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„Ich liebe es hier zu liegen, ohne zu erfrieren.", flüsterte Remus in die Nacht hinein.

Wir lagen am Ufer des Sees und betrachteten die Sterne. Tatsächlich waren wir die einzigen in unserer Freundschaftsgruppe, die über die Ferien im Schloss geblieben waren. „Du kannst sagen, wenn du es wärmer haben willst oder wenn es zu warm ist. Du weißt ja, dass ich das nicht merke."

Er lachte auf. „Ich sagte gerade wie toll es hier ist. Es ist perfekt. Du musst nichts ändern."

„Das freut mich." Wir hatten die letzten Minuten geschwiegen. Ich dachte über mein Gespräch mit James nach, aber ich hatte mich bisher nicht getraut Remus darauf anzusprechen. Denn leider hatte James recht gehabt. Ich hatte Angst davor Remus als Freund zu verlieren. Auch wenn diese Angst irrational war. Es war schließlich so, wie ich Marlene gesagt hatte: Wir waren alt genug, um damit umgehen zu können. Doch wie sagt man so schön? Es ist einfacher gesagt als getan.

„Lina..." Remus Stimme war kaum zu hören. „Darf ich dich etwas fragen?"

„Natürlich! Schieß los!"

„Als James letztes Jahr den Gegentrank genommen hat... Was hast du da gemeint?"

Ich runzelte die Stirn und ließ mein Kopf zur Seite sinken, sodass ich sein Profil sehen konnte.

„Du dachtest... Du sagtest... Auf die Frage, ob es funktioniert hat, hast du Nein geantwortet. Aber es hat funktioniert... Warum also dachtest du, dass es nicht funktioniert hat?"

„Das ist es jetzt ein Jahr her und du fragst mich das erst jetzt?"

„Sieht ganz so aus..." Sein Blick war nach oben gerichtet. „Also warum?"

„Weil ich..." Ich seufzte und ließ mein Blick ebenfalls wieder zu den Sternen wandern. „Weil ich dachte, es hätte nicht funktioniert."

„Warum dachtest du das?"

„Ich hab es doch kurz danach begriffen oder etwa nicht?"

„Willst du mir jetzt wirklich weiß machen, dass das keine Bedeutung hatte?"

Ich ließ eine kleine Flamme aus meinen Fingern schießen und spielte damit. Ich erinnerte mich genau an den Moment von dem Remus sprach.

„Es hatte also eine Bedeutung. Es gab einen Grund, warum du dachtest, dass es nicht funktioniert hat."

„Du durchschaust mich jedes Mal.", bemerkte ich und seufzte. „Wie machst du das nur?"

Remus stieß ein Geräusch aus, das nach einer Mischung aus Schnauben und Lachen klang. „Weil wir uns ähnlich sind. Ich verstehe dich und du verstehst mich, weil wir uns ähnlich sind. Zum Beispiel glauben wir beide, dass wir..."

„Dass wir Monster sind.", vervollständigte ich den Satz. „Auch wenn wir es nicht sind."

„Ja, zum Beispiel darin sind wir uns ähnlich." Ich merkte, wie er mich ansah. „Und daran liegt es wohl, dass ich dich verstehe und dich durchschaue."

„Du verstehst mich wirklich... Du verstehst mich besser als jede andere Person. Du akzeptierst mich genauso wie ich bin. Du hilfst mir, wo du nur kannst. Sogar dann, wenn ich dich wegstoße. Du scheinst immer besser zu wissen, was ich brauche als ich selbst. Wenn du bei mir bist, fühle ich mich direkt besser. Der Knoten in meiner Brust löst sich und ich habe das Gefühl endlich wieder durchatmen zu können."

„Ich liebe... Ich liebe das Gefühl auch, wenn du bei mir bist. Ich weiß genau, was du meinst."

Ich setzte mich auf und schlang meine Arme um meine Knie. „Ich hab dir noch nicht geantwortet."

„Nein, hast du nicht..."

„Du hattest recht, natürlich hattest du das. Du hast immer recht." Ich lachte kurz auf. „Ich dachte wirklich, dass es nicht funktioniert hat, weil ich dachte, dass ich noch immer an den Nebenwirkungen leide."

„Wieso?"

„Als James den Trank genommen hat, da habe ich nicht ihn angeschaut... Ich habe dabei dich angeschaut. Ich habe dir in die Augen geschaut..." Ich spürte wie sich die Tränen in meinen Augen sammelten und ich wischte sie schnell weg. Es gab keinen Grund zu weinen. Ich würde ihn schon nicht als Freund verlieren, nur weil ich das endlich zugab. „Als James den Trank genommen hatte, schaute ich dir in die Augen und es fühlte sich nicht anders an als vorher. Deine Augen schienen mich immer noch zu rufen und mich in ihren Bann ziehen. Ich war mir sicher, dass die Nebenwirkungen nicht verschwunden waren und dass der Gegentrank bei James also nicht funktioniert hat, weil ich dich..." Ich schluckte und versuchte den Kloß in meinem Hals loszuwerden. „Weil ich dich immer noch küssen wollte."

Remus sagte nichts und ich wusste auch nicht, ob er überhaupt eine Reaktion zeigte. Geschweige denn welche. Ich starrte immer noch raus zum See, selbst wenn ich kaum fünf Meter weit sehen konnte.

Das Eis in meiner Brust breitete sich aus. „Es tut mir leid, aber du hast gefragt... Es muss sich nichts zwischen uns ändern. Ich will gar nicht, dass sich etwas ändert. Ich möchte dich nicht verlieren, Remus. Um nichts in der Welt möchte ich dich verlieren und ganz sicher nicht, weil ich so dumm war, mich in dich zu verlieben..."

Ich zuckte zusammen als er seine Hand auf meine Schulter legte. „Hör auf."

Eine Träne floss über meine Wange als ich mich überwinden konnte mich zu ihm umzudrehen.

„Nicht weinen, Lina." Mit seinem Daumen wischte er sie weg, ließ aber seine Hand auf meinem Gesicht liegen. „Wieso hast du nie etwas gesagt?"

„Weil ich Angst hatte.", gestand ich. „Ich hatte Angst dich zu verlieren. So sehr, dass ich es sogar vor mir selbst geleugnet habe."

„Ich wünschte das hättest du nicht gemacht.", flüsterte er und näherte sich meinem Gesicht. „Denn weißt du, Lina, Ich hatte auch Angst."

Ich hob meinen Blick bis ich ihm in die Augen sehen konnte. Im Dunkeln konnte ich die Farbe nicht erkennen, aber das brauchte ich auch gar nicht. Ich wusste genau, wie seine Augen aussahen. In den letzten Tagen, seit ich mit James gesprochen hatte, hatte ich immer wieder von diesen brauen Augen mit den grünen Sprenkeln geträumt. „Wovor hattest du denn Angst?" Ich traute mich nicht einmal daran zu denken, aus Angst er meine etwas völlig anderes.

„Ich hatte ebenfalls Angst dich zu verlieren. Noch eine Sache, in der wir uns gleichen. Ich hatte Angst dich zu verlieren und wollte deshalb nicht zugeben, was ich für dich empfinde."

Ich schluckte. Die Hoffnung stieg in mir auf und vertrieb das Eis. „Was empfindest du denn für mich?"

Remus lachte und näherte sich noch ein wenig mehr. Er war mir so nah, dass ich sein Atem auf meinem Gesicht spüren konnte. „Du hast wirklich Angst, dass ich etwas andere meine?"

„Ich bin für dich ein offenes Buch."

„Dann sage ich es dir jetzt ganz klar: Lina, ich liebe dich."

Das reichte. Ich überbrückte den letzten Abstand und küsste ihn. 

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