Kapitel 4
Am nächsten Morgen wachten wir von meinem Radiowecker auf. Ich hatte ihn mitgenommen, weil er das Einzige war mit dem man mich morgens wachbekam.
"Stell das dumme Ding aus!", stöhnte Mira, als Love runs out in voller Lautstärke durch das Zimmer tönte.
"Wieso? Ich mag das Lied!", verkündete ich gut gelaunt. "Außerdem fängt in einer Stunde der Unterricht an und ich würde gerne vorher noch was essen."
Wenn auch immer noch müde, standen wir auf und machten uns fertig. Für den Unterricht hatten wir alle nur Ordner und Stift dabei. So ausgestattet machten wir uns auf den Weg zum Frühstück.
"Guten Morgen!", wünschte uns Gandalf, der wie gewohnt gut drauf war.
"Morgen", nuschelte Saskia zurück. Wir setzten uns an den Tisch an dem wir schon gestern gesessen hatten und auf dem heute eine riesige Auswahl an Essen stand. Da gab es Marmelade, Honig, Nutella, Rührei, Brötchen, Schinken, Käse und Obst. Da ich morgens sowieso nicht viel aß, schnappte ich mir nur einen Apfel und knabberte daran herum. Nach einer Weile tauchten auch die Jungs auf. Sie sahen nicht weniger verschlafen aus als wir.
Das Frühstück war allgemein eher eine stille Angelegenheit. Johanna aß überhaupt nichts, sie holte sich nur einen Kaffee. Die anderen schlugen schon eher zu.
Nachdem wir fertig gegessen hatten, kam schon Bilbo zu uns. "Guten Morgen! Ihr habt eure erste Stunde bei mir. Folgt mir bitte ins Klasenzimmer.", verkündete der Hobbit. Wir standen auf und trugen unsere Teller zurück. "Wen habt ihr denn in der zweiten Stunde?", fragte er als wir uns auf den Weg machten.
"Kunst bei Thorin", murmelte Tonja auf den Stundenplan sehend. Prompt errötete der Hobbit. "Schön", war der einzige Kommentar.
"Bagginshield!", flüsterte Johanna mir mit einem fetten Grinsen im Gesicht zu. "Aber so was von!"
"Awww, das wäre so süß!", quietschte ich beinahe. Mit uns Fangirls würden es die Lehrer nicht leicht haben.
"Also, Logik.", begann der Hobbit, als wir uns alle hingesetzt hatten. "Ich habe mir gedacht, wir fangen erst einmal mit einer Art Brainstorming an. Was versteht ihr unter Logik?", fragte er uns und schrieb das Wort an die Tafel. Carina meldete sich.
"Vielleicht, mit Hilfe richtiger Folgerungen zu einem Ergebnis zu kommen?"
"Zum Beispiel, ja.", lobte er. "Fällt euch noch etwas anderes ein?"
"Etwas, das offensichtlich ist?", versuchte sich Nico.
"In diesem Zusammenhang wird das Wort auch gerne benutzt, ja. Ich würde Logik eher als die Fähigkeit bezeichnen, richtige Schlüsse anhand einfacher Tatsachen ziehen zu können. In diesem Fall habt ihr natürlich beide recht."
So ging die Stunde weiter. Nachdem wir ein paar Ideen gesammelt hatten mit denen Bilbo restlos zufrieden war, sollten wir einige Aufgaben lösen.
Nachdem es geklingelt hatte, packte Bilbo seine Sachen zusammen. "Danke, dass ihr so gut mitgemacht habt! Wir sehen uns beim Mittagessen!", verabschiedete er sich. Als er die Türklinke herunterdrücken wollte, ging diese wie von selbst auf. Dahinter stand- Thorin. Als er Bilbo sah, erstarrte er.
"Hallo", murmelte der Zwerg und drückte sich an Bilbo vorbei. Der Hobbit lief knallrot an, sah Thorin hinterher, besann sich dann aber und eilte aus der Tür. Wir mussten alle grinsen und beobachteten den Zwerg von nun an genau. Als er seine Sachen sortiert hatte, blickte er auf.
"Was ist denn?", fragte er verwirrt.
"Nichts!", kam es von uns. Nach einer Weile schien er sich damit abzufinden und begann seinen Unterricht.
Thorin wollte erst einmal, dass wir ein Bild zeichneten. Das wäre keine große Überraschung gewesen, hätte er uns gesagt, was wir zeichnen sollten.
"Ich will wissen, was ihr am liebsten zeichnet und wo ich mit euch anfangen soll. Am Ende der Stunde sammele ich die Blätter ein und nächste Woche weiß ich dann, wo wir stehen.", meinte er nur dazu.
Toll. Was konnte ich schon zeichnen? Ich war früher -und eigentlich immer noch- von Freunden umgeben gewesen, die richtig toll zeichnen konnten, einer hatte sogar in der Grundschule schon seine ersten Bilder verschenkt oder verkauft. Ich dagegen hatte es immer wieder versucht, es aber nie hinbekommen. Thorin sah auf und bemerkte, dass die meisten sich immer noch ratlos ansahen.
"Ihr müsst gar nicht lange überlegen, denkt einfach an das, was euch am meisten Spaß macht, dann habt ihr auch gleichzeitig die Motivation und euch fällt vielleicht auch mehr dazu ein", riet er uns. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis ich mich entschieden hatte. Es würde definitiv kein Meisterwerk werden, aber ich wollte es zumindest ausprobieren.
Als ich gerade einmal zur Hälfte fertig war, legte Johanna schon den Stift weg. Sie sah zu mir.
"Hey, das sieht doch gar nicht schlecht aus! Was soll denn da noch außenrum?"
"Ich habe an einen kleinen Teich gedacht oder einen See, du weißt schon, mit Blumen und Enten und... so'n Quark. Vielleicht noch ein ekelhafter dunkler Sumpf? Fliegen könnte ich hinbekommen", resignierte ich. Just in diesem Moment kam Thorin durch die Reihen auf uns zu.
"Nicht schlecht, hast du schon einmal etwas anderes versucht?", fragte er Johanna. "Du kannst gut in diesem Stil zeichnen, da scheinst du dir relativ sicher zu sein."
"Ich kann einfach keine Landschaften oder Tiere zeichnen", gab Johanna zu. "Im Gegensatz zu der da."
Mit diesen Worten zeigte sie auf Carina, die ein Pferd gezeichnet hatte. Es sah beinahe echt aus, sie hatte es mit Schattierungen ausgestattet und ihm einen wilden Ausdruck in den Augen verpasst. Adelina hingegen hatte es wie Johanna gemacht. Sie zeichnete für ihr Leben gerne Bilder für Mangas und sogar Johanna war teilweise richtig neidisch auf ihre Bilder.
Thorin hingegen hatte sich währenddessen meine Zeichnung angesehen, ohne dass ich etwas bemerkt hatte.
"Das ist doch gar nicht schlecht!", unterbrach er meine Gedanken. "Nur solltest du vielleicht daran denken, dass der Schatten von diesem Baum hier nicht zum Sonnenstand passt." Verdammt.
Schnell besserte ich es aus. Aber immerhin- vielleicht war ich ja doch nicht ganz so hoffnungslos.
Am Ende der Stunde sammelte Thorin die Blätter ein. Er versprach, jedes einzelne Bild anzusehen und uns in der nächsten Stunde mehr Tipps zu geben.
Jetzt würden wir Gandalf in der Geschichte Mittelerdes haben- hoffentlich begann er ganz am Anfang... bei Eru und den Ainur. Dieser Teil hatte mir im Silmarillion auch schon am besten gefallen, vielleicht weil mich andere Glaubensarten und Theorien über Götter schon immer so fasziniert hatten. Mythologie. Und weil ich mehr darüber herausfinden wollte, welcher Glaube die Elben, Menschen, Zwerge usw. überzeugte.
Als der Istar schließlich das Zimmer betrat, schaltete er sogleich das Smartboard an, das an der Wand befestigt war. Nachdem er uns begrüßt hatte, zeigte er auf die Karte von Mittelerde, die der Bildschirm uns veranschaulichte.
"Das hier ist Mittelerde, wie es heute aussieht. Oder-", er drückte eine Taste und der Bildausschnitt wurde größer- "ganz Arda, wie sie heute ist. Es war aber nicht die ganze Zeit so. Wir wollen uns heute mit der Frage beschäftigen, wie sie entstanden ist."
Er erzählte uns von Eru Ilúvatar, der mit den Ainur Arda geschaffen hatte, von Melkor und seinen Versuchen, die Werke der Valar zu vereiteln. Wir erfuhren detailliert, wie der ständige Streit zwischen Melkor und vor allem Manwe ausgeartet war und die Valar nun versuchten, ihn fernzuhalten. Gandalf nahm uns in dieser Stunde mit auf eine Reise durch die Geschichte Ardas und erklärte uns die Dinge, als sei er dabei gewesen.
Dann klingelte es und ich war definitiv nicht die Einzige, die enttäuscht war. Auch die anderen hätten Gandalf gerne weiter zugehört, auch wenn sie nicht sicher waren ob sie ihm glauben sollten.
"Eine Sache ist da noch!", stoppte er uns, als wir das Zimmer verlassen und in die Pause gehen wollten. "Heute wird noch ein Schüler nachkommen. Wir haben lange überlegt, ob wir ihn aufnehmen sollen, schließlich ist er ja auch etwas jünger als ihr... aber ich bin mir sicher, ihr werdet euch blendend verstehen. Er müsste jetzt in der Pause ankommen, wenn ihr ihn also in Empfang nehmen wollt, wäre ich euch sehr dankbar."
Wir sahen uns verwirrt an. Ein neuer Schüler, kaum einen Tag, nachdem wir selbst hergekommen waren? Und wieviele Jahre war er jünger? Auch wenn ich bezweifelte dass es mehr als drei Jahre waren, mit kleinen Kindern konnte ich wirklich nicht umgehen. Ich hatte nicht genug Geduld dafür. Da reichte mir ja schon mein zwei Jahre jüngerer Bruder, mit dem ich mich sowieso schon jeden Tag kabbelte.
Neugierig liefen wir also zu dem Platz, an dem uns gestern Gandalf selbst empfangen hatte. Dort stand auch schon Círdan mit dem Neuen. Schon aus der Ferne kam er mir relativ bekannt vor, doch als wir nahe genug waren ihn zu erkennen, stöhnten Johanna und ich gleichzeitig auf.
Das ist nicht euer Ernst.
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