Kapitel 9 ✔︎

Nach dem Gespräch mit Mrs. White fühlte ich mich definitiv besser. Sie hatte mir den Grund der Existenz der Soulrider erklärt, was Soulrider waren und was in ihren Aufgabenbereich fiel.

Dadurch wusste ich, dass diese ganze Sache zumindest real war, und ich diesen Drachen der sich Trinn nannte, heute Nacht wiedersehen würde.

Nun lief ich zurück. Allein.

Ich seufzte auf und versuchte, mit meiner rechten Hand meinen Nacken zu massieren, was irgendwie nicht recht klappen wollte.

Naja, was soll's.

Mit einer Müdigkeit wie eh und je taperte ich einen Kiesweg entlang, der zu dem Teil des Gebäudes führte, wo die Schlafräume waren.

Mrs. White würde den Unterricht fortführen, währenddessen hatte ich schon frei bekommen. Dankbar war ich ihr aufjedenfall. Jetzt konnte ich endlich schlafen.

Doch nichts da.

»HEY! BLEIB STEHEN!«

Erschrocken zuckte ich zusammen und sah mich alamiert um. Hatte jemand mit mir gesprochen?
Kurz darauf ertönte lautes Hufgetrappel und ein schwarzes Pferd kam um die nächste Ecke gebogen.

Perplex starrte ich den Vierbeiner an, bis ich realisierte, dass er direkt auf mich zuraste.

»STEHENBLEIBEN!«

Nun tauchte eine jüngere Frau auf, mit wild umherwedelnden Armen und einem, vor Anstrengung, roten Gesicht.

Ich blickte überfordert zwischen ihr und dem Pferd hin und her, bis ich schließlich meine Hand austreckte und laut »Halt!« rief.

Der Rappe hielt abrupt an und stieg auf die Hinterbeine. Ich ließ meine Hand ausgestreckt und traute mich mit langsamen Schritten voran.
Bei genauerem Betrachten stellte ich zwei unterschiedliche Augenfarben fest. Das linke Auge war dunkelblau, das rechte Auge war pechschwarz.

»Du« sagte ich langgezogen und starrte dem Pferd in seine Augen. »Kommst jetzt mal runter«.
Der Rappe stellte sich wieder auf alle Viere und schnaubte auf. Ich schüttelte den Kopf.

»Egal was du denkst, nein. Wir werden jetzt keinen magischen Moment der unsterblichen Freundschaft erleben. Du lässt dich jetzt schön von mir streicheln, und dann bringt dich die Dame dahinten zurück, einverstanden?«

Das Pferd sarrte mich eine Weile lang an und trat mit seinem rechten Vorderhuf etliche Kuhlen in den Boden, bis der Kopf des Tieres schließlich auf und ab wippte.

Nachdem ich dies als Bestätigung meines herrausragenden Planes wahrgenommen hatte, schloss ich die Lücke zwischen der Stirn des Pferdes und meiner Hand.

»Ruhig« murmelte ich automatisch, als ich die Stirn streichelte und meine Hand schließlich zur Mähne wanderte.
»Gott hast du weiche Haare. Ich beneide dich«.
Leicht schmunzelnd klopfte ich ihm auf den Hals und lief an ihm vorbei. Mit meiner Hand an seinem Hals zog ich ihn leicht mit, überraschenderweise folgte er mir.

Die Frau vor uns starrte uns fassungslos an. Ihr Gesicht hatte wieder eine normale Farbe angenommen, und als wir näher kamen, lächelte sie erleichtert auf.

»Vielen Dank« sagte sie schließlich und atmete erschöpft aus. »Er reißt oft aus, seit wir ihn hierher gebracht haben. Meißtens müssen wir ihn in der Nacht wieder herbringen, wenn er draußen in der Wildnis schläft« erklärte die Frau. »Mein Name ist übrigends Judy. Freut mich!«

»Nina«. Ich grinste sie an und lief zusammen mit Judy und dem Rappen zu einer Art Auslauf. »Wieso reißt er denn so oft aus?«

»Er war ein Jungpferd als wir ihn fanden. Allein und frei in der Wildnis, allerdings verletzt an beiden Hinterhufen. Ich denke, er will einfach in die Wildnis zurück. Aber das wird schlecht funktionieren...«.

Verwirrt sah ich Judy an. »Wieso?«
Sie lächelte leicht und öffnete das Gatter zu einer riesigen Koppel, wo bereits mehrere Pferde draufstanden und friedlich grasten.

»Er ist ein Pegasus«.

»Ein was?«

»Ein Pegasus«. Sie lachte auf. »Ich sehe dir an, dass du verwirrt bist. Ihr habt Pflege der magischen Tiere, das heißt, ihr kümmert euch um die Pferde hier. In eurem letzten Jahr hier verwandeln sie sich dann in Pegasie«.

Ich starrte zuerst zu Judy, dann zu dem Rappen neben mir, und dann wieder zu Judy, welche mich amüsiert beobachtete.

»Du bist in der Elementary Klasse, oder?« »Jap« sagte ich nickend. »Dann hast du morgen mit meiner großen Schwester hier Unterricht. Sie wird dir nochmal alles genauer erklären«.

Der Rappe neben mir schnaubte plötzlich auf, als Judy ihn berühren und auf die Koppel bringen wollte. Dann wieherte er laut und lenkte somit die Aufmerksamkeit anderer Pferde auf der Weide zu uns.

»Beruhige dich« versuchte es Judy, allerdings erfolglos.
Ich stellte mich vor ihn und strich ihm wieder über die Stirn.
»Shh« murmelte ich und ging langsam rückwärts. Er folgte mir, ebenfalls langsam.

Schließlich, als wir mitten auf der Koppel standen, ließ ich ihn los.
»Ich komme morgen wieder. Bis dahin versuchst du, nicht auszureißen, in Ordnung?«

Der Rappe stampfte mit seinem Vorderhuf auf und schüttelte sich. Ich deutete das als ja, weswegen ich ihm zufrieden durch die Mähne strich und dann die Koppel verließ.

Judy bedankte sich doppelt und dreifach und verabschiedete sich schließlich mit einer überraschenden Umarmung von mir.

Ich machte mich nun endlich auf den Weg zurück in den Schlafsaal. Mein Bett rief förmlich schon nach mir, und ich tat nichts lieber als diesem Ruf nachzugehen.

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