Kapitel 14

"Ihr habt in der letzten Stunde gelernt, wie ihr schießen müsst. Wie ihr das übt und wie oft ihr trefft, ist für mich heute eher unwichtig- ich will nur, dass ihr euch an euren Bogen gewöhnt, dass ihr lernt, richtig zu zielen und vor allem, Geduld zu haben!" Haldir ließ seinen Blick während dieser Ansprache über uns alle wandern. "Bitte schnallt euch die Köcher um, damit ihr nicht immer einen einzelnen Pfeil holen müsst, und bitte" diesmal sah er ausdrücklich zu den Jungs, "wartet, bis ich euch das Zeichen gebe, dass ihr sie holen könnt. Sonst wird noch jemand getroffen."

Wie zu erwarten gewesen war, brachte auch diese Stunde keine überragenden Ergebnisse. Abgesehen von einigen Glückstreffern in den Oberkörper oder in den Kopf, trafen die meisten Pfeile eher Arme und Beine (wenn überhaupt) der Orks. Haldir jedoch war mehr als zufrieden mit uns.

"Ich hätte nicht gedacht, dass ihr euch so schnell verbessern könnt!", verkündete er mehrere Male stolz. "Ich bin der geborene Lehrer!"

"So bescheiden wie Skulduggery Pleasant!", flüsterte ich Johanna grinsend zu.

"Das hat er garantiert von Elrond!", witzelte sie zurück. Bevor wir uns allerdings weiter über sein Selbstvertrauen lustig machen konnten, klingelte es auch schon. Einige von uns waren erleichtert, andere etwas enttäuscht, als sie ihren Bogen zurücklegten. 

"Was machen wir denn jetzt?", wollte Lea etwas ratlos wissen. "Wir haben noch ewig Zeit bis zum Abendessen und wie es aussieht, können wir die Pferde eher nicht besuchen", fügte sie mit einem Blick auf die Regenwolken hinzu.

"Mir fällt da gerade etwas ein!", bemerkte Johanna und drehte sich zu mir um. "Bitte sag, du hast deinen Teil mitgenommen!"

Ich brauchte kurz um zu verstehen was sie meinte, nickte dann aber. "Jep. Und wir haben diesmal für alle sechs Zeit..."

"Würdet ihr uns bitte einweihen?", drängelte Laura. Wir erklärten es den anderen.

"Wir wussten nicht, auf welchem Stand der Technik die hier schon sind, aber wir haben beim Packen ausgemacht, mal die wichtigsten Filme mitzunehmen, sprich Marvel, Herr der Ringe, Sherlock und so weiter."

"Und da das Wetter uns heute sowieso nicht mag", fügte ich hinzu, als es anfing zu tröpfeln, "können wir auch gleich mit dem Hobbit anfangen."

Nach einem Sprint zurück ins Schulhaus, bei dem wir aber trotzdem bis auf die Haut durchnässt worden waren, suchten wir erst einmal nach Gandalf. Schließlich fanden wir ihn in seinem Büro, wo er ausgesprochen nachdenklich über einer großen Karte gebrütet hatte, auf der lauter Zeichen abgebildet waren. Als er uns jedoch sah, ließ er sie schnell verschwinden.

"Kinder!", meinte er entsetzt, als er uns so sah, "Ihr wart doch nicht etwa bei dem Wetter draußen?"

"Wir hatten Bogenschießen", erinnerte ihn Laura. "Wir waren nur nicht schnell genug."

"Wir wollten fragen, ob wir uns irgendein Klassenzimmer mit Smartboard für einen Filmmarathon ausleihen können", begann Kilian.

"So?", fragte der Schulleiter eher weniger begeistert. "Und für welchen Film, wenn ich fragen darf?"

"Für den Hobbit", erklärte ich.

"Oh." Die Falten auf seiner Stirn glätteten sich. "Das ist natürlich in Ordnung. Ich bitte Merry, euch den Musiksaal aufzusperren, da ist es am gemütlichsten."

Verwirrt über seinen Stimmungsumschwung, tauschten wir ein paar Blicke. Aber wahrscheinlich freute er sich, weil so alle etwas über die Geschichte Mittelerdes erfahren würden.

"Aber jetzt verschwindet und zieht euch erst einmal um, ihr habt besseres zu tun, als das Zimmer eines alten Mannes zu überschwemmen!" Mit diesen Worten scheuchte er uns lachend hinaus.

"Wir treffen uns im Musiksaal, ja?" Mit diesen Worten trennten wir uns, die Jungs und wir verschwanden in unseren Zimmern, um uns umzuziehen. Als wir fertig waren, kramte ich aus einer Tasche die Filme hervor, die ich mitgebracht hatte. Der Hobbit lag natürlich ganz unten.

"Du hast die extended edition mitgenommen?!" Johanna fielen fast die Augen aus dem Kopf.

"Hey, so viel mehr Platz braucht die jetzt auch nicht!", rechtfertigte ich mich. "Außerdem war die Szene mit dem Streitwagen am Ende das wert!" Meine beste Freundin schien kurz davor, mich in einer Umarmung zu zerqetschen, als ich von Ben gerettet wurde.

"Seid ihr so weit? Merry hat uns den Schlüssel gegeben. Er und Pippin schauen später vielleicht auch mal vorbei!", hörten wir durch die Tür. Saskia riss die Tür auf. 

"Echt? Die müssen den doch schon hundert mal gesehen haben!", wollte sie aufgeregt wissen. Ben jedoch zuckte nur die Schultern. "Er hat übrigens auch gesagt, dass sie Sam alle Knabbersachen geklaut haben, den sie finden konnten."

Das gab den Ausschlag und begeistert machten wir uns auf den Weg nach unten. Da die Schlafzimmer höher lagen als die Klassenzimmer, mussten wir über die Treppen ein Stockwerk tiefer gehen. Die Küche und der Speisesaal lagen noch einen Stock weiter unten.

Die im hinteren Teil des Musiksaals stehenden Sofas hatten wir in der letzten Stunde gar nicht bemerkt.

"Stehen die da schon immer?", wollte Marina verdutzt wissen.

Sofort wurde sie von einer neuen Stimme aufgezogen, die von der Tür kam. "Was können wir dafür, dass ihr so unglaublich unaufmerksam seid?"

Die vier Hobbits hatten sich zu uns gesellt. Als Sam die zahlreichen Schüsseln entdeckte, die vor den Sofas standen, erwarteten wir alle ein Donnerwetter. Der Hobbit aber seufzte nur und drehte sich zu Merry um.

"Ich wäre ja schon zufrieden gewesen, wenn du mich nur gefragt hättest..."

"Deine Enttäuschung ist so unglaublich schmerzhaft für mich, hätte ich gewusst, dass es dir so viel bedeutet, ich hätte dich gefragt...", meinte Merry mit leidendem Gesichtsausdruck und griff an sein Herz, "Sag mir, was ich tun kann, um meine Schuld abzutragen!"

"Du kannst später wieder aufräumen", kam Sams trockene Antwort. Der melodramatische Ausdruck verschwand aus Merrys Gesicht und wich purem Entsetzen. "Ich allein?"

"Wir helfen dann schon mit", beeilte sich Adelina und drehte sich hilfesuchend zu uns. "Oder?"

Als wir das bestätigten, schien dem Hobbit ein Stein vom Herzen zu fallen. "So, jetzt fangen wir aber an, sonst sitzen wir bis Mitternacht da!", wurden wir von einem lachenden Frodo unterbrochen. Da ihm alle nur zustimmen konnten, wurde schnell der Computer angeworfen und der Film eingelegt.

Während des ersten Teils bekamen wir immer mehr Besucher. Legolas und Aragorn gesellten sich zu uns, ebenso Kili, Fili, ihr Onkel Thorin und Bilbo.

"Mist, das wird peinlich!", stellte Johanna neben mir leise fest, als sie die beiden sah. "Ich muss doch am Ende immer heulen!"

"Da bist du sicher nicht die Einzige", beruhigte ich sie. Wir wandten uns wieder dem Film zu.

In der Zeit bis zum Abendessen schafften wir relativ viel. An der Stelle, in der Gandalf Beorn die Zwerge vorstellt, wurden einige Mutmaßungen angestellt.

"Läuft da eigentlich was?", wollte ich sofort von Fili wissen, der neben mir saß. Die anderen bekamen natürlich jedes Wort mit. Der Zwerg schmunzelte. "Offiziell nicht, Gandalf geht ihn hin und wieder besuchen, aber vermutlich sind sie einfach nur gute Freunde."

"Gut, ich hab ja nichts gegen Gandalf, oder Homosexuelle allgemein, aber das wäre einfach zu schräg!", warf Mira ein.

Sie erntete von allen Seiten Zustimmung, nur in der Ecke um Bilbo und Thorin blieb es still. Die sahen sich kurz an, wurden beide knallrot, und begannen jeweils ein Blickduell mit dem Boden.

Der Düsterwald schaffte es schließlich wieder, dass sich alle beruhigten. "Sieht es da immer noch so furchtbar aus?", wollte Cara entsetzt von Legolas wissen. Der war sehr erleichtert, diese Frage verneinen zu können.

"Nach Saurons Fall hat der Wald begonnen, sich wieder zu erholen. Er ist immer noch nicht der Grünwald von damals, wir sind uns auch nicht sicher, ob er es je wieder werden wird. Aber er ist wieder auf dem Weg der Besserung", berichtete der Elb. Beruhigt wandten wir uns wieder dem Bildschirm zu.


Als Gandalf schließlich die Tür öffnete und hereinsah, sah er kurz ziemlich überrascht aus.

"Da seid ihr alle! Und ich habe mich schon gewundert, wohin die ganzen Lehrer verschwunden sind!", rief er. Lachend erzählten wir ihm dann, dass sie sich einer nach dem anderen zu uns gesetzt hatten. Die Gesichter von ihm und Beorn immer noch vor Augen mussten wir uns bemühen, ernst zu bleiben.

"Wie auch immer", meinte der nun etwas verwirrte Schulleiter, als sowohl wir als auch die Lehrer immer einen kleinen Lachflash bekamen sobald sie ihn ansahen, "Das Abendessen ist fertig."

"Wer hat sich denn darum gekümmert?", wunderte sich Sam, als wir alle an dem Zauberer vorbei in den Flur gingen und dabei versuchten, Blickkontakt zu vermeiden.

"Ich, Herr Gamdschie", verkündete Gandalf wie selbstverständlich. Daraufhin folgte ein betretenes Schweigen.

"Irgendwie... hab ich keinen Hunger", meinte nun Aragorn.

"Mir ist von Sams Knabberzeug übel geworden", erklärte Kili schnell. Unter Gandalfs immer finsterer werdenden Gewittermiene versuchte nun auch Thorin, sich herauszureden.

"Mir geht es schon den ganzen Tag lang nicht gut, ich kann jetzt wirklich nichts essen", meinte er schnell.

"Das ist schade", erwiderte der Schulleiter. "Ich habe nämlich schon einmal Sams Eintopf aufgewärmt und ein paar Pizzen in den Ofen gestellt."

Kurz herrschte ein betretenes Schweigen. Dann meinte Aragorn:

"Ein bisschen könnte ich schon noch vertragen", und huschte möglichst schnell davon und Kili gab kläglich zu, dass es ihm schon viel besser ginge.

"Ich kann es ja zumindest versuchen", stellte Thorin vorsichtig fest. Nachdem alle drei verschwunden waren, verdrehte Gandalf die Augen. "Ich hätte tatsächlich etwas kochen und stattdessen sagen sollen, es sei von Sam...."

Wenigstens nahm er es mit Humor. Unser Koch dagegen fand das nicht so lustig. "Das lässt du schön bleiben, was sollen die denn von mir denken!", protestierte er. Die beiden diskutierten den ganzen Weg bis zur Mensa, wo sich die Lehrer wieder an ihren eigenen Tisch setzten. Pizza schmeckte mit Eintopf zusammen etwas seltsam, aber wir wollten das Risiko nicht eingehen, etwas zu sagen.

Nach dem Essen trafen wir uns alle wieder im Musiksaal. "Das war... seltsam!", bemerkte Kili.

"Sei still, er kommt!", zischte ihm sein Bruder zu. Anscheinend hatten sie es geschafft, die anderen Lehrer auch zu überreden. Gandalf, Thranduil, Éomer und Haldir quetschten sich noch zwischen uns, dann konnte es weitergehen.

Als Kilian bei Dol Guldur den Hexenkönig anfeuerte, wurde er von Gandalf verständnislos angestarrt. "Du... magst den Hexenkönig, ja?", fragte er meinen Bruder.

"Ja!", antwortete dieser wie selbstverständlich. Johanna schüttelte den Kopf. "Am besten du fragtst gar nicht, Gandalf. Das geht jetzt seit drei Jahren so und wir können es immer noch nicht verstehen."

"Aber ihr zwei! Ihr seid doch beide in Legolas verknallt!", gab er zurück.

"Das glaubst du doch selbst nicht! Guck lieber mal nach vorne, dein Schatzi wird gerade von Elrond plattgemacht!", wies Johanna ihn an.

Weiterhin verlief der Abend allerdings recht ruhig. Bis auf Thranduil (natürlich) konnten sich alle Elben Seitenhiebe auf die Zwerge verkneifen, andersherum ebenso. Da die Filme aber sehr viel realer erschienen, jetzt da wir wussten, dass das alles tatsächlich passiert war, fielen die Reaktionen auf das Ende des Films heftiger aus als erwartet.

Johanna neben mir schniefte schon eine ganze Weile, Lena, Ebru und Marina verbrauchten ein Taschentuch nach dem anderen und auch ich merkte, wie mir zum ersten Mal beim Hobbit die Tränen kamen. Gleichzeitig musste ich lachen, weil mir das alles so lächerlich vorkam. Da waren wir in Mittelerde, erfuhren dass alle, die damals gestorben waren, noch lebten und waren trotzdem umso geschockter, sie im Film sterben zu sehen.

Fili, Kili und Thorin selber steckten ihren Tod offensichtlich relativ gefasst weg, Bilbo allerdings reagierte genauso wie im Film und ich nahm mir vor, ihn später einmal ganz fest zu knuddeln. Hey, er war ein Hobbit, die eignen sich perfekt dafür!

Nach dem Ende des Films, auf dem zu allem Überfluss noch die Beerdigung der drei zu sehen war, brauchte Gandalf erst einmal eine Weile, um sich Gehör zu verschaffen.

"Ich weiß, es ist furchtbar traurig und so weiter", begann er, wobei er von Lena, Johanna und Bilbo bitterböse angestarrt wurde, "Vielleicht sollten wir die Tatsache, dass alle noch wohlauf sind, drüben im Tal feiern, was haltet ihr davon?"

"Im Tal?", hakte Saskia nach. "Wir sind doch schon in Bruchtal!"

"Der Einfachheit halber haben wir das Tal neben Bruchtal so genannt", erklärte Legolas.

"Na, wenigstens mangelt es euch nicht an Kreativität", gab Saskia grinsend zurück.




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