Kapitel 11: Der Verbund der Reiter
An einem Montagmorgen im November fällt der erste Schnee. Ich liebe die weißen Flocken, deswegen nehme ich nicht den Bus zur Schule, sondern schnappe mir mein Fahrrad. Ich fahre langsam, damit ich nicht ausrutsche, denn obwohl der Schnee direkt schmilzt, sobald er auf dem Boden aufkommt, ist es etwas glatt. In der Schule war es ungewöhnlich ruhig, Cair hatte selbst scheinbar genug zu tun, sodass er leider, leider keine Zeit gefunden hat, sich mit mir zu beschäftigen. Wahrscheinlich musste er zig Mal am Nachmittag in die Schule, weil er schon einmal sitzen geblieben ist und dieses Jahr vermutlich dann von der Schule muss, wenn er weiterhin so schlechte Noten schreibt. Ich meine, ich wünsche ja niemandem schlechte Noten, aber mich für immer von Cair in Ruhe zu wissen, da höre ich mich nicht "Nein" sagen. Als ich in die Klasse komme und Kilian, ein Mitschüler, der immer über alles Bescheid weiß, erzählt, dass das Auto unseres Lehrers liegen geblieben ist er verspätet kommt, wenn überhaupt, kommt Cair auf mich zu. Er sieht mich an und grinst verschlagen. "Naaa, hat unser kleiner Ponyfutzi Angst?" fragt er mich ironisch und dehnt dabei das A in Angst unnatürlich lang. Ich sehe ihn an und hoffe, dass ich genervt und nicht ängstlich wirke. "Redest du mit mir?", frag ich ihn nach einer kurzen Pause und nachdem ich einmal durch die Klasse geblickt hatte. Cair macht einen Schritt auf mich zu und brüllt: "Verarsch mich nicht". Er steht so nah vor mir, dass ich seinen Geruch nach Bier und Zigarettenrauch riechen kann. Von waschen und nüchtern zur Schule zu kommen, hält er wohl nichts. Er packt mich und drückt mich an die Wand. "Du kleiner, dreckiger Ponyreiter!", spuckt er mir ins Gesicht. Plötzlich sehe ich Lavena hinter ihm. Sie tippt ihm auf die Schulter, blickt ihn kalt an und sagt mit einem bitteren Lächeln: "Du weißt, ich reite auch. Und nachdem du mir letztes Jahr am Valentinstag noch so einen schmalzigen Brief geschrieben hast, indem du gemeint hast, Leute, die Haustiere haben, wären so wahnsinnig gute, liebenswerte Menschen, kannst du ja wohl nichts gegen Pferde haben, oder? Also sei doch so gut und lass uns Reiter in Ruhe!" Cair sieht genauso ungläubig aus, wie ich glaub, dass ich aussehe. Dann wird er puterrot, ob aus Wut oder Scham lässt sich nicht sagen. Er dreht sich ohne ein Wort um und geht. Ich bedanke mich leise bei meiner Retterin und Lavena sieht mich lächelnd an und zwinkert dann. "Auf den ungeschriebenen Verbund der Reiter", flüstert sich zurück und in ihren Augen beginnt etwas, zu leuchten.
Später, als ich auf dem Weg zu Stall bin, kribbelt es voller Vorfreude in meinem Bauch. Ich bin so, dass sich Lavena heute auf meine Seite geschlagen hat und vielleicht bedeute ich ihr ja etwas. Aber das ist sicher nur Hirngespinst. Trotzdem, sobald ich an ihre Augen denken, die mich so aus dem Konzept bringen, kann ich mir wünschen, dass sie mich auch mag. Am Stall stelle ich mein Fahrrad ab und gehen mit schnellen Schritten zu Caryla. Die Ponystute sieht mich begeistert an und wiehert, sobald sie mich sieht. Als ich ihre Box betrete sucht sich mich erst einmal von oben bis unten nach Leckerlis oder Futter ab, aber ich habe ihre Leckerlis im Sattelschrank, deswegen findet sie nichts und dreht sich desinteressiert weg. Ich höre, wie jemand an Caryla's Box vorbeigeht und drehe mich um. Es ist Lavena, die über Caryla's Futtergier grinsend, ihren Sattel holen geht. Dann gehe auch ich Caryla's Putzzeug und auch ihre Ausrüstung zu holen, weil ich gleich Reitstunde habe und Silvie beschlossen hat, meine und die Stunde von Lavena zusammenzulegen, weil sie meint, die Halle ist groß genug und es wäre eh viel lustiger zu zweit oder zu noch mehr. Caryla schnaubt hingebungsvoll, als ich anfange, ihr den Dreck aus dem Fell zu bürsten und lässt genießerisch die Lippe hängen. Ich putze viel lieber in der Box als auf dem Putzplatz, weil Caryla dann viel entspannter ist. Ich kichere in mich hinein und rede leise mit ihr. Beim Hufe auskratzen zappelt sie zwar gerne herum, aber ich weiß zum Glück, wie ich sie zum Stillstehen bringe. Ich lege etwas Heu in die Raufe, sodass sie futtern kann, während ich ihre Hufe sauber mache. Dann sattle ich sie und zäume sie auf, was Caryla widerstandslos und brav mitmacht. Bevor wir in die Halle gehen, setze ich noch meinen Helm auf. Auf dem Weg zur Halle, treffen wir Lavena und Sunny, die beidem in einem dunklen blau gekleidet sind.
Die Reitstunde geht schnell vorbei und als wir trocken reiten, reitet Lavena neben mich, um zu ratschen. Ich glaube, ich kann meine Freude darüber kaum verbergen, aber es ist mir egal. Wir reden über die Stunde und ich kann nicht anders, als ihr zu sagen, wie verdammt gut sie reitet und dass es echt schön ist, zum Zuschauen. Zu sagen, dass sie schön ist, bringe ich nicht über die Lippen, weil es einfach zu komisch klingt. Sie blickt zu mir "Du reitest auch echt gut, dafür wie wenig lang du erst reitest. Du hast echt ein gutes Gespür für Pferde." Dann sagt sie noch etwas, aber ich verstehe es nicht, weil sie so leise spricht. Ich frage Lavena, was sie gesagt hat und sie wird rot. "Ich meinte, dass du auch gut mit Menschen umgehen kannst und ... ja", sagt sie etwas lauter. Ich habe das Gefühl, dass sie ursprünglich noch mehr gesagt hat, aber die Reiterin spricht nicht weiter. Da nehme ich meinen Mut zusammen oder vielleicht ist es auch einfach dumm, weil ich so vielleicht unsere Freundschaft oder was auch immer es ist, kaputt mache, aber ich fange an zu sprechen. "Danke, dass du mir heute geholfen hast. Du bist wirklich eine unglaublich tolle Person und ich mag dich echt total gern. Du hilfst mir einfach ohne zu fragen, auch hier im Stall und bringst mich zum Lachen, auch wenn es mir nicht so gut geht und ich muss einfach immer gute Laune haben, wenn ich mit dir rede", ich rede ohne Pause und schnell, aber laut genug, dass sie mich verstanden haben muss. Ich schaffe es kaum, sie anzusehen und meine Wangen müssen furchtbar rot sein. Lavena sagt nichts.
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