Kapitel 9
„Also ich finde das wirklich unfair, Karasuma.", schniefte Koro-Sensei. „Ich bin doch das Zielobjekt, warum darf ich dann nicht bei Ihren Besprechungen dabei sein?"
Die Augenbraue des Schwarzhaarigen zuckte. „Weil Sie das Zielobjekt sind, und es sich um streng vertrauliche Daten handelt. Deshalb."
„A-aber Karasumaaa..."
Der nächste Tag war angebrochen, und wie jeden Morgen warteten die Lehrer auf die Schüler der E-Klasse. Eleya war eine der ersten, und saß bereits in dem Raum, der bisher nur von wenigen Sonnenstrahlen erhellt wurde. Es war ihr zwar nicht anzusehen, aber innerlich atmete sie deswegen auf. Es war ihr so schon hell genug, und sie genoß die Momente, in denen es noch nicht so hell war. Aus Erfahrung wusste sie, dass es nicht lange so bleiben würde, also nutzte sie die kurze Zeit, die ihr blieb. Karasuma beobachtete sie dabei.
‚Sie scheint ganz normal zu sein, wenn man sie so betrachtet... Die perfekte Tarnung.', dachte er stumm, in dem Versuch, das hin und her wabernde Wesen zu ignorieren, ohne etwas von Eleya's gesamten Identität preiszugeben. Obwohl er vermutete, dass der Oktopus es sowieso bald herausfinden würde. Er konnte sich kaum vorstellen, dass es lange an ihm vorbeiziehen würde. Doch auf der anderen Seite war sie eine der Top-Agentinnen von Shield, und rangierte auf demselben Level wie Irina, falls nicht höher. In einem Kampf könnte sie ihn vermutlich locker besiegen, und von allem, was er von ihr gehört hatte, war sie gleichermaßen gefürchtet und verehrt.
Er bemerkte, dass Terasaka und seine Kameraden den Berg herauf gekommen waren. Ihm war aufgefallen, dass der robuste Kerl wohl etwas gegen die neue Schülerin einzuwenden hatte, was früher oder später wohl in einer Auseinandersetzung enden musste. Terasaka war bekannt für seine Streitsucht, sodass Karasuma auf gewisse Weise begann, sich Sorgen zu machen. Nicht um Eleya - der Himmel allein wusste, wie schnell sie ihn wohl besiegen würde -, sondern um den Jungen. Dieses Mal hatte er sich wirklich den falschen Gegner ausgesucht, dachte Karasuma mit einem Anflug von Mitleid. Auf der anderen Seite jedoch fand er, dass er eine gewisse Lektion verdiente. Vielleicht lernte er ja daraus.
Trotz seiner Gedanken kniff er die Augen zusammen, als Terasaka die Tür aufstieß, schnaubte, sobald er Eleya sah und dann auf seinen Platz setzte. Wie er es erwartet hatte, blieb sie ruhig, zurückgelehnt mit geschlossenen Augen. Er konnte förmlich sehen, wie in ihrem Kopf ein Countdown anzeigte, wann Terasaka den Mund aufmachen würde, die Ruhe durchbrechen würde. Es trennte sie lediglich ein Stuhl.
„He, Miss Neuzugang! Hier gibt's ein paar Regeln, klar?!", drohte er plötzlich. Muramatsu und Yoshida kräuselten sich zusammen bei dem Ton, den er anschlug. Das einzige Mädchen der Gruppe bedachte ihn lediglich mit einem Verdrehen ihrer Augen und einem finsteren Blick.
„Lass sie in Ruhe, Ryoma. Sie hat dir nichts getan."
Der Junge schnaubte. „Nichts getan. Klar. Am Ende ist die noch genauso schlimm wie diese Elli."
Hazama verdrehte erneut ihre Augen, während Yoshida zusammenschrumpfte, als sei ihm diese Seite von Ryoma unangenehm. Muramatsu dagegen grunzte abfällig.
Karasuma beobachtete, wie Eleya innerlich zu seufzen schien. Äußerlich konnte er keine wirkliche Reaktion ausmachen. Sie schien genug Erfahrung zu besitzen, um auch weiterhin die Ruhe zu bewahren. Dann, unerwartet, lächelte sie leicht.
„Wie wäre es mit einem Deal, Terasaka-san. Wenn du es schaffst, mich innerhalb der restlichen Woche zu besiegen, sprich, zu ‚töten', verschwinde ich. Das gilt für jeden, der es versuchen will. Falls ihr es nicht schafft lasst ihr mich in Ruhe meine Aufgabe verrichten. Einverstanden?"
Überrascht trat er einen Schritt zurück. Eleya hatte ihre Augen in vollständiger Entspannung geschlossen, nichts wies auf irgendeine Anspannung hin oder auf den Versuch, ihn auszutricksen. Die beiden Jungen vor ihm zogen scharf die Luft ein, und Hazama betrachtete sie interessiert. Terasaka ballte sein Hände.
„Ha! Was ein Kinderspiel!"
Das Lächeln vertiefte sich. Wenn du dir da mal nicht zu sicher bist, Terasaka...
„Kommst du dann nicht in Schwierigkeiten oder so?", fragte Hazama skeptisch. Eleya's Lächeln wurde schelmisch.
„Wenn ich mich von Schülern besiegen lasse, habe ich hier nichts zu suchen." Die verdutzten Gesichtsausdrücke ignorierend rief sie; „Karasuma?" Das Schelmische in ihrem Gesicht wurde deutlicher. „Ich weiß, dass Sie da sind."
Mist. Sie ist gut.
Der Agent fluchte leise, als ihm klar wurde, dass er ihre Fähigkeiten vergessen hatte. Er war zu leise für die Schüler, nicht jedoch für Eleya.
Karasuma sah sie grimmig an, bevor er ihnen widerstrebend zunickte. „Das stimmt. Es wäre eine gute Übung für Sie alle, und die Gelegenheit für Sie herauszufinden, wo die Stärken und Schwächen der Schüler liegen."
„Dann ist es also besiegelt. Nimm das Angebot an oder lass es. Du darfst mich ab jetzt also nach Herzenslust angreifen.", meinte Eleya zufrieden.
Die dazugekommenen Schüler sahen hin und her zwischen ihr und Ryoma.
„Da kannst du dich drauf verlassen!"
Gut., dachte sie mit leichtem Lächeln.
Es ist entschieden. Er tut mir offiziell Leid., dachte Karasuma. Er hatte Eleya's Akte gesehen. Der Junge hatte keine Chance.
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