࣪ ִֶָ☾. freefall
࣪ ִֶָ☾. wooyo
Ich setzte mir meine Kopfhörer ab, als ich das nächste Kapitel meines Hörbuches aufgenommen hatte. Mit einem Daumen Hoch deutete mir Seonghwa durch das Fenster an, welches den Aufnahmeraum von dem Studio trennte, dass alles gut geklappt hatte, weshalb ich seine Geste nur abnickte und er im nächsten Moment schon durch die Tür zu mir gekommen war.
,,Das war wieder sehr rührend. Die Anzahl deiner Zuhörer wächst aktuell rasant.",entkam es ihm lächelnd, wodurch ich erneut nur etwas nickte und meine Unterlagen alle zusammen packte. Seonghwa arbeitete gemeinsam mit mir in der Kunsthalle. Während er immer mehr Interesse an einer freundschaftlichen Beziehung mit mir zeigte, blockte ich jedoch ständig ab, auch jetzt, als er mich fragte:,,Wollen wir gemeinsam Mittag essen gehen? Wir sind bis heute Abend noch hier. Dann könnten wir noch die Halle zusammen für die Besucher vorbereiten."
,,Nein, danke. Ich habe noch einen Arztbesuch in der Zwischenzeit.",sprach ich ruhig zu ihm, wodurch er sich verzweifelt auf die Unterlippe biss, mir aber dennoch ein sanftes Lächeln schenkte. Mir andeutete, dass er meine Antwort respektierte und nicht sauer auf mich war. Denn er sowie ich wussten, dass er sowieso nur auf die nächste Gelegenheit wartete, um sich mir erneut anzunähern.
Ich sprach. Ja, ich sprach, auch wenn ich taub war. Ich war nicht seit Geburt an gehörlos, weshalb ich das Sprechen auch bis heute nicht verlernt hatte. Ebenso lernte ich über die Jahre hin, Lippen zu lesen, weshalb ich problemlos mit Seonghwa kommunizieren konnte. Problemlos war es nur, weil er langsam und deutlich sprach, wodurch ich ihm seine Worte von den Lippen ablesen konnte. Würde er wie jeder gewöhnliche Mensch sprechen, hätte ich jedoch Schwierigkeiten und müsste auf Gebärdensprache wechseln.
Dementsprechend sprachen wir beide gemischt miteinander - manchmal verbal, manchmal auf Gebärdensprache. Das Besondere war, dass Seonghwa mit meiner Mutter der einzige Mensch war, der wusste, dass ich sprechen konnte. Alle anderen lebten mit dem Glauben, dass ich nicht sprechen konnte bzw. dies nie erlernt hatte, seit Geburt an gehörlos war.
Diesen Glauben verbreitete ich absichtlich, da ich mich selbst isolierte. Ich wollte mit keinem Menschen Kontakt haben. Nichts, was über meine Arbeit in der Kunsthalle hinaus ging. Seonghwa wusste von meiner Fähigkeit zu sprechen, weil er mich bereits seit kleinauf kannte. Wir gingen auf dieselbe Grundschule und Mittelstufe, anschließend auch Oberstufe und machten unseren Abschluss zusammen.
Wir waren ,,nie" Freunde. Ginge es zumindestens nach mir. Ginge es nach Seonghwa, war ich sein bester Freund. Denn er wich mir seit Jahren nicht mehr von der Seite, seitdem wir uns kannten. In der Grundschule spielten wir miteinander und waren uns nah. Wenn ich darüber nachdachte, waren wir als Kinder doch miteinander befreundet.
Jedoch kapselte ich mich über die Jahre hin mit der Entwicklung meiner Epilepsie immer mehr von meinen Freunden ab, zerbrach Freundschaften, bis nur noch Seonghwa übrig blieb, der mir widerwillig nie von der Seite wich.
,,Bis später. Ich freue mich auf deinen Teil der Ausstellung, Woo.",entkam es ihm winkend, was ich wieder nur abnickte, bevor ich das Studio verließ und die Gänge der Kunsthalle entlang lief. Seonghwa schnitt meine Hörbücher und lud sie letztendlich auf Spotify hoch, wodurch wir beide Kollegen wurden. Er respektierte meinen Wunsch, dass keiner über meine Fähigkeit zu sprechen, herausfinden sollte.
Der Rest des Teams respektierte auch meinen weiteren Wunsch, undzwar dass meine Werke alle anonym blieben. Seien es meine Gemälde, meine Bücher oder meine Hörbücher. Dafür war ich dankbar.
Ich führte ein simples Leben, abgesehen von meiner Epilepsie, die sich über die Jahre meiner Kindheit und Jugend so derartig verschlimmert hatte, bis ich operiert werden musste. Als Kind hatte ich wöchentlich Anfälle gehabt, wodurch ich als Folge gehörlos wurde. Leider kam man erst danach auf die Idee, mich zu operieren, sodass meine Anfälle weniger wurden. Sie waren immernoch da, aber deutlich weniger.
Seit meinem 13. Lebensjahr, wo ich auch gehörlos wurde nach meinem schlimmsten Anfall jemals, besaß ich einen Vagusnervstimulator. Während dieser Operation wurden mir die Elektroden am linken Vagusnerven und der Generator sowie das Kabel, das den Generator mit den Elektroden verbindet, implantiert.
Dieses ganze System wurde letztendlich unter meiner Haut platziert, sodass ich je nach Belieben den Nerven stimulieren konnte, wenn mein Stresspegel stieg und sich ein Anfall anbahnte.
Denn Stress war der Hauptauslöser für meine Anfälle, neben den eigentlichen Schäden in meinem Gehirn. Somit fing ich im jungen Alter an, Stress durch die Kunst abzubauen. Durch das Malen, das Schreiben, dem Kreieren. Bis ich dies zu meinem Beruf machte und bis heute aktiv in meinem Tun war. Ich bat ebenso Kurse für Menschen an, die das Malen erlernen wollten oder sich bessern wollten.
Ich malte mit Ölfarben. Namhafte Vertreter, die in dieser Technik malten, waren beispielsweise der Entwickler der Ölmalerei van Eyck, Tizian, da Vinci, Rubens, aber auch van Gogh, Manet oder Picasso.
Somit war es mir eine Ehre, ihre Tradition zu vertreten und in der Kunsthalle am Leben zu halten, indem ich selbst mit Öl malte und meine Werke monatlich zur Schau stellte für alle Besucher dieser Stadt. Abends ab 18 Uhr waren unsere Eintrittszeiten, wo die Ausstellungen stattfanden und meine Kollegen sowie ich unsere Werke ausstellten.
Da meine Werke alle anonym waren, sprach ich immer aus dritter Person, wenn Interessenten mich ansprachen. Meistens war Seonghwa neben mir und übersetzte alles, was ich in Gebärdensprache formulierte. Oder es waren ebenso gehörlose Menschen, die mich in meiner Arbeit hier in der Kunsthalle kannten und somit immer direkt auf mich zu kamen, um sich von mir führen zu lassen.
Ich blieb stehen, als mir schwindelig wurde und ich die ersten Bluttropfen auf meinem Oberteil fallen sah. Hastig griff ich nach einem Taschentuch, welches ich immer parat hatte, sobald mir die Nase blutete. Ebenso suchte ich nach dem nächstgelegenen Stuhl, wo ich meine Sachen abstellte und mich schnell anlehnte.
Denn wenn meine Nase blutete, sprachen wir hier nicht von paar Tröpfchen, sondern von einer ganzen Menge, die bei mir in vielen Fällen anschließend in Ohnmacht, Schwindelanfälle oder einem körperlichen Zusammenbruch resultierten.
Deswegen war es immer sicherer, wenn ich beim Nasenbluten saß, damit ich nicht vom Stehen umfiel, sondern wenigstens vom Stuhl runter rutschte oder an einer Wand lehnte, sobald ich keine Kraft in meinen Muskeln spürte oder wie so oft ohnmächtig wurde.
Meistens konnte ich meine Ohnmachtsanfälle, auch Synkopen genannt, bereits spüren oder vorhersehen, weshalb ich mich meistens dann bereits auf den Boden legte. Hatte ich eine Wand in der Nähe, verschränkte ich meine Beine sowie die Arme, lehnte die Beine an die Wand und ließ die Bewusstlosigkeit zu. Dies sorgte dafür, dass mein Gehirn ausreichend wieder mit Blut versorgt wurde und ich schnell wieder zum Bewusstsein kam.
Ich griff nach dem kleinen Handtuch in meiner Tasche, denn das Taschentuch reichte nur bis zum Weg auf den Stuhl aus. Schnell tauschte ich beides aus und hielt mir das Handtuch an die Nase, während ich die Plastiktüte aus meiner Tasche zückte, wo ich meine benutzten Handtücher immer transportierte, bis ich zuhause angekommen war und sie waschen konnte.
Mir war schwindelig, weshalb ich die Augen schloss und wartete. Doch ich spürte an meinen Sohlen ein deutliches Stampfen, wodurch ich meine Augen öffnete und Seonghwa vor mir sah. Er berührte mich absichtlich nicht, um mich nicht zu erschrecken, da ich seine Anwesenheit ja nicht erhören konnte. Wenn die Menschen meine Aufmerksamkeit wollten, stampften sie, wedelten mit ihrer Hand seitlich, klopften auf den Tisch oder knipsten das Licht an und aus.
Wirklich klar denken, konnte ich nicht. Denn mir wurde schnell schwarz vor Augen. Ich spürte nur noch, wie Seonghwa mir das Handtuch aus der Hand nahm, sobald er die Situation verstand. Er hielt mir das Handtuch an die Nase, drückte zeitgleich meinen Kopf an seinen Bauch, bis ich im nächsten Moment auch schon bewusstlos wurde und an ihn lehnte.
Er kannte dieses Geschehen schon, weshalb ich mich meiner Situation wie so oft hingab und alles einfach geschehen ließ. Ich war sicher bei ihm, auch bei meinen anderen Kollegen, da ich mehrere von diesen Synkopen wöchentlich wenn nicht sogar täglich hatte. Manchmal mit Nasenbluten, manchmal ohne. Jede Synkope war individuell, anders. Genau, wie es jeder epileptischer Anfall auch war.
Und an diesem Tag war es auch Seonghwa, der besorgt zu mir runter blickte, meinen Kopf hielt, das Blut mit seinen Händen auffing, bevor er mich auf den Boden hinlegte, meine Beine anhob, gegen die Wand lehnte und dennoch die ganze Zeit bei mir war.
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࣪ ִֶָ☾. Ein kleiner Einblick in Woo's Alltag mit den Symptomen seiner Erkrankungen... :)
-࣪ ִֶָ☾. Deine Eleja
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