࣪ ִֶָ☾. the look of your eyes

࣪ ִֶָ☾. sannie

Ich packte meine Tasche und entschied mich heute wie so oft dazu, einfach in Kasack nachhause zu gehen. Lust mich umzuziehen hatte ich nicht, vorallem nicht nach dem heutigen Dienst. Mir entwich ein erschöpftes Ausatmen, als ich auf mein Handy nach der Uhrzeit blickte. 21:32 Uhr. Wenigstens hatte ich heute rechtzeitig Feierabend, trotzdessen ich alleine für die ganze Station heute verantwortlich war.

Aber meine Kollegen lösten mich für den Nachtdienst ab, sodass ich meine Tasche schulterte und gerade das Dienstzimmer verlassen wollte, als Mingi sagte:,,Wir sind morgen beide für den Frühdienst eingeteilt. Ruhe dich gut aus.",sodass ich ihn verzweifelt über den spontanen Dienstwechsel anblickte.

Eigentlich hatte ich morgen Spätdienst gehabt...

,,Na gut... Bis Morgen...",erwiderte ich meinem Kollegen und guten Freund seufzend, sobald wir uns abklatschten und ich mich ausloggte, bevor ich das Krankenhaus verließ und meinen Weg zu Fuß nachhause antrat. Zwar kannte ich die spontanen Dienstwechsel durch meinen Beruf als Krankenpfleger, dennoch mochte ich diesen Teil oftmals nicht.

Ermüdet strich ich mir durch die Haare, setzte mir meine Kopfhörer auf und spazierte meinen üblichen Weg nachhause. Ich war 24 Jahre alt, seit 5 Jahren bereits im Beruf und ebenso in der Neurologie unterwegs. Weshalb es die Neurologie wurde, hielt ich immer privat, jedoch genoss ich den Mischmasch aus Psychologie und Physiologie, den ich in meiner Fachrichtung bekam.

Ich freute mich täglich auf meine Patienten. Täglich betreuten wir Hunderte von Patienten auf unserer Akutstation, wobei ich die Gespräche mit meinen Patienten am meisten genoss. Ich in diesen Momenten selbst einfach nur Mensch sein konnte, man auf Augenhöhe miteinander kommunizierte, während man die Behandlung durchführte. Dem Patienten das Gefühl von einem normalen Umgang gab, zumal sie täglich das Gefühl vermittelt bekamen, ,,nicht normal" zu sein. Durch ihre Krankheiten oder durch die Gesellschaft, die manchmal echt eklig sein konnte.

Somit liebte ich das Lächeln, welches sie mir während der Behandlung schenkten. Aber auch die Tränen, die sie mir anvertrauten, wenn die Gespräche und die Verzweiflung der Erkrankungen sie einnahmen. In der Neurologie zu arbeiten, bedeutete mit Menschen zu arbeiten, ,,die am Gehirn erkrankt waren".

Eine Untersuchung bei einer Fachärztin oder einem Facharzt für Neurologie diente dazu, Krankheiten des Nervensystems zu erkennen. Dazu gehörten so unterschiedliche Erkrankungen wie Schlaganfall, Parkinson, chronische Migräne, Hirnhautentzündung, Epilepsie oder Multiple Sklerose.

Das bedeutete, ich war täglich mit schwer erkrankten Menschen im Kontakt, was auch mich auf Dauer echt auslaugte. Umso froher war ich an Tagen wie heute, wo ich meine Arbeit pünktlich beenden durfte und etwas Freizeit für mich hatte. Ich liebte es, Musik zu hören sowie Hörbüchern zu lauschen. Es waren immer die kleinen Artisten, denen ich auf Spotify am liebsten lauschte.

Wie jetzt, als ich der gewohnten Stimme lauschte und lächeln musste, als ich sah, dass er ein neues Kapitel seines Hörbuches veröffentlicht hatte. Aufgeregt darüber zu hören, was er heute zu sagen hatte, drückte ich die Lautstärke so weit in die Höhe, bis ich in seiner Stimme komplett versinken konnte, mein Umfeld mit den Ohren nicht mehr wahrnahm.

,,Ich war noch nie gut in Mathe, aber sag mir, wie hoch sind die Chancen? Dass sich unsere Wege kreuzen würden? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, sich zu verlieben? Mit jemandem, der meilenweit entfernt geboren wurde? Wie hoch sind die Chancen? Dass er neben mir ist, die gleiche Luft atmet, die ich atme? Wie groß ist die Chance, dass sich unsere Blicke treffen? In einer Menschenmenge, die mein Herz höher schlagen lässt? Hoffentlich bringt uns das Schicksal niemals näher, denn wir können nie zusammen sein. Ich würde dich nicht an mich ranlassen, egal, wie sehr sich mein Inneres nach dir sehnen würde."

Ich blickte ruhig um mich, während ich seiner ruhigen Stimme lauschte. Leise, sanft und achtsam war seine Stimme. Ein Gesicht hatte ich nicht vor Augen, auch keinen Namen, da der Künstler anonym bleiben wollte. Doch ich wusste, dass er bei uns in der Kunsthalle arbeitete, da dies auf seinem Profil auf Spotify mit angegeben war.

,,Er scheint verliebt zu sein.",flüsterte ich mir selbst schmunzelnd zu, trotzdessen seine Worte einen Hauch an Trauer in mir auslösten. Denn die Verzweiflung aus seinen Worten war deutlich spürbar. Seine ganzen Hörbücher umfassten eher Themen, die zum Nachdenken anregten. Doch genau das war es, was mich so sehr an ihn bindete. Er brachte mich zum nachdenken, zu reflektieren. Es fühlte sich wie ein tägliches Kommunizieren mit ihm an, auch wenn ich ihn nicht kannte.

,,Hey! Weg von der Straße!!",rief ich laut, als ich einen Jungen gerade über die Straße laufen sah, wo zugleich ein Auto in übermäßiger Geschwindigkeit angerast kam. Direkt zog mich das Bild aus meinen Gedanken, vorallem als ich sah, dass der Junge nicht auf meine Worte reagierte. Weder auf das laute Brummen und Rasergeräusch des Autos noch auf meine Worte. Dementsprechend hastig handelte ich, als er die Straße gedankenverloren überqueren wollte.

Ich warf meine Tasche zu Boden, als ich auf ihn zu rannte, den Jungen am Arm packte und mit einem Ruck mit mir von der großen Straße riss. Noch rechtzeitig konnte ich uns beide von der Straße ziehen, während ich ihn bei dem ganzen Schwung an mich gerissen hatte, sodass er gegen mich stolperte und sich reflexartig an meiner Brust festhielt.

Schweratmend durch das Geschehene hatte ich meine Augen geweitet, währenddessen das Auto an uns vorbei gerast war und ich mein Herz rasen spürte. Meine Beine wurden mir ganz kalt durch die Panik und dem Adrenalin, welches durch meine Adern pochte. Dementsprechend spürte ich meine Hände zittern, als ich den Jungen mit der Hand immernoch am Arm festhielt und meinen freien Arm um seinen Körper gelegt hatte, damit er mir bei dem Schwung nicht zur Seite fallen würde.

,,Ihnen hätte etwas passieren können. Wieso haben Sie nicht reagiert?",entkam es mir immernoch panisch, denn ich realisierte, wenn ich ihn nicht von der Straße gerissen hätte, hätte das rücksichtslose Auto ihn mitgenommen. In dem Moment stellte er sich langsam wieder richtig hin, dennoch ließ ich ihn nicht los, noch gepackt von der Panik und dem Adrenalin.

Er hob seinen Kopf, als er mir auf das Gesicht schaute und ich ihm direkt in die Augen blickte, suchend nach einer Erklärung für sein Verhalten.

Ich schluckte.

Mein Puls schien sekündlich zu sinken, sobald mich seine Augen fesselten und ich in das tiefe Schwarz hineinschauen konnte. Seine Augen, die keinerlei Schock ausstrahlten, sondern einfach Stille. Nicht mal Ruhe, sondern Stille. Ich spürte nämlich, wie seine Finger an meiner Brust zitterten. Doch mit seinen Augen strahlte er nichts aus. Als hätte er sich das angewöhnt.

,,Es gibt so viele Dinge, die ich dir sagen möchte. Jedoch lasse ich dich einfach leben. Aber... Dinge, wie:,,Wenn du mich halten würdest, ohne mich zu verletzen, wärst du der Erste, der es jemals täte."

Ich merkte, wie ich in meinen Gedanken abtauchte, je länger ich in diesen Augen hinein schaute und hier so mit diesem Fremden stand, der ungefähr in meinem Alter sein musste. Der Fremde, dessen Augen mich fingen und nicht mehr losließen.

Als ich in seine Augen sah, schien die Welt um mich herum still zu werden. Diese schwarzen Augen, so tief und geheimnisvoll, fesselten mich auf eine Weise, die ich nicht erklären konnte. Es war, als würden sie etwas mit mir machen - mich auseinandernehmen und gleichzeitig zusammensetzen, mich spiegeln und gleichzeitig verschlucken.

Ich konnte mich nicht lösen von diesem Blick, der so viel verbarg und doch alles sagte. Da war eine Kälte darin, ein Funken, der mich erreichte, obwohl ich wusste, dass ich ihn nie ganz begreifen würde. Schließlich kannte ich diesen Menschen nicht.

,,Halte mich, liebe mich, berühre mich, mein Junge. Sei der Erste, der es jemals getan hat..."

Je länger ich ihn ansah, desto mehr hatte ich das Gefühl, hineinzufallen - nicht unangenehm, sondern wie ein leises Loslassen in etwas, das größer war als ich. Und vielleicht war es albern, aber in diesem Moment dachte ich: Wenn ich jemals irgendwo hingehörte, dann in die Dunkelheit seines Blicks.

Doch er löste sich hastig aus meinen Griffen, bevor er sich die Jacke richtete und seine Tasche erneut auf die Schulter hob, nachdem sie ihm runtergefallen war. Im Hintergrund lief noch in einem Kopfhörer das Hörbuch, auf welches ich mich aber nicht mehr konzentrieren konnte. Trotzdessen sich das Adrenalin in mir auflöste und ich in seinem Anblick abtauchte.

Sein Gesicht hatte etwas Weiches, fast Fragiles, das in starkem Kontrast zu den dunklen Augen stand, die wie zwei endlose Nachthimmel wirkten. Seine Haut war hell, fast durchscheinend, und ließ die feinen Linien seiner Wangenknochen und den leichten Schwung seines Kiefers besonders klar hervortreten.

Sein Haar fiel ihm in sanften, dunklen Strähnen in die Stirn, unordentlich, aber auf eine Art, die ihm eine unaufdringliche Eleganz verlieh. Seine Lippen - voluminös, aber präzise geformt - schienen leicht angespannt.

Die Schultern waren schmal, sein Körper schlank, fast zierlich, und dennoch hatte er eine Ausstrahlung, die nicht zu übersehen war - eine stille Anziehungskraft, die sich wie ein Magnet um ihn legte. Alles an ihm wirkte sanft, aber nicht zerbrechlich, eher wie etwas Kostbares, das man nicht anfassen sollte, aus Angst, es zu zerstören.

Und dann waren da diese Augen - dunkel, glänzend, und so tief, dass ich das Gefühl hatte, sie könnten mich verschlucken, wenn ich zu lange hineinsah.

,,Wenn unsere Wünsche nicht direkt ausgedrückt werden, neigen sie dazu sich auf unbewusste Weise zu manifestieren. Das Innere braucht einen Ausweg, und wenn diese Wünsche in willige Hände gelangen, erhält unser Geist die Chance, den gesündesten Weg zu finden, diese tiefsten Bedürfnisse zu erfüllen."

,,Bitte sei vorsichtig... Das nächste Mal, wenn du die Straße überquerst.",entkam es mir etwas verpeilt, als ich merkte, wie verloren ich ihn eigentlich anschaute, während er meine Blicke mied und mir auf die Lippen blickte, sobald ich sprach. Ich spürte, wie ich leicht errötete, weshalb ich wieder etwas von mir geben wollte.

Doch der Fremde blickte mich nur kühl an, bevor er wortlos an mir vorbei lief, ohne etwas von sich zu geben. Mich alleine in der stillen Nacht Vorort stehen ließ, mit all den Eindrücken, die er bei mir soeben hinterließ. Ich glaube, ich hatte noch nie bei einem Anblick eines Menschens so viel empfunden, wie gerade eben.

Tief atmete ich durch, strich mir über das Gesicht und flüsterte mir selbst zu:,,Alter, komm mal klar, Choi San.", um mir einen Realitätscheck zu geben, bevor ich die Straße überquerte, um zu meiner Tasche zu laufen, die ich dort achtlos hingeschmissen hatte.

Jedoch nicht ohne noch ein letztes Mal zu diesem Fremden zu schauen, der mittlerweile nur noch mit seiner Silhouette aus der Ferne für mich erkennbar war.

Was ein umwerfender Mensch...

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࣪ ִֶָ☾. Ich wünsche dir einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Auf wen San wohl gestoßen ist...? ;)

- ࣪ ִֶָ☾. Deine Eleja

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