Kapitel 5

Sie waren nicht die ersten, die auf dem Gipfel des Berges ankamen, doch Eleya schenkte diesem Fakt keine Beachtung, im Gegenteil. Karasuma hatte sie an den Schülern vorbei lotsen wollen, um keinen Aufruhr zu verursachen, doch statt nach dem Kleidungswechsel zur Schuluniform im Lehrerzimmer zu warten, hockte sie auf einem Ast in der Nähe des Schulgebäudes und beobachtete die Jugendlichen. Sie wollte sich einen ersten Eindruck verschaffen, bei dem sie nicht in ihrem Sichtfeld war. Jarvis lieferte ihr einige Daten hinzu, die sie nutzte um ihre ersten Einschätzungen zu machen.

"The target seems to be looking for you, Miss." („Das Zielobjekt scheint sie zu suchen, Miss.")

"Thanks J." („Danke, J."), antwortete sie, nur wenige Sekunden bevor das Wesen neben ihr landete.

„Ahh, du scheinst dir bereits deine neuen Klassenkameraden anzusehen. Interessante Art und Weise, sich vorzubereiten.", kicherte es. Eleya sah ihn an.

„Sie haben Potenzial, das könnte sich als hilfreich erweisen. Karasuma-san wies mich bereits darauf hin, dass es gut sein könnte, sie einzubinden.", gab sie zurück. Dann lenkte sie ihre Aufmerksamkeit zurück auf die Schüler. „Der ein oder andere könnte sich sogar zum Killer eignen. Mit der richtigen Ausbildung wären sie rasch dabei."

„Das stimmt wohl. Ich konnte bereits aus nächster Nähe erfahren, was für Kräfte in ihnen schlummern."

Eleya's Augen fixierten sich kurz auf ein grünhaariges Mädchen, einen blauhaarigen Jungen und einen frechen Rotschopf, bevor sie weiter die anderen Gespräche mitverfolgte. Ihre Ohren nahmen selbst das leiseste Flüstern war, wie auch ein kaum hörbares Geräusch, das ihr verriet, das Koro-Sensei seine Tentakel bewegte. Ihre Augen sahen trotz der Entfernung schärfer, als eine Kamera es könnte.

„Ich hoffe doch sehr, dass du dich aktiv in dieser Klasse integrieren wirst, Barton-san. Meines Erachtens wärst du eine willkommene Ergänzung.", sagte ihr Gesprächspartner. Sie sah ihn nicht einmal an, als sie antwortete.

„Natürlich. Das ist mein Job."

Bei ihrem unverbindlichen Ton schüttelte Koro-Sensei entsetzt seine Tentakel; „W-Wieso denn nun so kühl auf einmal?"

Eleya beachtete ihn nicht einmal, als ein Ton in ihrem Headset einen Anruf von Nick Fury ankündigte. Sie sprang vom Baum und entfernte sich ein paar Schritte, bevor sie abnahm.

"What's up?" („Was gibt's?")

"Heard you arrived. Got to talk to Agent Karasuma about the mission yet?" („Hab' gehört, du bist angekommen. Konntest du bereits mit Agent Karasuma über die Mission reden?")

Eleya sah zurück auf das Schulgelände und bemerkte einen wütend tanzenden Koro-Sensei, der sich im Hintergrund über ihren Abbruch des Gesprächs beschwerte. Sie versuchte, ihn auszublenden, erfolglos. Verflucht seien verschärfte Sinne. 

"Not really. The lessons will start in a minute, so I'll have to do it afterwards. Have you received the codes for each cases?" („Nicht wirklich. Der Unterricht beginnt in einer Minute, also muss ich das nachher machen. Haben Sie die Codes für die verschiedenen Fälle erhalten?")

"I did. Pretty imaginative." („Habe ich. Ziemlich einfallsreich.")

Sie zuckte ihre Achseln, obwohl er es nicht sehen konnte. Im Hintergrund hörte sie noch immer die Beschwerden ihres neuen Lehrers.

"Thought they'd make it easier to remember what they stand for. Additionally they should be coded enough to not let anyone, who doesn't know something about this whole thing, know what's going on." („Ich dachte, sie würden es vereinfachen, sie im Kopf zu behalten. Außerdem sollten sie verschlüsselt genug sein, um niemanden, der nicht Bescheid weiß, wissen zu lassen, was los ist.")

Am Rande ihres Blickfeldes machte Eleya Karasuma aus, der ihr zuwinkte und auf seine Uhr zeigte, dann seine Hand wie ein Telefon ans Ohr hielt. Sie nickte.

"Gotta go. I'll call you back later. Oh, and I'm meeting the other assassin soon, I'll report you then. See you." („Ich muss los. Ich rufe später zurück. Oh, und ich treffe die andere Assassine bald, ich werde Ihnen dann berichten. Bis dann.")

"Good luck Eleya." („Viel Glück, Eleya.")

Eleya stellte ihr Headset auf stumm und lief zu Karasuma, der bereits wartete.

„Director Fury. Betraf die Mission."

Er nickte. Dann deutete er auf das Schulgebäude. „Ich denke, wir sollten rein gehen. Die Schüler wissen, dass sie eine neue Mitschülerin haben, und sind bereits neugierig."

Diesmal nickte sie und folgte ihm, leise wie eine Katze. Karasuma öffnete die Tür, zeigte den Weg. Eleya scannte wie gewohnt die Umgebung, den Grundriss kannte sie bereits. Jarvis hatte ihn ihr im Quinjet präsentiert, sodass es nun nur noch galt, ihn mit dem aktuellen Gebäude abzugleichen. Karasuma's Schritte konnte sie als leichtes Klacken wahrnehmen, während sie sich dem Klassenraum näherten. Von hinter der Tür konnte sie bereits die Stimmen ihrer neuen Klassenkameraden hören, anders als Karasuma, der sie erst kurz vor der Tür wahrnahm. Es war ein Teil ihrer ‚Gaben', die sie aufgrund ihrer Gefangenschaft erhalten hatte. Bei der Erinnerung daran verspürte sie den leichten Drang, an ihrem rechten Handgelenk zu reiben, die Zahlen, die auf ihm prangten, irgendwie loszuwerden. Sie widerstand ihm.

Karasuma bedeutete ihr, zu warten, betrat den Raum und stellte sich vor die Klasse. Sie hörte ihn so laut, als stünde er direkt vor ihr.

„Wie bereits angekündigt, werden wir heute weitere Unterstützung für die Erledigung des Zielobjektes erhalten. Sie ist in eurem Alter, also dürfte es dort keine Probleme geben."

Getuschel brandete auf, und Eleya wünschte sich, sie könnte all das nicht so deutlich hören, als wäre sie bereits im Raum. Ihre Augen fixierten die gegenüberliegende Wand, bevor sie sie schloss, sich stattdessen doch auf ihr Gehör konzentrierte. Es mochte ihr zwar nicht gefallen, aber vielleicht konnte sie so ihren Eindruck über die Schüler verschärfen. Ihr Rücken lehnte an der Wand zum Klassenraum, sie hatte ein Bein angewinkelt und die Arme verschränkt. Der Faltenrock verbarg ihre Pistole, die Jacke versteckte drei Messer. An ihrem unteren Rücken war eine zweite Pistole befestigt. Trotz der Sicherheit und der Abgelegenheit des Gebäudes war die Pistole am Bein, wie auch eines der Messer, echt. Sie wollte sich nicht auf derlei Dinge verlassen, hatte sie doch zu viel Erfahrungen mit solchen Situationen gesammelt. Karasuma wusste noch nichts von all dem, doch Eleya plante nicht, ihn in diesem Moment schon einzuweihen.

Sie verharrte noch einen Moment im Flur, ehe sie das Zeichen von Karasuma erhielt. Die Klasse verstummte erwartungsvoll, als sie eintrat, sichtlich erleichtert, dass sie keine weitere Maschine wie Elli zu sein schien, die Eleya bereits vorher sehen konnte. Das bedeutete, dass man zumindest mit ihr reden konnte, und sie ein Mindestmaß an Emotionen besitzen müsste.

Eleya stellte sich neben den Agent, ließ ihren Blick wie beiläufig über die Klasse schweifen. Viele der Schüler lächelten vorsichtig, einige schienen bereits eine Abneigung zu haben. Dazu zählten ein ordentlich gebauter Junge mit blonden, unten rasierten Haaren und braunem Deckhaar, ein zweiter Junge mit kurzen Dreadlocks und ein dritter Junge mit leicht lockigen, kurzen blonden Haaren. Sie wirkten wie grobe Schlägertypen, doch Eleya beeindruckte das wenig. Sie hatte genug solcher Menschen gesehen und besiegt, um keine Angst mehr vor ihnen zu verspüren.

„Das ist Eleya. Sie kommt aus New York und wird euch von nun an zur Seite stehen. Sie hat eine gute Ausbildung genossen und wird euch bei Fragen helfen können."

Ein Mädchen meldete sich, und Karasuma nickte ihr zu. Sie hatte lila Augen, braune, zu einem Pferdeschwanz hoch gesteckte Haare, und eine recht freundliche Ausstrahlung. „Kannst du Japanisch?"

Eleya nickte. „Ich verstehe Japanisch sehr gut, von daher sollte es bei der Kommunikation keine Probleme geben. In Japan an sich bin ich jedoch zum ersten Mal, darum verzeiht mir bitte, wenn ich etwas nicht ganz so tue, wie ihr es tut."

Koro-Sensei kicherte etwas. „Ich bezweifle, dass dies der Fall sein wird, Barton-san. Was ist deine Frage, Okuda-san?"

Das grünhaarige Mädchen zuckte kurz zusammen, fragte dann aber doch. „S-sind Sie eine Killerin, Barton-san? Verzeihung, wenn es... seltsam klingt."

Die Blondine lächelte flüchtig, dann nickte sie wieder. „So kann man es nennen. Und nennt mich ruhig Eleya, ich kenne das nicht anders."

Allgemeines Nicken ging durch die Klasse, und die nächsten Hände hoben sich. Karasuma nahm sie nacheinander dran.

„Ja, Ryonosuke?"

„Wurdest du irgendwo speziell ausgebildet?"

Eleya rührte sich nicht, obwohl sie von leichter Überraschung umfasst wurde. So eine Frage hatte sie nicht erwartet. Sie versteifte sich kaum merklich, als sie antwortete;

„Diese Information ist leider schwer vertraulich. Ich kann dir nur sagen, dass ‚speziell' durchaus zutreffen könnte."

Der Schwarzhaarige nickte, sodass Karasuma den nächsten Schüler drannahm.

„Hast du irgendwelche Verwandten in der Nähe?"

„Nein. Meine Verwandten sind alle in New York."

„Wohnst du allein?"

„Ja, mir wurde eine Wohnung zugeordnet. Ich werde sie heute Nachmittag beziehen."

Diese Antwort sorgte wieder für einiges Raunen, doch Koro-Sensei beseitigte es wieder.

„Nanana, spricht das nicht für einen absoluten Vollprofi?"

Eleya warf ihm einen undefinierbaren Blick zu.

„Heißt das, du bist heute erst angekommen?", fragte Yuma, sodass sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Klasse vor sich richten musste.

„Vor etwas weniger als einer Stunde.", bestätigte sie genervt.

„Aber... es gibt zu dieser Zeit keinen Flug zwischen New York und Japan...", meinte Megu verwirrt.

Eleya zuckte die Schultern. „Ich bin selbst hergeflogen."

Staunen zeichnete sich auf Megu's Gesicht ab, und nicht nur auf ihrem. Koro-Sensei wedelte empört mit seinen Tentakeln.

„Aber Eleya-san! Du hättest mich doch einfach anrufen können."

Wie denn, ohne Nummer?, dachte die junge Barton sarkastisch, hielt sich jedoch zurück. Stattdessen zuckte sie die Schultern.

„Mir wurde alles nötige zur Verfügung gestellt, und ich bevorzuge, unabhängig zu bleiben."

Damit ignorierte sie ihn wieder. Karasuma räusperte sich, bevor er ihr einen Platz zuwies. Eleya nickte und setzte sich hin, in die letzte Reihe, neben einen Rotschopf, der sie sogleich mit einem teuflischen Lächeln interessiert beobachtete.

Das wird lustig., grinste er in sich hinein, besonders, als sein Blick auf Ryoma fiel, der auf seiner anderen Seite saß. 


A/N; 

Sorry für die Verspätung, aber hier ist es! 

Endlich ist die Klasse auf Eleya getroffen! Was denkt ihr, wie es laufen wird? 

Ich sage es jetzt einfach direkt; in diesem Buch werde ich jeden Donnerstag ein Kapitel veröffentlichen. Das ist zumindest der Plan, doch sollte es sich auf irgendeine Weise verschieben, kommt es in die A/N. 

Schönen Tag noch~

Fukurota 

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