Kapitel 1.6 ~ Firea
~ Ich bin eine starke Frau, weil mich eine starke Frau großgezogen hat ~
Gespannt schaue ich sie an und warte auf ihre Erklärung, mit der sie ringt. Es muss etwas verdammt ernstes sein.
" Ich hatte dir doch Mal von dieser... Organisation erzählt."
"Du meinst die, die Dragoreon tot sehen will, aber von Technologiefeen angeführt wird und deswegen womöglich genauso eine große Gefahr für uns darstellt, wie Dragoreon selbst?" , falle ich ihr ins Wort.
"Ja, die hast du ein, zwei Mal erwähnt."
Mit schiefgelegenem Kopf warte ich darauf, dass sie meinen sarkastischen Unterton wie sonst immer belächelt. Aber ihr Blick bleibt ernst. Das heißt so viel wie: Es geht um Leben und Tod.
"Ich kann dich nicht mehr so oft besuchen. In nächster Zeit eigentlich gar nicht. Sie sind uns auf der Spur und ich muss dafür sorgen, dass zumindest du unentdeckt bleibst."
Gerade als ich nachfragen will, ob ich es richtig verstanden habe, unterbricht sie mich: "Ich kann dir nicht genau sagen, was los ist, aber du musst mir vertrauen, okay?"
Seit meiner Geburt nun kenne ich sie, mein Vertrauen zu ihr ist größer als zu allem Anderen. Doch genauso auch meine Liebe und Sorge zu ihr.
"Das tue ich, aber... verdammt, irgendetwas muss ich doch für dich tun können!"
Frustriert fahre ich mir durch die Haare, bis ihre sanften Hände die Meinen umschließen. Meine, die sich fest an ihre krallen und nicht loslassen wollen, wie ein hungriger Löwe seine Beute.
"Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn dir etwas meinetwegen geschieht. Ich kann dich nicht auch noch verlieren."
Mein Blick ist starr auf unsere Finger gerichtet, während ich für einen Wimpernschlag in die Vergangenheit katapultiert werde. Vor fünf Jahren. Als ich alles und jeden verloren habe, außer Ella und ihren Sohn Jay.
Während ich tief ausatme und dabei ihr Entscheidung akzeptiere - wohlwissend, dass ich ohnehin jede Diskussion gegen sie verlieren werde, zwinge ich mich zu einem Lächeln.
"Weißt du" , beginne ich mit zittriger Stimme, "Ich habe mir immer gewünscht, dass mir meine Mutter zur Sommerwende beisteht."
Anders, als auf der Erde, wird die Volljährigkeit einer Feuerfee in Fotia von der ganzen Stadt jedes halbe Jahr gefeiert. Erst danach gilt die Magie als Vollwertig, auch wenn es ein alter Mythos ist. Aber die Sommerwende ist das Ereignis im Leben, das man niemals vergessen wird. Musik, Lichter, Flammentänze während denen man Phönixen gleicht und überall, wo man sieht, nur gute Laune. Wie sehr habe ich mir damals gewünscht die Zeremonie über mich ergehen zu lassen, den ganzen Abend zu feiern und vor allem mit meiner Mutter die ganzen Vorbereitungen zu treffen. Nicht nur Ella, sondern auch meine Mutter hatte ein besonderes Händchen für wunderschöne Frisuren. Und sie war eine, der talentiertesten Schneiderinnen unserer Stadt.
"Es-...Es ist nur, dass...Sie hat mir jedes Mal versprochen, mir ein Kleid zu nähen, dass alle übertrifft. Schon damals konnte ich an ihrem Blick sehen, dass sie ständig nach Inspiration gesucht hat, auch wenn es noch Jahre bis dahin waren und..."
Kopfschüttelnd kaue ich auf meine Lippen herum und schaue langsam auf. Noch hat sich keine Träne ihren Weg aus meinen Augen gebahnt und darüber bin ich mehr als froh. Denn würde ich jetzt anfangen zu weinen...wer wäre in der Lage mir zu sagen, dass ich jemals damit aufhören könnte?
"Das klingt jetzt kitschig und kindlich, aber... Würdest du trotzdem mit mir ein Kleid für den Winterball am Freitag kaufen gehen? Ich weiß, eigentlich sollten wir nicht, ich..."
Bevor ich irgendetwas sage, das alles noch schlimmer macht, gebe ich ihr erst Zeit zum überlegen. Denn, wenn ich so darüber nachdenke, spricht mehr dagegen als dafür.
Letztendlich wechselt ihr grübelnder Blick zu einem sanften Lächeln.
"Das du mich das fragst, wo diese Ehre eigentlich deiner Mutter gebührt hat...dafür möchte ich dir erst einmal danken."
Augenverdrehend erwidere ich ihr Lächeln. "Wir sind zwar nicht biologisch verwandt, aber du hast mich nie anders behandelt, als eine Tochter. Wen soll ich sonst fragen, Jay?"
"Ich dachte mehr an Cathrin, weil ihr ja Freunde -"
"Vergiss es!" , komme ich ihr zuvor.
"Entweder du oder niemand."
Lächelnd drückt sie meine Hand ein letztes Mal, bevor sie sie loslässt und nickt.
"Aber vorher will ich wissen, wer der Glückliche ist."
Ich sinke tiefer in meinen Stuhl und presse schuldbewusst die Lippen aufeinander. Mit einem kurzen "Kennst du nicht" , versuche ich sie abzuwimmeln, aber es hätte einiges an Glück gebraucht, damit das funktioniert.
Erst als nicht nach einer Weile zu ihr schaue, fängt sie an zu reden.
"Komm schon, wenigstens einen Namen, ich brauche ja nicht gleich seine tiefsten Geheimnisse zu kennen. Ich muss wissen, mit wem du unterwegs bist um die Zeit, ncht, dass er dich entführt und du Mitglied einer fiesen Sekte wirst."
Ich fange bei ihren Worten sofort an loszuprusten.
"Eine Sekte? Dein Ernst? Etwa eine, die Kobolde jagt?"
Natürlich wäre das nicht das beste Ende für den Abend, aber wenn ich mit einer Horde Eis zu und Blitze werdender Feen fertig werde, die meinen Tod wollen, schaffe ich das auch mit harmlosen Menschen.
"Glaub mir, viele Sagen und Legenden sprechen nicht nur von dem lieben Geschöpf mit dem grünen Anzug. Teilweise sind sie schlimmer als Riesen. Und die sind auch nicht immer so gemein, wie behauptet wird."
"Du liest definitiv über deren Mythologien."
Ich stehe langsam auf und bereite mich innerlich auf meine Flucht vor.
"Also, ich schätze Mal, dass ich noch Hausaufgaben machen muss."
Ja näher ich der Treppe komme, desto schneller warte ich.
Nur leider bin ich nicht so schnell wie Ella, die Dank ihrer Lichtgeschwindigkeit nun direkt vor mir ist. Erst leicht versetzt nehme ich die Geräusche wahr, die sie beim Laufen erzeugt hat, wie die Schuhe oder den sachten Wind.
"Firea, du weißt, dass dein Ausreden auch mal besser waren. Ich meine, hast du jemals schon Hausaufgaben gemacht dieses Schuljahr?"
Seufzend drehe ich mich um und gehe auf das Sofa zu, nur um mich darauf fallen zu lassen.
"Eric Wilson, nerviger Streber, der in Allem gut ist. Außerdem spricht er in Rätseln, wenn er überhaupt spricht, und hat keine wirklich guten Freunde. Oh, und David hat ihn genauso auf dem Kieker wie mich, und das nicht im positiven Sinne. Das war's so ziemlich."
Leicht lächelnd sehe ich zu ihr und sofort senken sich meine Mundwinkel. Sie lächelte auch, ja, aber es ist kein Echtes. Ihre Augen verraten sie. Doch wenn ich eines weiß, dann dass man ihr Zeit lassen soll. Sie redet wenn sie will und sie schweigt wenn sie will. Nichts und niemand kann das ändern, ihr Wille ist eisern und härter zu brechen als Diamant.
"Aber ich habe noch nicht offiziell zugesagt, also könnte ich immer noch absagen" , beginne ich langsam.
"Und es ist ja nicht so, als würde ich nicht aufpassen."
Seufzend sieht sie zur Decke auf, als würde sie eine Antwort von ihr erwarten. Dabei steht ihr die Sorge ins Gesicht geschrieben. "Erstens, der Raum ist mit Menschen gefüllt. Das heißt es wäre gegen den Jahrhunderte alte Kodex sich dort als Fee erkennen zu geben. Und selbst wenn ich angegriffen werden würde, würde die Polizei und was weiß ich sonst miteinbezogen werden und das wiederum könnte unser Aller Überleben gefährden. Außerdem-"
Ihre Hand, die meine Schulter leicht drückt, unterbricht meine Argumentation. Dabei bin ich immer noch beim ersten Punkt.
"Ich weiß, dass du auf dich aufpassen kannst. Und genauso weiß ich jetzt auch, wie viel dir dieser Abend bedeutet. Ja, es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass alles gut wird und ich mir keinen Sorgen mache. Aber Eines muss dir stets vor Augen bleiben. Ganz egal was passiert, du lebst jetzt auf der Erde als Mensch und Menschen gehen auf Bälle, tanzen bis ihre Füße schmerzen, gehen mit Jungs aus und haben Spaß. Ich muss akzeptieren, dass du auch ein Mensch bist. Also, geh und hab deinen Spaß. Aber was auch geschieht"
Es ist gruselig wie schnell ihre Miene wechseln kann. Von einer Sekunde auf die Nächste sieht sie mich warnend an. Auch ihre Stimme senkt sich und bereitet mir Gänsehaut.
"Bring niemanden nach Hause. Sieh das als einen Befehl an."
Während ich tief durchatme, verdrehe ich die Augen. Für einen kurzen Augenblick hat mein Unterbewusstsein überlegt, ob es in Panik verfallen soll und dann sowas. Als wäre ich ein Kleinkind, das das nicht schon seit Jahren weiß.
"Und was kommt als nächstes? Dass ich mich von dem Punsch fernhalten soll?"
Ein Grinsen zeigt mir, dass sie jetzt anfängt mich zu ärgern.
"Nein, von allen alkoholischen Getränken. Oder muss ich dir, du Kindchen, erst erklären, wie Alkohol und das Feuer in dir zusammen reagieren? Und ich dachte, du würdest wenigstens etwas in Chemie aufpassen. Oder muss ich dir jetzt Hausarrest aufzwingen, damit du lernst."
Dass das nun wirklich nicht zu meinen Lieblingsfächern gehört, ist mittlerweile Jedem bewusst. Denn ganz egal, was ich versuche, ich kann keine Reaktionsgleichungen oder irgendwelche C's, O's und H's mehr sehen, die in eigenartigen Mustern angeordnet sind. Ohne meine Technologiefähigkeit, die mich alles besser und schneller verstehen lässt, wäre ich vollkommen aufgeschmissen. Auch wenn es Betrug ist.
" Ja, ja, lach du nur. Ich gehe jetzt weiter essen."
Sichtlich amüsiert über meine Reaktion ist sie diejenige, die einen Schritt in meinen Richtung geht und mich in ihre Arme schließt.
"Ich war schon zu lange hier" , flüstert sie in mein Ohr und ich drücke sie noch fester an sich.
"Wann kommst du wieder?"
Von der guten Laune ist nicht mehr viel übrig. Immerhin geht sie und das ist wahrscheinlich Eines der letzten Male, in denen ich sie so lange sehen kann.
Sie streicht sachte meine wirren Strähnen aus dem Gesicht und lächelt liebevoll.
"Ich schleiche mich am Donnerstag her."
Seufzend lassen wir uns los und sofort breitet sich Ungeduld und Vorfreude auf Donnerstag in mir aus.
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