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Ich spüre den Umschwung der Atmosphäre dank meiner Fähigkeiten als Erste. Sachte deute ich gegenüber Timotin an, dass er schleunigst verschwinden soll. Schweigend stehen wir beide auf und verlassen kurz nacheinander den Raum. "Komm", murmle ich kurz und führe ihn in den riesigen Garten des Anwesens. Im Gleichschritt überqueren wir das mächtige Anwesen. Einzig das Knirschen des Sees unter unseren Sohlen durchbricht die Stille. In der Ferne sehe ich die Giraffen. Der Privatzoo meines Vaters stellt selbst die Zoos europäischer Hauptstädte in den Schatten. Ich kann mir ein hämisches Lächeln nicht verkneifen, als ich sehe, wie er sich ungelenk durch das Loch im Zaun quetscht. Ich werfe einen letzten Blick zurück auf das Anwesen, noch
keine Schreie zu hören. Vielleicht ereilt sie das Glück eines schnellen Gnadentods. Für einen kurzen Augenblick frage ich mich, ob der Glatzkopf wohl eine Familie gehabt hat. Wird schwer ohne Ernährer für sie.
Weiterhin eisern schweigend führe ich ihn weiter, bis wir bei meinem Zufluchtsort angelangt sind : Ein altes Flussboot, dass ich mit meinem Schweiss und Blut wieder instand gesetzt habe. Schreinerin ist kein angemessener Beruf für eine Präsidententochter. Ich muss zugeben, ich bin etwas enttäuscht, dass er sichtlich unbeeindruckt bleibt. "Was ist los?", zischt er misstrauisch. "Warum gehen Sie ein solch wahnwitziges Risiko ein? Ich hoffe doch, dazu gibt es einen guten Grund", knurrt er wütend. "Ich will mich dem Widerstand gegen meinen Vater anschliessen." Sein schallendes Lachen trifft mich mitten in meinen Stolz. "Lassen Sie die Spielchen", spöttelt er kühl. "Das ist mein Ernst", maule ich beleidigt. "Ich verstehe. Wieder einmal eine Ihrer kindlich trotzigen Überreaktionen. Was ist denn passiert? Hat er ihre Kreditkartenlimite gesenkt?"
Es bedarf all meiner Willensstärke, damit ich ihm nicht an die Kehle springe. Meine verschnupfte Reaktion dient ihm als Zielscheibe für weiteren Spott: "Wie stellen Sie sich das vor ? Dass Sie einfach in deren Zentrale spazieren und mit Handkuss aufgenommen werden? Mir wird übel angesichts ihrer Dummheit und Naivität!" Es gelingt mir nicht länger meinen Zorn im Zaum zu halten: "Vielleicht habe ich das Ganze nicht gut durchdacht, das gebe ich zu." "Gar nichts gedacht haben Sie." "Aber wenigstens versuche ich etwas zu unternehmen gegen ihn. Wenn ich für den Widerstand arbeiten würde, ich hätte ihn längst umgebracht!" "Es ist ein Fehler gewesen, Sie einzuweihen. Ich habe es Dimitri, diesem senilen alten Idioten oft genug gesagt, doch aus mir unerfindlichen Gründen schien er an das Gute in Ihnen zu glauben." Er hat ihm nicht erzählt, dass ich seine Nichte bin. Er traut ihm nicht! Ich kann mir ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen.
Energisch schüttle ich den Kopf, ich muss mich auf meine jetztige Aufgabe fokussieren. "Du bist wie ein offenes Buch. Du trägst einen Teil von ihm in dir." "Du bist Harry Potter", beende ich spöttisch. "Leider nicht", murmelt er kühl, "wir könnten Leute von seiner Sorte gebrauchen. Aber Sie meine "Liebe", ungläubig blicke ich ihn an, mein Mund klappt unkontrolliert auf und zu, "wenn Sie wirklich einen Beitrag zum Widerstand leisten wollen, werfen Sie sich vor den nächsten Zug". Mit diesen Worten macht er auf dem Absatz kehrt und lässt mich alleine zurück. Wütend kicke ich den Mülleimer weg. Keine gute Idee, jetzt ist der ganze Boden voller Müll und die Wut in mir brodelt stärker denn je. "Timotin!" brülle ich ausser mir. "Komm zurück du elende Ratte!" Doch das Einzige, dass die Stille durchbricht, ist mein hallendes Echo, ein mickriger Abklatsch meiner Wut. Er ist weg. Ich fühle mich einfach nur noch leer. Wie ein Zombie wanke ich in die Küche und lasse mich ungelenk auf einen der Stühle plumpsen. Ich höre auf, mich gegen meine Tränen zu wehren, breche regelrecht in mir zusammen.
"Warum weinst du meine Schöne?" Erschrocken fahre ich hoch.
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