Kapitel 1
"...dann gebt ihr für die Aufgaben a bis f jeweils den Streckungsfaktor an, mit dem man den Bildpunkt durch zentrische Streckung wieder auf den Urpunkt abbilden kann..."
Müde. Ich fühlte mich unendlich müde und es kam mir vor, als würde die Stimme meiner Mathelehrerin an mir vorbeirauschen. Dabei hatte ich gestern abend nicht mehr viel gemacht, nur noch einige neue Updates meiner Lieblingsfanfictions gelesen und ein bisschen mit meinen Freunden geschrieben. Ich sah zu Johanna hinüber.
Meine beste Freundin saß aufrecht auf ihrem Platz, die glasigen Augen jedoch auf den Tisch gerichtet. Entweder sie war wie ich kurz davor einzuschlafen, oder sie las gerade eines ihrer neuen Kapitel noch einmal durch.
Kurz vor dem Ende der Stunde klopfte es an der Tür und der Konrektor unserer Schule kam herein. "Entschuldigt die Störung, aber ich habe eine Neuigkeit für euch.", verkündete er.
"Das Schuljahr hat ja erst angefangen und ich habe hier eine etwas... seltsame Anfrage von einer anderen Schule." Nun hing jeder Blick gespannt an seinen Lippen. "Der Schulleiter macht euch den Vorschlag, ein Jahr an seiner Schule zu verbringen. Keine Sorge, wir haben alles sorgfältig nachgeprüft. Sie wurde offenbar neu gegründet und sie wollen eine Klasse ein Jahr lang zur Probe unterrichten.", stellte er fest.
"Müssen wir da alle hin?", fragte jemand entsetzt.
"Nein, er sagt, solange mehr als zehn Personen teilnehmen, kann das Projekt stattfinden. Ihr werdet, da die Schule offenbar sehr weit entfernt ist, mit dem Flugzeug fliegen. Der Ort an dem die Schule liegt, ist mir allerdings nicht bekannt."
"Wie heißt er denn?", fragte ich neugierig.
"Und wie heißt der Schulleiter?", schloss sich Mira an.
"Der Ort heißt 'Bruchtal' und der Schulleiter hat sich in dem Brief mit dem Namen Olórin vorgestellt."
"Was ist denn das für ein Name?", lachte einer der Jungs.
Die anderen begannen ebenfalls zu reden, ich jedoch war eher nachdenklich geworden. Natürlich kannte ich den Namen Bruchtal aus meinem Lieblingsbuch, dem Herrn der Ringe. Da war wohl jemand ebenfalls Tolkiens Büchern verfallen. Der Name Olórin jedoch ließ mich stutzig werden. Wenn sich schon jemand nach Gandalf benennen wollte, hätte er lieber Mithrandir nehmen sollen. Den kannten immerhin mehr Leute.
Johanna hatte offenbar beim Namen Bruchtal ebenso aufgemerkt (Sie hatte das Silmarillion nicht gelesen) und sah nun fragend zu mir.
"Ich weiß, dass ein Jahr eine lange Zeit sein kann, also lasst euch das Ganze gut durch den Kopf gehen. Ich hänge die Liste bis Freitag vor dem Lehrerzimmer aus, bis dahin solltet ihr euch eingetragen haben. Nächsten Montag geht es dann für die von euch los, die mitwollen."
"Und die, die nicht mitkommen?", fragte Carina.
"Die werden natürlich weiter hier unterrichtet!" Die Klasse stöhnte. "Wie gesagt, ihr habt die Wahl. Wenn sich aber jemand nach Freitag umentscheidet, kann ich nichts mehr tun."
Mit diesen Worten entließ er uns in die Pause.
"Gehst du mit?", fragte ich Johanna neugierig. Wir standen in der Pausenhalle, um uns herum hunderte schnatternde Schüler. Wieso, bei den Valar, hatten gerade wir dieses Angebot bekommen? Ein Jahr lang in einer anderen Schule unterrichtet zu werden, weg von der Familie und von den Freunden, die nicht mitwollten. Andererseits musste ich, als bekennendes Fangirl, zugeben dass ich schon sehr neugierig war.
"Ich weiß noch nicht", erwiderte sie nachdenklich. "Ich will mir ja keine Hoffnungen machen, aber glaubst du, dass die das wirkliche Bruchtal meinen?"
"Das wär aber zu schön, um wahr zu sein. Außerdem kennen doch die anderen Mittelerde gar nicht"
"Genau das würde sich dann ja ändern!", gab Johanna verschmitzt zurück. Ich erzählte ihr meine Gedanken über den Schulleiter.
"Aber das passt ja!", freute sie sich. "Ich geh definitiv mit, und wenn das am Ende nur irgendwelche Fans sind, die eine Schule im Mittelerdestil aufmachen wollen!"
"Dann hat sich das Ganze auch gelohnt", lachte ich.
Nach dem Unterricht gingen wir also zum Lehrerzimmer und guckten, wer sich schon alles eingetragen hatte.
"Hey, das ist fast die Hälfte der Klasse!" Damit hatten wir nicht gerechnet. "Pass auf, wir überreden heute unsere Eltern uns mitzulassen!"
Sie fand die Idee gut und wir verließen die Schule.
Am nächsten Morgen war ich unglaublich hibbelig. Ich rannte wie ein Wirbelwind durch das Haus und sammelte meine Schulsachen zusammen, obwohl ich noch zehn Minuten Zeit hatte.
"Was ist denn mit dir los?", fragte meine Mutter lachend. Sie hatte gestern -den Valar sei ewig Dank- trotz einiger Bedenken meiner Bitte zugestimmt.
"Und was ist, wenn Johanna nicht mitdarf? Oder wenn nicht genug Schüler mitfahren wollen?", gab ich meine Bedenken zum Besten.
"Ich kenne Johannas Mutter doch, es wird ihr auch nicht leichtgefallen sein, aber sie wird schon zugestimmt haben.", erwiderte sie. "Meinst du nicht, du solltest etwas anderes als dein Schlafshirt anziehen?"
"Fuck!", entfuhr es mir, ich sauste schnell nach oben und zog mir etwas anderes an.
Ich sah noch einmal nach meinen Rosenköpfchen und knallte die Tür zu. Auf dem Weg nach unten sah ich auf der Uhr, dass ich so langsam los musste. Ich verabschiedete mich noch schnell von meinen Eltern, lief aus dem Haus und holte meinen kleinen Bruder ein.
In der Schule angekommen sah ich, dass Johanna noch nicht da war. Ich seufzte. Normalerweise kam sie entweder vor mir an, oder zehn Minuten nach mir. Mein Problem heute war, dass ich absolut ungeduldig und hibbelig war, und so sah ich alle dreißig Sekunden auf die Uhr.
Nach einer Viertelstunde, als ich schon kurz davor war, mich auf den Weg zum Klassenzimmer zu machen, wurde ich von hinten angetippt.
"Du kannst mich doch nicht so lange warten lassen!"Mit diesen Worten umarmte ich meine beste Freundin.
"Sorry, ich bin mit dem Bus gefahren und da ist doch diese dämliche Baustelle... Egal, darfst du mit?"
"Ja! Und du?"
"Ich auch!", freute sie sich. "Es hat ein bisschen gedauert, aber dann haben sie trotzdem ja gesagt"
Auf dem Weg nach oben trugen wir uns feierlich in die Liste ein. Seit gestern waren noch einige Namen dazugekommen.
"Das kann ja was werden", stellte ich fest. Wir waren auf dem Weg zu unserem Klassenzimmer, wo wir jetzt, am Freitagnachmittag, die letzten Infos bekommen würden. Wieder stand dort der Konrektor vor uns.
"Also, ich werde erst einmal die Namen von denen vorlesen, die sich angemeldet haben. Das sind doch etwas mehr, als ich erwartet hatte... Philipp, Marina, Cara, Saskia, Johanna, Nina, Carina, Lea, Laura, Lena... die enden ja alle auf 'a', Mädels!... Nico, Mira, Adelina, Tonja, Jenni, Ben und Ebru?"
Er sah sich um. Da niemand Einspruch erhob, redete er weiter. "Ihr werdet euch am Montag mit gepacktem Koffer hier in der Schule treffen. Euer Bus fährt dann pünktlich um 8 Uhr los, bei Verzögerungen kann es sein, dass ihr den Flieger verpasst!"
"Nur kein Stress!", murmelte Saskia leise.
"Wenn ihr alle pünktlich kommt, wird es keine Probleme geben!", verdeutlichte der Lehrer. "Der Busfahrer wird euch bis zu den Kontrollen begleiten. Ich bitte euch, während des Flugs ist außer euch und dem Piloten niemand an Bord, benehmt euch. Ich habe einen Brief an Herrn Olórin geschrieben, wenn sich jemand von euch nicht benimmt, kann er euch umgehend wieder heimschicken. Nicht, dass ich glauben würde, dass das passiert..." Er sah uns alle einmal scharf an.
"Die Lehrer sind selbstverständlich bereits informiert. Ihr bekommt in dieser Schule wie in jeder anderen auch am Ende des Jahres ein Zeugnis. Die Fächer... scheinen mir etwas gewöhnungsbedürftig, aber ich bin mir sicher, ihr werdet uns nicht vermissen." Er endete mit einem verschmitzten Grinsen.
"Hä, wieso? Was haben wir denn dann für Fächer?", wollte Cara wissen.
"Das wird euch dann schon mitgeteilt, seht es als Überraschung!" Mit diesen Worten verabschiedete er sich.
"Na toll! Und wenn das total bescheuerte Fächer sind?", beschwerte sich Tonja.
"Noch schlimmer als die hier? Immerhin sind sie bestimmt nicht langweilig!", stellte Adelina fest. Ich stimmte ihr zu. Sollte unser Verdacht richtig sein, würden sie alles andere als langweilig werden...
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