Timotin

// Manche Menschen drücken nur ein Auge zu, damit sie besser zielen können.

Belustigt verfolge ich die Demütigung der Minister. Meine Schadenfreude erreicht ihren Höhepunkt, als der kleinlaute Boris sein Scheitern eingestehen muss! Wie sehr ich es doch hasse, unter diesem hochnäsigen, versnobten Pack mein Dasein zu fristen! Auch wenn Sie es niemals wagen würden, es offen auszusprechen, zeigen sie mir ihre Verachtung mit jedem Wort, mit jeder Geste! Sie hassen mich, weil ich eine Frau bin. In ihren Augen taugen Frauen bloss zum Ficken und zur Hausfrau. Ekel steigt in mir auf, angesichts ihrer lüsternen Blicke. Hätten sie nicht solche Angst vor dem Zorn meines Vaters, meine Kleider würden mir längst vom Leib gerissen!

"Reiss dich zusammen!", ermahne ich mich innerlich scharf. Hochkonzentriert wende ich mich wieder meiner Aufgabe zu : Maulwürfe und potenzielle Verräter aufzuspüren. Es bereitet meinem Vater grausames Vergnügen, Leute vom Widerstand in sein Kabinett zu holen. Wenn sie sich sicher fühlen, holt er sie sich. Erwische ich sie nicht vorher, werde ich grausam bestraft. "Ein Herrscher muss erkennen wer sein Freund ist und wer Feind." Mein Blick bleibt bei einem untersetzten, barhäuptigen Männlein stehen. Er fühlt sich sichtlich unwohl, Schweissperlen glitzern auf seiner Stirn. Angewidert betrachte ich sein wahres Gesicht. Was für ein schmieriger, abstossender Typ. Elend schwach, verweifelt nach Aufmerksamkeit und Anerkennung gierend! Sein Glaube an unsere Ideale ist verschwindend klein, er ist ein typischer Mitläufer. Im Falle einer Niederlage wird er mit wehenden Fahnen die Seite wechseln, er ist ein widerwärtiger Oppurtunist, ein Fähnchen im Wind. Keiner vom Widerstand, er ist viel zu lethargisch, das Feuer in ihm ist längst erloschen.

Ich lasse meinen Blick weiter durch die Reihen schweifen, als er plötzlich am gebräunten, attraktiven Timotin hängen bleibt. Sehnsüchtig beisse ich mir in die Unterlippe. Wütend registriere ich sein belustigtes Schmunzeln. Meine Blicke sind wohl nicht unbemerkt geblieben. Immer wieder lässt er mich eiskalt auflaufen, drückt seine Verachtung für mich bei jeder Möglichkeit aus. Meine Kehle füllt sich mit Bitterkeit,ich bin es nicht gewohnt, zu scheitern oder etwas nicht zu kriegen, was ich will. Angewidert wende ich mich von ihm ab und versuche die Aufmerksamkeit meines Vaters auf mich zu ziehen. Doch dieser ist allzu fasziniert von der riesigen Handfeuerwaffe, die vor ihm ausgebreitet liegt. "Ab wann ist sie einsatzfähig?" Seine Stimme ruft immer wieder eine Gänsehaut in mir hervor. Mächtig, kalt, aristokratisch: die Stimme eines Herrschers. Beunruhigt registriere ich das nervöse Augenzucken des Generals.  Ärger ist im Anflug!

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