Kapitel 3
Die Landebahn war auf einem Berg angebracht, der hinunter ins Tal führte. Dort lag die wohl schönste Stadt, die ich jemals gesehen hatte.
Die Sonne stand senkrecht über Bruchtal und tauchte die Stadt in ein helles, goldenes Licht. Man konnte Brücken erkennen, die über den Bruinen führten und Häuser, die wirkten als seien sie Jahrtausende zuvor gebaut worden (was sogar sehr warscheinlich war). Die Häuser der Elben bestanden teilweise nur aus Dächern, die in dem Licht beinahe blau schienen und von zierlichen Säulen gestützt wurden. Überall standen, sofern ich es von hier aus erkennen konnte, Statuen. Die Stadt selbst war still, man hörte nur das stetige, auf gewisse Art beruhigende Rauschen des Bruinen.
"Was für ein Anblick, nicht wahr?", fragte eine stolze Stimme neben mir. Ich fuhr herum und sah mich prompt einem Elben gegenüber.
Das Spitzohr sah mich nicht an, sondern blickte mit feierlicher Miene nach unten.
"Ihr seid ein Elb!", stellte Johanna fest. Sie schien sich von nichts mehr überraschen zu lassen.
"Meines Wissens nach, ja. Mein Name ist Cìrdan", stellte er sich lächelnd vor.
Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf. "Ihr seid aber nicht der Cìrdan, der an den Häfen Mittelerdes geblieben ist, ganze Flotten gebaut und den Elben eine Rückreise nach Valinor ermöglicht hat? Der von dem Gandalf den Ring Narya bekommen hat?", fragte ich neugierig.
"Doch, genau der. Es überrascht mich, dass du so viel über mich weißt", stellte Cìrdan fest. "Doch das zu besprechen, würde uns zu viel Zeit kosten. Ich bin keiner eurer Lehrer, also werden wir uns das Schuljahr über nur eventuell zu Ausflügen sehen, und natürlich am Ende des Jahres", verkündete er nun allen. "Folgt mir bitte."
Er ging ohne auf Antwort zu warten einen schmalen Pfad hinunter, gerade breit genug, dass wir mit unserem Gepäck keine Schwierigkeiten hatten. Während wir liefen, kam Bruchtal immer näher, bis wir an dem Punkt ankamen, von dem auch schon Bilbo, Gandalf und die Zwerge Bruchtal bewundert hatten. Von dort aus waren es nur noch einige Meter zur Brücke. Von oben hatte die Stadt klein, aber elegant ausgesehen. Aus der Nähe erkannte man, dass sie keineswegs klein war. Es gab viele größere Häuser, Türme und andere Gebilde. Die Felswände rundherum hatten keine bedrückende Wirkung, wie ich zuerst gedacht hatte, sie erschienen eher schützend.
Der Bruinen rauschte unter unseren Füßen, als wir die Brücke betraten. Am anderen Ende wurden wir bereits erwartet. "Hattet ihr eine gute Reise?", fragte Gandalf der Weiße freundlich.
"Ja, danke", antwortete Johanna verwirrt und stellte die erste Frage, die ihr einzufallen schien.
"Was war das für ein Zeug, durch das wir geflogen sind?"
"Oh, du meinst beim Dimensionswechsel?", fragte der Istar vergnügt. "Das war die Barriere zwischen unseren beiden Dimensionen, eurer Welt und Ea. Oder Arda, wie ihr möchtet. Manch einer würde sogar so weit gehen und den nicht ganz ausreichenden Begriff Mittelerde verwenden."
Kein Zweifel... Es war tatsächlich Gandalf.
"Aha", meinte Marina zögernd. "Sie wollen uns also weismachen, dass wir soeben zwischen zwei Dimensionen gewechselt sind und jetzt im Lieblingsbuch dieser zwei verrückten Hühner da stecken?"
Sie zeigte auf uns. Wir winkten ihr kurz zu - da wir gegen das Wort verrückt absolut nichts sagen konnten - und drehten uns wieder zu Gandalf um.
"Es freut mich, dass euch Tolkiens Bücher so gut gefallen, Mädels", stellte er lächelnd fest und sah wieder zu Marina. "Und um deine Frage zu beantworten... Ja. Ich werde euch jetzt die anderen Lehrer vorstellen, in Ordnung?"
Und zum zweiten Mal an diesem Tag marschierte jemand, ohne auf Antwort zu warten, davon. Immer noch etwas geschockt versuchten wir, hinterherzukommen.
Er führte uns in ein großes Gebäude, das von oben aus seltsamerweise keinem von uns aufgefallen war. Es war riesig und an einigen Stellen sah es so aus, als seien die Räume in die Felswand gehauen worden. An der Decke liefen die Säulen als Bögen über uns zusammen und das ganze Gebäude war zur Vorderseite so offen, dass in den Zimmern, an denen wir vorbeikamen, mehr Fenster (natürlich ohne Glas) als Wand existierte.
Schließlich kamen wir in einen relativ großen Raum, der wohl das Büro von Gandalf war. Dort warteten auch die anderen Lehrer schon auf uns.
"Sind das nicht ein bisschen viele?", flüsterte Ben. Der Schulleiter hatte ihn offenbar gehört, denn er erklärte: "Wir haben beschlossen, euch möglichst viele Fächer und somit Lehrer anzubieten, damit ihr einen abwechslungsreichen und interessanten Unterricht habt. Somit werdet ihr, außer am Freitag, kein Fach doppelt haben!"
Wir sahen uns an. Hoffentlich bedeutete das nicht, dass wir auf so viele Fächer lernen mussten... Nico stellte genau diese Frage.
"Keine Sorge, ihr werdet an den meisten Fächern so viel Vergnügen haben, dass ihr das Ganze nicht einmal lernen müsst. Hoffentlich. Am Ende des Jahres gibt es in jedem Fach eine kleine Abschlussprüfung. Dafür werden aber während des Jahres keine Tests geschrieben."
Hätte Gandalf eine Brille gehabt, er hätte uns über die Gläser hinweg berechnend angesehen. Da er aber nun mal keine hatte, musste er auf die fabulösen special effects verzichten. "Das heißt aber nicht, dass ihr euch nicht anstrengen müsst. Wenn ihr am Ende des Schuljahres die Noten nicht habt die euch vorrücken lassen, müsst ihr diese Schule verlassen."
Dann trat er beiseite, um uns die Lehrer vorzustellen.
"Wahnsinn! Ist das Kili?", flüsterte meine beste Freundin mir aufgeregt ins Ohr. Irgendwie schien es, als seien alle gutaussehenden -abgesehen von Saruman, Gimli und Gollum- Charaktere aus Mittelerde vertreten. Sogar Seine-Majestät-König-der-Arroganz Thranduil war vertreten. Hätte ich sie alle nicht gekannt, ich hätte dank meines beinahe nicht existierenden Gedächtnisses das ganze Jahr damit verbringen müssen die Namen zu lernen.
Abschließend gab der Zauberer uns noch den Stundenplan:
Montag:
1. Kochen (Sam)
2. Chemie (Saruman)
3. Gymnastik (Tauriel)
4. Schwertkampf (Faramir, Boromir)
5. Saurons Zeitalter (Kili und Fili)
Dienstag:
1. Logik (Bilbo)
2. Kunst (Thorin)
3. Geschichte von Mittelerde (Gandalf)
4. Reiten (Éomer)
5. Sindarin (Legolas)
Mittwoch:
1. Pflanzen (Aragorn)
2. Hobbits (Frodo)
3. Kriegstaktik (Éowyn)
4. Musik (Merry)
5. Erdkunde (Gimli)
Donnerstag:
1. Humor/ Sarkasmus (Pippin)
2. Bogenschießen (Haldir)
3. Geschichte der Elben (Lindir)
4. Umwelt/Kultur (Rosie)
5. Sport (Thranduil)
Freitag:
1. Sport (Thranduil)
2. Saurons Zeitalter (Kili, Fili)
3. Reiten (Éomer)
4. Sindarin (Legolas)
5. Bogenschießen (Haldir)
"Wieso haben wir zweimal Sport, aber nur einmal Musik?", fragte Adelina schmollend.
"Wir haben die Fächer doppelt genommen von denen wir dachten, dass sie euch am besten gefallen", antwortete Gandalf leicht verwirrt.
"Das passt schon so", warf ich grinsend ein. Jennis einziger Kommentar zu dem Ganzen: "Schlagt euch halt!"
Gandalf fügte noch etwas hinzu: "Außerdem muss ich euch darauf hinweisen, dass der Unterricht auf zwei Jahre ausgerichtet ist. Am Ende dieses Schuljahres könnt ihr euch also, wenn dieses Projekt erfolg hat, für ein weiteres Jahr an dieser Schule anmelden. Dann wird es hier auch mehrere Klassen geben. In der ersten Woche haben wir einige Änderungen am Stundenplan vornehmen müssen, da einige der Lehrer noch nicht hier sind."
Bald führte uns Gandalf zu den Schlafräumen, der der Jungs lag etwas weiter den Gang nach hinten. Es war noch nicht besonders spät und wir waren alle zu aufgeregt, um uns auszuruhen. Also redeten wir. Irgendwie schien jeder ein anderes Fach toll zu finden.
"Auf welches Fach freut ihr euch am meisten?", fragte Lea, während wir unsere Koffer auspackten.
"Also, ich finde Geschichte der Elben schon ganz interessant", meinte Ebru. "Obwohl ich nicht verstehe, weshalb das neben Geschichte ein extra Fach ist."
"Du kannst es ja nachlesen", antwortete ich und warf ihr das Silmarillion zu, das ich eben ausgepackt hatte. "Die Elben haben eigentlich den größten Anteil an der Geschichte und da wir nur höchstens zwei Jahre Zeit hier haben, wie Gandalf vorhin gesagt hat, wollten sie es wahrscheinlich etwas aufteilen. Ich kann es ihnen jedenfalls nicht verdenken." Ich begann, die anderen Bücher auf und unter meinem Nachttisch zu verstauen.
"Wie viele Bücher hast du genau dabei?", fragte Laura perplex, als sie mich sah.
"So viele, wie nötig sind!", zitierte ich glücklich.
Johanna begann zu lachen. "Findest du es gut, in Mittelerde Crossover-Zitate zu bringen?"
"Wenn es sonst keiner macht", anwortete ich achselzuckend, nicht minder grinsend.
Nachdem wir die Koffer (fast... ähem...) ausgeräumt hatten, ging es zum Abendessen. Gandalf hatte uns den Weg beschrieben und wir schafften es, uns nur zweimal zu verlaufen. Schließlich landeten wir in einem Raum, der tatsächlich wie eine Mensa aussah. Obwohl sie Platz genug hatte, an die zweihundert Schüler und die Lehrer aufzunehmen, standen nur zwei Tische dort, einer für die Lehrer und an dem anderen saßen bereits unsere Jungs.
"Habt ihr auch endlich hergefunden?", begrüßte uns Philipp. "Wo wart ihr denn?"
"Wir haben uns eben Zeit gelassen!", versuchte es Cara. Die ungläubigen Blicke der Jungs waren Antwort genug.
"Nun seid ihr ja da und wir können anfangen", meinte Aragorn verhalten lächelnd. Wir nahmen unsere Teller und ließen uns von den Hobbits, die hier fürs Kochen zuständig zu sein schienen (was irgendwie logisch war) Pommes und Schnitzel auf den Teller laden.
"Seit wann gibt es in Mittelerde Pommes?", fragte Johanna etwas überrascht. "Seit wir Kontakt mit eurer Welt aufgenommen haben", erwiderte Sam lächelnd. Wir stellten fest, dass es sogar ziemlich gut schmeckte.
Nachdem wir gegessen hatten, stand Gandalf auf. "Nun... da ihr eine lange Reise hattet und euch gewiss ausruhen möchtet, wünsche ich euch eine gute Nacht. Bitte denkt daran, dass ihr morgen früh zum Unterricht müsst. Da ihr im Schulgebäude schlaft, habt ihr auch eine geringere Bandbreite an Ausreden, wenn ich euch daran erinnern darf. Deshalb möchte ich euch bitten, immer pünktlich zu sein.", sagte er mit einem Zwinkern. "Also dann eine gute Nacht!"
Als wir aufstanden, gesellte sich Pippin zu uns. "Damit ihr nicht wieder verlorengeht!", sagte er mit einem Grinsen. Saskia begann zu lächeln, wurde jedoch wieder ernst, als Mira sie ungläubig anstarrte.
"Was denn? Er sieht nett aus!", flüsterte sie.
"Sehr nett", bestätigte Johanna mit einem Grinsen. Saskia verdrehte die Augen.
Ich seufzte. Das konnte ja heiter werden.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top