und gerade eben habe ich ein passendes Objekt ausgemacht. Der Kerl hockt da gemütlich auf einem riesigen schwarzen Gaul und glotzt mich an wie das achte Weltwunder.
Die geballten Hände in die Hüften stützend, baue ich mich vor ihm auf.
"Ah, der Herr Ritter höchstpersönlich. Nun, Rhys ap Kynan, was verschafft mir denn die Ehre, Euch heute morgen doch noch zu Gesicht zu bekommen? Wart Ihr gestern Abend etwas unpässlich oder lief im Sport-Kanal eine ungeheuer wichtige Liveübertragung?" Der gefährlich ruhige Tonfall meiner Stimme verbirgt keineswegs den Zorn, der in mir lodert.
Völlig fassungslos hebt Rhys die Augenbrauen. Woher kennt diese Fremde seinen Namen? Er ist sich sicher sie noch nie im Leben gesehen zu haben. Sie scheint eine Rechtfertigung seinerseits zu erwarten, doch er hat keine Ahnung wofür.
Einen Moment lang bin ich verunsichert. Die Miene des Mannes drückt ehrliche Verblüffung aus. Ich kann mich nicht erinnern ihn bei der Schaustellertruppe gesehen zu haben, aber der Kleidung nach muss er zum Team gehören. Die Ähnlichkeit mit dem Porträt des Burgherren kann kein Zufall sein, auch wenn die gesamte Erscheinung etwas ungepflegt wirkt.
Das Kostüm, angefangen bei den geschnürten Lederstiefeln über die hellbraune Kniehose bis zur dunkelgrünen Leinentunika und dem mit Eisen beschlagenem Lederwams wirkt ziemlich abgetragen. Sein dunkelblondes Haar ist strähnig, die markanten Gesichtszüge wirken hager und er hat tiefe Schatten unter den Augen.
Seine Augen.
Die sind allerdings einzigartig. Ihre grün-goldene Farbe geben seinem durchdringenden Blick etwas hypnotisches. Die greifbare Intensität jagt mir einen Schauer über den Rücken.
Magieraugen.
Der Ersatzmann für den ausgefallenen Hauptdarsteller kann sich durchaus sehen lassen doch es ist mir egal ob er eine Erklärung dafür hat, dass ich am gestrigen Abend vergessen worden bin. Die ganze Nacht habe ich in dieser grässlichen kalten Grotte gewartet und jetzt kämpfe ich mich sich seit Stunden durch diesen verfluchten Urwald. Ich bin am Verhungern und an meinem ganzen Körper gibt es keine Stelle, die nicht schmerzt. Irgendjemand wird dafür bluten und dieser Aushilfsschauspieler kommt mir gerade recht.
Wo die Castingagentur ihn so schnell aufgetrieben hat? Ein Einheimischer ist er nicht, da würde ich ihn kennen.
Ich schnaube ungehalten.
"Hättet Ihr wohl die Güte mir meinen Schuh zu geben?"
Rhys glaubt den Zustand seiner momentanen Sprachlosigkeit überwunden zu haben. Schließlich braucht er sich auf seinem eigenen Grund und Boden von niemandem anpöbeln zu lassen. "Wer seid Ihr?", herrscht er das Wesen an.
„Ich bin Arwen L'Eau", bekommt er als Antwort. Eine Normannin?
„Seltsamer Name für diese Gegend."
Sie verdreht die Augen.
„Er ist elbisch! Aber du bist nicht von hier, oder? Ich habe dich hier noch nie gesehen."
"Eigentlich schon." Die Frau hat eindeutig ihre Sinne nicht ganz beisammen. Sie kennt seinen Namen und weiß nicht, dass sie auf seinem Land herumspaziert? Und elbisch?
"Verrätst du mir deinen Namen?" Erwartungsvoll blickt sie ihn an.
Für Rhys ist die Sache klar. Entweder hat sie sich bei ihrem Sturz böse den Kopf gestoßen oder sie ist geistig nicht ganz zurechnungsfähig. Mit solchen Leuten muss man behutsam umgehen. Nach kurzem Zögern antwortet er: "Mein Name ist Rhys."
"Oh, wie passend." Sie kichert als hätte er einen guten Witz gemacht.
Meine Wut verfliegt während wir nebeneinander durch den Wald stapfen. Ich kann nicht länger böse sein, der Kerl sieht aus, als hätte er ebenfalls die Nacht im Wald verbracht.
Obwohl es mich ein wenig wurmt, dass er mich nicht kennt. Hat ihm niemand ein Skript mit den Namen der Darsteller gegeben? Von der Aufführung scheint er nicht die leiseste Ahnung zu haben.
„Wo willst du denn hin?", fragt er mich.
"Nach Hause", antworte ich, „der alte Merlin kann meinetwegen im Dreieck springen, vor heute Abend werde ich keinen Finger mehr rühren. Falls ich mir keine Lungenentzündung geholt habe und noch einen Pieps heraus bekomme, werde ich ihn das wissen lassen. Nach diesem Debakel von Weltuntergang steht mir Erholung zu!"
Verdutzt blickt Rhys zu ihr hinüber. Heimlaufen? Bis nach England oder gar bis in die Normandie? Trocken bemerkt er: "Da hast du ja noch ein Stück Weg vor dir. Wieso bist du eigentlich allein unterwegs?" Und was hat der alte Zauberer damit zu tun?
Ich mache große Augen. "Das war doch so vorgesehen. Die Elfen haben mich an der Grotte abgesetzt und da sollten wir uns treffen. Ich habe mir die Beine in den Bauch gestanden, dann kam dieses scheußliche Unwetter und ich war im Nu klitschnass, also habe ich mich untergestellt, um zu warten bis es vorbeigeht, bloß das dann keiner mehr kam und ich die ganze Nacht da festsaß." Sein bestürzter Gesichtsausdruck lässt mich erkennen, dass er wirklich völlig ahnungslos ist. "Hat dir keiner was erklärt?"
„Nein, zum Teufel! Wovon redest du?" Oder vielleicht doch, Rhys schwant etwas unheimliches.
"Na von dem festgelegtem Ablauf, den Regeln, Himmel noch mal, die müssen dir doch gesagt haben was du zu tun hast. Bei wem hast du eigentlich deinen Vertrag unterschrieben?"
"Vertrag? Ich habe gar nichts unterschrieben." Rhys sieht aus, als will er die Flucht ergreifen.
"Du kannst dich doch nicht ohne Vertrag engagieren lassen. Wie kann man nur so naiv sein. Glaubst du ernsthaft, die hohe Garde erinnert sich an irgendwelche Versprechen gegenüber einem Durchschnittsmenschen? Womöglich haben sie dir eingeredet du wärst der glückliche Gewinner eines Preisausschreibens. Dabei brauchen die dringend einen der ihre Einnahmen rettet." Ich rede mich richtig in Rage. In mir gärt die Wut über den zunehmenden Kommerzialisierungswahn meines geliebten Heimatfestes. Außerdem ist Rhys ebenfalls Waliser und wir müssen zusammenhalten.
Für Rhys ist ihre beherzte Ansprache genauso nebelhaft wie der Boden der Talsenke. Er begreift, dass sie ihn vor irgendetwas warnen will. Aber der Blutzoll ist geleistet und er wird sich nicht vor seiner Verantwortung drücken.
In die eingetretene Stille dringt leises Glöckchenklingeln, gefolgt von kräftigem Ziegengemecker.
Augenblicklich wendet sie sich dem Berghang zu und stürmt zwischen den Bäumen hindurch. "Hast du das gehört? Wir sind gerettet!"
Das Sonnenlicht bricht durch die Zweige und die vom Morgentau benetzte Wiese glitzert wie ein mit Diamanten bestickter Teppich zu ihren Füßen. Die Welt um sie herum erstrahlt in überirdischer Helligkeit. Der Zauber war nicht wirkungslos geblieben. Nur anders ausgegangen als erwartet. Rhys ist sich sicher, dass hier vor ihm ein Wesen aus dem Feenreich mit großen Augen zur Burg hinüber sieht.
Mein Hirn weigert sich zu verarbeiten, was ich da sehe. Das Ganze ist ein Trick, eine Halluzination, ein Albtraum. Krampfhaft suche ich nach vertrauten Anhaltspunkten. Nur, dass es keine gibt. Der Burgberg ist kahl geschlagen, eine einfache Wiese erstreckt sich wo eigentlich Parkanlagen und Rosengärten sein sollten. Ganz Llanrhaeadr ist verschwunden, lediglich ein paar verstreute Hütten säumen das Terrain. Panik steigt in mir auf.
Ich habe mich nicht verlaufen. Ich habe das Tal durchquert und den Fluss in der seichten Senke des Bärengrundes passiert, dort wo sich normalerweise das Freibad befindet. Und hier müsste ich eigentlich mitten auf dem Parkplatz von Idwals Gartencenter stehen. So wie die Gegend jetzt aussieht mochte es vielleicht vor 800 Jahren gewesen sein. Ich keuche entsetzt. Das darf doch alles nicht wahr sein! Wenn ich wirklich im tiefsten Mittelalter gelandet bin ... dann ist dieser fehlbesetzte Statist hinter mir niemand anderes als der echte Rhys ap Kynan höchst persönlich. Voller Erschrecken fahre ich herum. Stolz und aufrecht steht er da mit seinem schwarzen Schlachtross. Seine Augen! In diesem geheimnisvollen Grün habe ich mich so oft in meinen Träumen verloren. Doch was soll ich jetzt damit anfangen?
Ein silbrig-blau schimmernder Schmetterling umkreist uns, dreht freudig eine Pirouette und eine seltsam entrückte Stimme erklingt mit leisem Singen in meinem Kopf.
„Wählet eure Wünsche weise, ihr Menschenkinder! Mein Wirken endet hier. Hört auf eure Herzen und erfreut euch an meinem Geschenk."
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