Kapitel 1 ✔︎

»Frühstück«.

Blinzelnd schlug ich die Augen auf. Und kniff sie direkt wieder fest zu.
Aufzuwachen und direkt in die strahlende Sonne zu schauen war nicht schön.

»Nina?«

»Mhm« machte ich so laut es meine müde Stimme mir erlaubte.

Okay, zweiter Versuch.

Ich öffnete zuerst ein Auge. Dann zwei. Ein leises Seufzen verließ meinen Mund, als ich die Beine über den Rand des Holzbettes schob und mir immernoch verschlafen die Augen rieb.

»Nina, steh auf«.

»Bin doch schon dabei« erwiederte ich leicht genervt und stand nun richtig auf. Mit wackeligen Beinen taperte ich von meinem Bett fünf Meter weiter zu einem runden Tisch für zwei. Dahinter, bequemlich auf einen Stuhl gefletzt, mein Zwillingsbruder Tim.

Wir waren Waisen, doch nicht von Geburt an.

Wir führten ein einfaches Leben im Wald. Das hörte sich erstmal nicht so schön an, ich könnte mir aber nichts anderes vorstellen.

Im Wald war es ruhig, denn alles was man hörte war Vogelgezwitscher und Hufgetrappel von vereinzelten Rehen die mal vorbei kamen.

Einzig und allein die Winter waren etwas härter. Doch dafür befand sich ein Bauernhof am Waldrand, von welchem wir uns regelmäßig Essen ausborgten. Nett ausgedrückt.

»Hau rein. Heute gibt es Ei... Ei, und Ei« begrüßte mich Tim fröhlich. »Ich sehe wir haben eine große Auswah« seufzte ich und ließ mich auf den verbliebenen Stuhl neben mir fallen.

Eine Weile lang herschte angenehmes Schweigen zwischen uns. Wir aßen einfach, ohne etwas zu sagen. Ich genoss die Stille.

Bis ein Eichhörnchen rotz frech in unsere Holzhütte flitzte, flüchtig etwas auf dem Tisch ablegte und genauso schnell wieder verschwand.

Perplex starrte ich auf den weißen Briefumschlag vor mir, genauso wie mein blauäugiger Zwilling.

»Was war das denn gerade?« murmelte dieser. Ich zuckte mit den Schultern, nahm den Brief an mich und begann laut vorzulesen.

Sehr geehrter Tim Winter, sehr geehrte Nina Winter,

hiermit möchten wir Sie an unserer Elementar- Academy Lightrosen herzlich begrüßen. Bitte bedenken Sie den Schulstart am 8. August. Vorerst sind keine Materialien nötig. Weiteres im Anhang.

Verdutzt bauten Tim und ich Blickkontakt auf.

»Eh?« kam es von uns beiden wie aus einem Mund. Lightrosen? Von so einer Akademie habe ich ja noch nie gehört. Und Elementar? Elemente oder was. Als ob es das gibt, die spinnen doch alle.

»Hier ist der Anhang«. Tim hatte ein weiteres Stück Papier gegriffen.

Unser Internat ist mit einem Schutzzauber besiegelt und kann von Außenstehenden daher nicht gesehen werden. Aus diesem Grund werden Sie von einem unserer trainierten Pegasie abgeholt und durch ein verstecktes Portal nach Lightrosen gebracht.

Mit freundlichen Grüßen
Lydora White
Schulleiterin von Lightrosen

»Die sind doch alle bescheuert, niemals werde ich diesen Schwachsinn glauben« meckerte mein Bruder. Ich nickte zustimmend. Als ob gleich ein Pegasus ankommen würde und sie dann gemeinsam durch ein Portal fliegen würden.

Ja genau.

»Hallo? Ist hier jemand?«

Stille.

Erschrocken wechselten Tim und ich vielsagende Blicke.

Was zum-.

Ein leises Wiehern, ein Hufscharren und ein Schnauben.

Leise stand der braunhaarige Wuschelkopf vor mir auf und bewegte sich so leise wie möglich zu der Holztür. Zaghaft schaute er mich an. Ich sah mich um und ergriff kurzerhand ein Wasserglas als Waffe. Die konnten ja auch wehtun.

Dann stieß mein Zwilling die Tür auf. Wir beide waren mindestens gleich stark überrascht, als sich vor uns ein weiß- grau geschecktes Pferd aufbaute.

Bernsteinfarbene Augen funkelten uns schelmisch an und als wäre das nicht schon genug, verdeckten riesige silberne Flügel die Sonne.

»Ich halluziniere. Oder ich werde alt«.

Das Etwas vor uns trat ein wenig weg von der Tür und neigte den Kopf.

»Guten Morgen. Mein Name ist Solondriel. Ich bin ein Dienstpferd des Lightrosen Internats und wurde beauftragt, euch Zwillinge nun dorthin zu tragen«.

Langsam stellte ich das Wasserglas zurück auf den runden Tisch.

»Moment... also war das kein dummer Scherz? Dieses Internat ist wirklich da? Und du bist... wirklich ein Pegasus?«

»Sehe ich für dich aus wie eine Kuh oder was. Ich hab Flügel und den Bau eines Pferdes, natürlich bin ich ein Pegasus, was denn sonst?« schnaubte er mir entgegen.

»Okay mal ganz ruhig jetzt. Sind wir jetzt verpflichtet mit dir mitzugehen oder können wir auch hierbleiben?« wollte Tim wissen.

»Die Entscheidung liegt ganz bei euch. Der Brief kam leider etwas kurzfristig an, unser Postbote hatte Lieferschwierigkeiten. Naja, ich sage ja dass man Eichhörnchen so etwas nicht tun lassen sollte. Alles was die wollen sind Nüsse«.

Die Stimmung lockerte sich, dass merkten wir alle. Tim aß sein Frühstück draußen bei Solondriel auf, während ich mir alles durch den Kopf gehen ließ.

Wäre es eine gute Idee dorthin zu gehen?

Wir hätten eine Chance auf ein neues Leben. Dort würden wir vielleicht endlich gleichaltrige Freunde haben und einen halbwegs normalen Schultag.

Hm...

andererseits wollte ich diesen Wald nicht verlassen. Vielleicht würden wir uns dort ja auch gar nicht wohl fühlen?

»Nina? Ich packe jetzt. Du auch?«

Leicht lächelte ich. Für Tim stand es also schon fest. Naja, ich konnte ihn ja schlecht allein lassen. Ich war schließlich seine bessere Hälfte. Oder zumindest so ähnlich.

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