Kapitel 27

"Ich kapier's nicht!", verkündete Mira. Loki grinste belustigt, hielt sich aber zurück. 
"Was denn?", fragte Faramir neben ihr.
"Ich dachte eure Valar hätten dafür gesorgt, dass er nicht wiederkommen kann? Wenn sie so mächtig sind, wieso haben sie damals nicht gewusst, dass es noch andere Welten gibt? Und wieso wissen sie es dann jetzt?"
"Der Sieg über Sauron hat einiges ans Licht kommen lassen, das vorher verborgen war", warf Boromir ein. "Von euch wussten wir vorher ja auch nichts!"
"Du meinst, von ihrer Welt", fügte Gandalf schnell mit einem scharfen Blick in Richtung des Gondorrhim hinzu.
Aber Morgoth schien seinen Fehler (was auch immer es war) bemerkt zu haben. Sein Blick schweifte über unsere Klasse und in seinen silbernen Augen blitzte eine Art Schadenfreude auf.

"Ach, Olórin", seufzte er gespielt enttäuscht. "Bitte sag mir nicht, du hast sie ein Jahr lang unterrichtet ohne ihnen zu sagen, weshalb sie hier sind."
"Aber das wissen wir doch schon!", warf Lea ein. "Sie brauchten jemanden, der ebenfalls aus einer anderen Welt war, so wie Loki ja auch."
"Und uns haben sie genommen, weil wir toll sind", ergänzte Jenni und einige kicherten. Kurz zeigte Morgoth sich irritiert, dann war das Lächeln jedoch wieder da und er wandte sich erneut an Gandalf. Hey, er schien uns überhaupt nicht ernst zu nehmen...
"Dieses Jahr muss eine wahre Folter gewesen sein. Direkt vor deinen Augen, und du kannst nichts tun, um Rache zu üben..."

"-Ich bin nicht wie du", unterbrach ihn der Angesprochene. "Ich lasse die Unschuldigen aus dem Spiel." Angesichts Melkors höhnischen Grinsens hatte er das Falsche gesagt.
"Aus dem Spiel? Du lockst sie unter falschem Vorwand hierher, erzählst ihnen Lügen, und selbst als Loki dich gezwungen hat ihnen die Wahrheit zu sagen hast du dich nur für deren Hälfte entschieden. Nun frage ich mich natürlich, ob du das nur aus Mitgefühl getan hast", seine Stimme triefte vor Hohn, "oder ob es einfach die bequemere Lösung war."

Gandalf hob zu einer Erwiderung an, aber die beiden wurden von Adelina unterbrochen. "Halt, stopp!", sagte sie mit erhobenen Händen. Die -etwas irritierten- Blicke Gandalfs und Morgoths wanderten zu ihr. "Bevor ihr euch die Köpfe einschlagt, wüssten wir wenigstens gerne, worüber ihr redet."
"An was sollen wir denn schuld sein?", wollte jetzt auch ich wissen. Der ungläubige Blick Morgoths wanderte zu mir. Verunsichert verschränkte ich die Arme.
"Können wir den Kaffeeklatsch nicht beenden?", fragte Kilian genervt. "Gandalf, lass uns jetzt kämpfen und wir reden danach."
"Man merkt, dass ihr verwandt seid", murmelte Johanna mir zu. Ich wollte gerade etwas erwidern, als Morgoth sich wieder meldete, der sie anscheinend verstanden hatte.
"Ihr zwei seid Geschwister", sagte er und deutete von mir zu meinem Bruder. Ich verdrehte die Augen. "Nein, er ist mein Vater."
"Nun, das ganz bestimmt nicht." Sarkasmus war echt nicht seine Stärke. "Gegen den müsst ihr ja kämpfen."
"Jedes Mal vor der Chemieschulaufgabe", bestätigte ich. "Aber es ist hoffnungslos. Inzwischen hat er es verstanden."

Gandalf seufzte resigniert. "Er meint, ihr müsst hier gegen ihn kämpfen."
Ich wusste immer noch nicht, worauf sie hinauswollten. Kilian ebenfalls nicht, schien es. "Ich sehe ihn aber nicht", stellte er ratlos fest.
Wüsste er was das ist, hätte Morgoth sich jetzt einen Facepalm verpasst. Inzwischen schien es ihm keinen Spaß mehr zu machen. "Er steht vor euch."
"Du bist zu alt.", klärte ich ihn auf. "Und... na ja... du. Und falls du Lindir meinst, der ist aus Mittelerde, ebenso wie du. Ich habe bereits einen Vater, vielen Dank." Kilian nickte bestätigend, in der Hoffnung, diesen beängstigenden Adoptionsversuch abgeschmettert zu haben. Ein Blick neben Morgoth zeigte mir, dass diese Sache mit Loki nicht abgesprochen gewesen war. Er guckte ein bisschen ratlos aus der Wäsche und hätte mir schon beinahe leidgetan, wäre es mir nicht genauso gegangen.
"Worüber-" Morgoth hob die Hand und Loki war still. Ich fragte mich kurz, ob das bei Geschwistern auch funktionierte, musste dann aber leider erkennen, dass ich wieder dabei war abzuschweifen.

"Über dich, mein Freund", erklärte Morgoth an den Schwarzhaarigen gewandt. Dessen Gesicht war ein einziges Fragezeichen.
"Ich habe mit den beiden nichts zu tun", stellte er klar.
"Bestätigt", kam es von Kilian. "Wir sind unschuldig. Lasst uns aus dem Spiel. Hör mal Morgoth, diese Verwirrungstaktik funktioniert zwar, ich glaube aber nicht, dass du damit irgendwas erreichst."

Das war der Moment in dem Gandalf beschloss, kurzen Prozess zu machen. "Nina, Kilian, Loki ist euer Vater."
Sofort trafen ihn die ungläubigen Blicke nicht nur von uns dreien, sondern auch von allen anderen in meiner Klasse.
"Ich sagte doch bereits, dass wir keinen mehr brauchen." Aber der ernste Ausdruck im Gesicht des Istar machte mir klar, dass er das vollkommen ernst gemeint hatte.
"Das wüsste ich", sagte ein jedoch sehr unsicherer Loki.
"Das geht doch gar nicht", meinte jetzt auch Johanna. "Ich kenne ihren Vater. Und sie sehen auch überhaupt nicht aus wie Loki."

Dieser sah inzwischen jedoch gar nicht mehr so sicher aus. "Wie alt seid ihr?", fragte er tonlos.
Na toll, jetzt nahm der das auch noch ernst. "Ich vierzehn, sie sechzehn", antwortete Kilian. "Aber es kann trotzdem nicht sein, weil nämlich unser Vater-" er verstummte, als Loki sich Morgoth zuwandte.
"Aber dann-", er stockte und ließ den Blick über uns alle wandern, immer betroffener guckend. "Heißt das dann, dass die anderen..." Erfreut über den Schock, den er uns allen verschafft hatte, nickte Morgoth. Er wandte sich uns zu.
"Als für unseren lieben Loki die Welt noch in Ordnung und die Asen noch seine Familie waren, leitete er vor einiger Zeit eine Art Expedition nach Midgard, eurer Welt. Sie waren neugierig auf die Menschen und wollten sie kennenlernen-" auf einen Blick von Loki stoppte er belustigt. "Jedenfalls müsst ihr euch keine Sorgen machen, eure Mütter waren dank Lokis Trugbildern ahnungslos. Sie alle hatten keine Ahnung, was sie anrichten würden."
"Wer?", fragte Loki tonlos. Er war der Einzige, der überhaupt noch in der Lage schien, irgendetwas zu sagen, alle anderen waren wie festgefroren. Ich konnte mir nicht vorstellen, aus welchem Grund Morgoth uns das erzählen sollte, selbst wenn es wahr wäre, also hörte ich einfach zu.

Unser Feind wiederum sah aus, als hätte er auf diese Frage schon die ganze Zeit gewartet. "Was für ein Glück für euch, dass ich in diesen ganzen unseligen Jahren nicht gänzlich außer Gefecht war", bemerkte er höhnisch. Dann zeigte er auf meine beste Freundin, die kurz zusammenzuckte. "Fandral." Dann wanderte er weiter zu Tonja. "Thor." Carina und Cara. "Tyr und Frey." Und schließlich Jenni und Saskia. "Sif und Balder."
"Wie soll das mit Sif denn gelaufen sein?", fragte ich, weil ich über alles andere gerade nicht nachdenken wollte. Morgoth zuckte uninterressiert die Schultern. "Magie."
"Das bedeutet, Sif ist ihre Mutter und ihr Vater... na ja, ihr Vater.", schlussfolgerte Kilian. "Wow, jetzt habe ich Kopfschmerzen. Wieso sollten wir euch das glauben?"

"Wäre es nicht die Wahrheit, wärt ihr nicht hier", schaltete sich Gandalf jetzt wieder ein, mit einem Gesicht, das schuldbewusster nicht hätte sein können. "Es ging nicht nur darum, dass wir Mitstreiter aus einer anderen Welt brauchten, sondern auch darum... Galadriel meinte, dass Loki nur sein eigen Blut Einhalt gebieten kann."
"Dann schneidet ihn mit einem Messer und werft es nach ihm!", schlug Cara vor. Legolas lächelte betreten. "Sein eigen Blut bedeutet in diesem Fall Verwandtschaft, melethril."

Ich bekam einige sehr irritierte Blicke zu spüren, als ich hysterisch kichernd zusammenbrach. Eine Zeit lang sagte niemand etwas, bis ich mich wieder aufrichtete und mir mit dem Ärmel übers Gesicht fuhr.
"Alles in Ordnung?", fragte Johanna, ebenfalls immer noch geschockt über das, was sie erfahren hatte.
"Alles gut", versicherte ich. "Apropos Verwandschaft: mir ist gerade aufgefallen, dass wir mit Hel verwandt sind. Sowie den beiden anderen, die Ragnarök einleiten sollen." Kilians Blick war unbeschreiblich.
"Außerdem habe ich noch eine Frage", fügte ich hinzu und blickte Morgoth in die Augen. "Bist du sicher, dass Loki unser Vater ist?" Ratlos sah er mich an, bis ich fortfuhr. "Da war doch diese Geschichte mit Loki, als er einen Hengst ablenken sollte und sich in eine Stute verwandelt hat und dann später Sleipnir bekom-" nach einem Blick in das Gesicht meines 'Vaters' verstummte ich, musste aber immer noch grinsen. Auch die anderen wussten inzwischen, wovon ich redete. Wir hatten ja die Geschichte Lokis eingehend studiert.

Einige Minuten lang herrschte Stille. Dann sprach Morgoth erneut. "Und? Wie entscheidet ihr euch?"
"Was?", fragte Saskia ratlos. Unser Gegenüber kräuselte den Mund.
"Eure sogenannten Freunde haben euch bereits zweimal die Wahrheit verschwiegen. Ich dagegen habe euch die Wahrheit gesagt. Kämpft ihr gegen mich, werdet ihr sterben, Kinder. ich mache euch das Angebot, verschont zu werden." Niemand wusste etwas zu sagen. Morgoth sprach weiter: "Ihr müsst nicht einmal gegen eure sogenannten 'Freunde' kämpfen, wenn ihr das nicht wollt. Haltet euch einfach aus diesem Kampf heraus. Dann kann ich euch später alles erzählen, was ihr wissen wollt."
"Was willst du uns denn dazu noch erzählen?", meldete sich Kilian zu Wort.
"Zum Beispiel, weshalb du der Einzige in deinem Alter hier bist, Kleiner", antwortete Morgoth siegessicher. "Weshalb Loki zwei Kinder hat im Gegensatz zu den anderen."
"Ihm hat's halt auf der Erde gut gefallen", gab ich bissig zurück. "Was weiß ich."
Loki warf mir einen ausdruckslosen Blick zu, den ich ebenso regungslos erwiderte. Er hatte die ganze Zeit über nicht viel gesagt, aber ich wusste, dass es auch ihn geschockt hatte. Er konnte mir nicht weismachen, von der ganzen Sache komplett unberührt zu sein. Aber auch seine Augen gaben nicht die kleinste Gefühlsregung preis.

"Wieso sagt ihr denn gar nichts?", fragte Carina ratlos und unentschlossen in Richtung der Lehrer. "Das kann euch doch nicht egal sein!"
"Natürlich nicht", erwiderte Frodo mit einem traurigen Lächeln. "Aber das hier ist eure Entscheidung. Es stimmt, wir haben euch nicht die Wahrheit gesagt. Ihr habt jedes Recht, wütend zu sein. Was ihr von jetzt an tut, liegt an euch selbst. Aber..."
"Was?", fragte Carina mit einem Hoffnungsschimmer in den Augen, als der Hobbit stockte. "Aber was?"
"Geh nicht", flüsterte der Hobbit kraftlos. "Ich liebe dich."

Einen kurzen Moment lang zeigte sie keine Regung, und jeder sah den armen Frodo innerlich zerbrechen. Dann jedoch drehte sie sich zu ihm- und küsste ihn. Frodo riss zuerst überrascht die Augen auf, dann lächelte er aber überglücklich und zog sie näher an sich, so weit das auf zwei Pferden eben ging. Der Kuss wurde begleitet vom kollektiven 'Awwwwwww' der Hälfte der Klasse und Morgoths verächlichem Schnauben.

"Ich frage mich, wie ihr gegen mich hättet gewinnen wollen, wo ihr doch so unglaublich schwach seid!", verkündete er höhnisch in Richtung Frodos und Carinas, die sich inzwischen zwar wieder voneinander gelöst, ihn aber nicht wahrgenommen hatten.

"Was sagt ihr?", fragte Morgoth erneut, diesmal mit deutlicher Missbilligung von Aragorn.
"Du musst dir ein Patent auf diese Frage anmelden, dann darfst du so gucken", neckte Tonja ihn. Der Waldläufer verdrehte die Augen und nahm ihre Hand, während unser Gegenüber aussah, als würde er gleich einen Schreikrampf bekommen. Armer Lindir. Auch wenn er uns verraten hatte, es war grausam, einen Elben solche Grimassen ziehen zu sehen.

Weil es so schön war, ihn zappeln zu lassen, stellte ich meine Frage gleich. "Hey, wenn wir sozusagen Götter als Eltern haben, heißt das dann, wir haben auch einige ihrer Fähigkeiten?"
"Oh, wie in Percy Jackson?", fragte Marina neugierig. Alle Blicke lagen auf Gandalf und Morgoth.
"Ich halte es für möglich, aber nicht wahrscheinlich", knurrte Morgoth schulterzuckend. Dann herrschte Stille, während sich jeder der Betroffenen, inklusive mir, Gedanken über diese Möglichkeit machte.

Morgoth schien inzwischen die Lust vergangen zu sein, zum dritten Mal nach unserer Antwort zu fragen, also hielt er die Klappe und starrte uns herausfordernd an.
"Achso, ja", fiel es auch Tonja wieder ein. Sie drehte sich so, dass sie uns alle sehen konnte. "Wollen wir trotzdem mit unseren Freunden Mittelerde gegen diese Idioten verteidigen-" sie zeigte auf einen sehr empörten Morgoth und einen immer noch regungslosen Loki- "und Arda retten? Andererseits können wir natürlich auch weglaufen und darauf warten, dass er uns trotzdem umbringt."

Es blieb einen Moment lang still, während wir uns untereinander ansahen. Egal, was passierte, wir hatten versprochen, den Mittelerdlern zu helfen. Wir konnten ihnen jetzt nicht einfach den Rücken kehren, wir wollten es gar nicht.
"Nope", verkündete Kilian kurz und bündig. "Ich bleibe."
"What a drag", seufzte meine beste Freundin. "Ich bin zu faul, jetzt wieder zu gehen. Folgt dem Weg des Shikamaru!"
"Gibt's den?", fragte ich belustigt.
"Hab ihn gerade erfunden, hast du doch gehört", gab Johanna grinsend zurück und legte den Kopf in den Nacken. "Oh, guckt mal, eine Wolke!"
Die Naruto-Insider (sprich: Adelina und ich) kicherten, während die anderen sich zum wiederholten Mal um unseren Verstand sorgten.

Während es auf unserer Seite einige erleichterte Blicke gab, war Morgoth eher... not amused. "Ihr seid Dummköpfe!", knurrte er. "Ihr gebt freiwillig euer Leben, obwohl ihr das überhaupt nicht müsst!" Ich winkte ab.
"Das hat was mit Gefühlen zu tun, das verstehst du nicht!"

Dieser Kommentar hatte vermutlich das Fass zum Überlaufen gebracht. Eigentlich eher untypisch für ihn, zog Morgoth in Sekundenschnelle ein schmales Messer, ohne mit seinem Blick von mir abzuweichen.
"Hey, wieso ich?", fragte ich entsetzt. "Das ist nur die Wahrheit! Wenn-" und zu mehr kam ich nicht, denn er hatte das Messer bereits geworfen. Vermutlich konnte ich nicht darauf pokern dass er in all den Jahren eingerostet war. Mit wachsender Panik sah ich das Messer auf mich zukommen, wie in Zeitlupe. Um mich zu bewegen war es zu spät, deshalb kniff ich in Erwartung des Schmerzes die Augen fest zusammen.

Als ich nach ein paar Sekunden immer noch nicht tot war, öffnete ich verwundert die Augen. Und mir stockte der Atem, als ich sah, was geschehen war. Zwischen einem, falls möglich, noch überraschteren Morgoth und mir stand Loki. Die Hand erhoben und die Klinge zwischen Mittel- und Zeigefinger. Dabei stand er nicht Morgoth zugewandt, sondern uns und seine eisblauen Augen brannten sich direkt in meine. Dann jedoch drehte er sich leicht in Morgoths Richtung.
In diesem Moment wurde mir klar, dass nicht nur wir heute eine folgenschwere Entscheidung treffen mussten. Mein Vater hatte es ebenfalls getan.

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