Kapitel 6

Bruchtal sah auch von hier unten noch umwerfend aus. Ich kannte mich mit der Architektur in unserer Welt nicht aus aber war mir relativ sicher, dass ich eine solche Stadt noch nie gesehen hatte. Außer in den Filmen, natürlich.

Je länger wir in Bruchtal herumwanderten, desto verblüffter waren wir. Die Häuser der Elben waren dadurch, dass sie zum großen Teil sehr offen waren, einerseits zwar sehr einladend und hell, andererseits hätte ich gerne gewusst wie es die Elben mit der Privatsphäre hielten. Natürlich waren die meisten Wohnhäuser der Elben nicht nur aus Säulen gebaut, aber... ich hasste es auch, wenn mir jemand beim Lesen zusah! Oder beim Essen.... obwohl, so wie die Elben aussahen, gab es bei ihnen sowieso nichts als Salat. Ein Glück, dass die Hobbits unsere Köche waren!

Die Straßen waren gepflastert. Auf unserem Weg kamen wir auch einige Male an kleinen Läden vorbei. Gleich am Dritten blieben wir kollektiv stehen... Die Jungs und ich vor Begeisterung, die anderen eher geschockt.

"Hier gibt es Schwerter!?", fragte Ebru entsetzt.

"Klar", antwortete Johanna unbekümmert und gesellte sich zu mir und dem Elbenschwert, das ich gerade bewunderte. "Was denkst du, womit wir Schwertkampf trainieren sollen?"

"Geil!", ließ Kilian verlauten und verschwand sofort im Inneren des Gebäudes.

"Ist das nicht gefährlich, mit echten Waffen zu kämpfen?", fragte Lena sehr unsicher.

"Deshalb haben wir doch auch zwei Lehrer!", stellte Mira fest. Sie schien auch Gefallen an den Waffen zu finden.

"Und damit wir beide vermöbeln können", murmelte Johanna neben mir. Ich sah sie an und wir mussten grinsen.

Dafür, dass der Laden von außen sehr klein gewirkt hatte, konnte er erstaunlich viele Kunden aufnehmen. So langsam waren alle zu neugierig geworden, um draußen stehen zu bleiben. Viele standen jedoch mit einem Sicherheitsabstand von einigen Metern von denen entfernt, die die Schwerter und Dolche in die Hand nahmen.

Dieser Laden bot alles, was man sich als Kämpfer wünschen konnte: Messer, Dolche, Schwerter, Bogen, unglaublich viele Arten von Pfeilen, in der hintersten Ecke meinte ich sogar, ein paar verstaubte Äxte erkennen zu können. Alle anderen Waffen hier waren auf Hochglanz poliert.

Gerade hielt ich ein Schwert hoch, das man locker in einer Hand halten konnte. Es sah ein wenig wie Hadhafang, Elronds Schwert, aus, aber es war nicht ganz so stark gebogen und sah von Griff her eher aus wie das der Düsterwald-Elben.

Als ich es Johanna zeigen wollte sah ich, dass sie gerade einen langen Dolch in der Hand hielt, ähnlich denen von Legolas. Nur war der Griff aus braunem Holz.

"Die sind ja so leicht!", kommentierte Cara, die zunehmend begeistert schien. "Die müssten doch eigentlich sehr viel schwerer sein?"

"Das ist die Kunst der Elbenschmiede", kam es von irgendwo hinter uns. Wir alle fuhren herum. Vor uns stand ein Elb. Er wirkte selbst für einen Elben relativ alt, hatte aber dennoch eine sehr selbstsichere und ruhige Ausstrahlung, wie alle seiner Art. Vermutlich gehörte ihm der Laden.

Er fuhr fort: "Im Gegensatz zu den Zwergen kämpfen Elben mit ihrer Geschicklichkeit und Strategie statt ihrer Kraft. Je leichter das Schwert, desto schneller können sie zuschlagen und auch ausweichen. Im Laufe der Jahrtausende hat sich die Schmiedekunst der Elben so weit entwickelt, dass sie immer leichtere Schwerter herstellen konnten."

"Wahnsinn", war Nicos einziger Kommentar, als er ein Schwert aus seiner Halterung an der Wand nahm und es abschätzend wog. "Aus welchem Material sind die denn gemacht?"

"Meist sind die Klingen aus einer Mischung von Stahl mit Moria-Silber, also Mithril, mit normalem Stahl. Die Griffe sind meistens aus normalem Holz gefertigt, während die Verzierungen sich immer unterscheiden. Ihr werdet hier wohl kein Schwert finden, das einem anderen gleicht, obwohl sich die Formen der Elbenschwerter sehr ähnlich sind."

"Wie viel kostet denn so eins?", fragte Ben neugierig. Auch er schien ein Schwert ins Auge gefasst zu haben, das allerdings einen kürzeren Griff und eine breitere Klinge hatte als die meisten anderen.

Der Elb überlegte nicht lange. "Ich nehme an, ihr seid die Klasse die die da oben für dieses Schuljahr eingeladen haben?"

Wir nickten kollektiv. War ja irgendwie auch logisch. Es sei denn, er sah jeden Tag komplette Schulklassen in seinem Laden stehen.

"Dann werdet ihr euch sowieso jeder eines aussuchen dürfen. Die Hälfte bezahlt die Schule und, die andere Hälfte erstatte ich euch,  wenn ihr mir etwas versprecht."

Prompt begannen alle zu murmeln. Das hatte niemand erwartet.

"Was für ein Versprechen?", versuchte Marina die anderen zu übertönen. Sofort wurde es wieder still und alle sahen gespannt zu dem Verkäufer.

"Diese Schwerter wurden für die Elbenkrieger geschmiedet, die in den Krieg gegen Sauron zogen. Einige haben sogar schon ein paar Schlachten gesehen. Ich bin mir sicher ihr werdet das sowieso tun aber bitte, behandelt sie mit Respekt. Ein Elb besitzt in seinem ganzen, langen Leben nur eine einzige Klinge, das macht sie für ihn umso wertvoller. Und, wenn es denn nötig ist-" An dieser Stelle sah er uns alle scharf an- "zögert nicht, mit ihnen euer Leben zu verteidigen."

Wow. Es schien ihm tatsächlich ernst zu sein. Und alle hatten eher etwas eigennützigeres erwartet. Wir versprachen es ihm.

Schließlich beschlossen wir, weil unsere Lehrer sowieso geplant hatten die Schwerter in der ersten Stunde zu holen, sie bis zur nächsten Woche hier zu lassen. Wir verabschiedeten uns von dem Verkäufer und verließen den Laden.

"Haben wir da drin wirklich so viel Zeit verbracht?", fragte Tonja überrascht. Tatsächlich stand die Sonne bereits bemerkenswert tief über Bruchtal. Wir machten uns also auf den Rückweg, konnten aber nicht umhin, die Äußerungen des Elben bis ins kleinste Detail zu diskutieren.

"Diese Waffen müssen doch wahnsinnig teuer sein, der macht doch einen riesigen Verlust, wenn er uns die alle nur zum halben Preis gibt", wunderte sich Saskia.

"Wieso bekommt ein Elb in seinem Leben nur eine einzige Klinge?", wollte Ben wissen.

"Wahrscheinlich liegt es nicht daran, dass er sich keine kaufen könnte", vermutete ich, "aber stell dir einen Elben auf einem Schlachtfeld vor, der sein Schwert verlegt hat." Daraufhin herrschte erst einmal betretenes Schweigen. Bevor unsere Gedanken allzu düstere Gestalt annehmen konnten, stellte Philipp die nächste Frage.

"Und wie kommt er auf die Idee, dass wir unser Leben verteidigen müssen? Ich dachte, der Krieg gegen Sauron wurde gewonnen?" Nun sahen alle mich und Johanna an.

"Wurde er auch!", gab Johanna zurück. "Und selbst die Orks, die zu dem Zeitpunkt nicht in Mordor waren, wurden später von einzelnen Truppen plattgemacht, die meisten wahrscheinlich von Legolas und Gimli"

Sichtlich beruhigt drehten sich alle wieder der Straße zu. Die Schule lag etwas höher als der Rest Bruchtals. Um sie zu erreichen, musste man erst einige Stufen hinaufsteigen und dann das schwere Holztor passieren, das wir bis jetzt immer nur offen gesehen hatten.

"Wir sehen uns dann beim Abendessen", verabschiedeten sich die Jungs. Zurück in unserem Zimmer, waren wir alle von diesem ganzen Tag einfach zu müde, um uns großartig zu unterhalten. Bis es Zeit war, zum Essen zu gehen, lag jeder einfach auf seinem Bett und las (Marina und ich), zeichnete (Adelina und Johanna) oder redete leise mit jemand anderem. Einige, wie Ebru und Jenni, waren auch eingeschlafen.

"Hey, müssen wir nicht so langsam runter?", fragte Adelina plötzlich. Ich schreckte auf und sah auf die Uhr.

"Verdammt, wir hätten schon vor fünf Minuten unten sein sollen!", stellte Laura fest.

"Kein Stress, die sehen das sicher nicht so eng", beruhigte Lea die anderen.

Als wir- ohne uns zu verlaufen- unten angekommen waren sahen wir, dass die Hälfte der Lehrer heute fehlte.

"Wo sind die denn alle?", wunderte sich Carina.

"Du glaubst doch nicht, dass wir jeden Tag hier verbringen", antwortete Éomer. "Viele sind nur hier, wenn sie Unterricht haben!"

Carinas Augen hellten sich jedoch auf, als sie Frodo trotzdem sah. Wir setzten uns. Kurz darauf tauchten auch die Jungs auf und wir konnten anfangen.

Wir waren ziemlich schnell mit dem Essen fertig und machten uns in kleineren Gruppen wieder auf den Weg in unser Zimmer. Dort angekommen, machten wir uns nur noch schnell fertig und legten uns ins Bett. Wir hatten uns nicht besonders angestrengt aber es war einfach so viel passiert, dass wir komplett erschöpft waren.

"Und, wie gefällt euch Mittelerde jetzt?", fragte Johanna.

"Es ist der absolute Wahnsinn", kommentierte Jenni. Die anderen konnten sich ihr nur anschließen und so ging unser erster richtiger Tag in Mittelerde zu Ende.



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