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„Ich muss mich entschuldigen!" In James Augen sammelten sich die Tränen. „Merlin! Lily, es tut mir so leid!"
„Das ist schon in Ordnung. Es war nicht echt. Hör auf dich zu entschuldigen!"
Mittlerweile flossen die Tränen unkontrolliert über James Gesicht. Er war auf die Knie gefallen. Lily trat von einem Fuß auf den anderen, wobei sie sich sichtlich unwohl fühlte.
„Leute?" Mein Blick war nur auf James gerichtet. Er sah vollkommen zerbrochen aus. Ich wusste genau, wie er sich fühlte. Wahrscheinlich war es für ihn noch schlimmer. Ich war nicht unsterblich in James verliebt, aber auch in keinen anderen. Ich hatte nicht die Person beschimpft, die ich wahrhaftig liebte. Außerdem hatte ich vorher das Feuer rausgelassen und auch das Eis, wenn auch etwas indirekter. Ich hatte die Emotionen, den Schmerz, die Trauer, die Wut, den Frust... Ich hatte alles rausgelassen und hatte Übung darin meine Gefühle zu unterdrücken. Er aber nicht. „Vielleicht lasst ihr uns kurz alleine, in Ordnung?"
„Was denn?" Sirius grinste schief. „Ich dachte der Zauber wäre gebrochen und du willst trotzdem mit ihm alleine sein?"
Ich warf ihm einen giftigen Blick zu. „Zu früh, Sirius. Viel zu früh."
„Schon gut, ich bin still!" Lachend lief er zu Tür, gefolgt von Lily. Remus zögerte kurz, aber ging dann auch.
Als sich die Tür wieder geschlossen hatte, kniete ich mich neben James und nahm ihn in die Arme. Dabei sagte ich nichts, sondern hielt ihn nur fest. Er vergrub sein Gesicht in meine Schulter und schluchzte laut.
Nach mehreren Minuten waren seine Tränen versiegt und er hob seinen Kopf. „Danke."
„James, es gibt keinen Grund sich zu bedanken." Ich lächelte ihn mitfühlend an. „Du kannst jederzeit zu mir kommen."
„Ich muss mich auch bei dir entschuldigen." In seinen Augen lag immer noch der Schmerz.
„Nein musst du nicht." Ich schüttelte den Kopf. „Ganz sicher nicht. James, du konntest nichts dafür. Genauso wenig wie ich. Du musst dich für gar nichts entschuldigen und ich weiß genau, dass es sich so anfühlt als müsstest du das. Mir ging es genauso nachdem ich den Trank genommen habe, aber Lily und Remus haben mich überzeugt. Lily weiß, dass das nicht du warst. Sie weiß, dass deine Worte nicht wahr waren. Lily weiß, dass du nichts dafür konntest!"
„Denkst du wirklich?" In seinen Augen blitze ein Hoffnungsschimmer auf.
„Das denke ich nicht nur, ich weiß das."
„Lässt der Schmerz nach?"
Seufzend zuckte ich mit den Schulter. „Es ist ja nicht so, dass ich den Trank vor Wochen genommen habe... Es ist besser als direkt am Anfang und viel besser als vor dem Trank..."
„Es war die Hölle ohne dich..."
„Ja, das war es...", stimmte ich ihm zu. „Es ist viel besser geworden in den letzten Stunden. Ich fühle mich immer noch etwas seltsam. Insbesondere, weil ich diese Erinnerungen habe, aber sie sich nicht so anfühlen als wären sie meine..."
„Ich weiß genau was du meinst. Ich erinnere mich, aber es ist als wäre es eine andere Person gewesen..."
„In gewisser Weise war es auch eine andere Person.", stellte ich fest. „Wir waren nicht wir selbst..."
„Darf ich dich etwas fragen, Lina?"
„Selbstverständlich. Alles, was du willst."
„Stehst du auf Sirius?"
Ich hob überrascht die Augenbrauen. „Auf Sirius? Ich? Wie kommst du denn darauf?"
„Du hast ihn vorhin geküsst."
„Oh, ja, also, ähm... Das war nicht das, wonach es aussah." Lachend schüttelte ich den Kopf. „Lily hat es vorhin gesagt, aber wahrscheinlich hast du es nicht mitbekommen. Die Tatsache, dass ich den Trank genommen habe, bevor du ihn genommen hast, hatte Nebenwirkungen... Ich will jetzt gar nicht weit ausholen, aber auf jeden Fall haben sie bewirkt, dass ich jeden, den ich angesehen habe, küssen wollte und mich dabei kaum bremsen konnte. Deshalb auch der Kuss mit Sirius."
„Er wird enttäuscht sein!"
„Wieso das denn?", fragte ich und begriff es noch während ich es sagte: „Warte, willst du sagen, er steht immer noch auf mich?"
Lachend nickte er und stand auf. „Ich will ehrlich mit dir sein, deswegen heißt die Antwort ja und nein."
Ich setzte mich neben ihn auf das Bett.
„Soweit ich das beurteilen kann und ich kenne ihn ziemlich gut, denkt er, dass er in dich verknallt ist und ich glaube, dass sich das verstärkt hat, weil er uns gesehen hat. Ich glaube, dass er in gewisser Weise eifersüchtig war, wenn er uns gesehen hat..."
Frustriert stöhnte ich auf. Wie konnte jemand eifersüchtig sein auf das was zwischen James und mir passiert war?
„Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er dich zwar wirklich heiß findet,"
Ich verdrehte die Augen.
„aber, dass er nicht wirklich auf dich steht. Er denkt, dass er es tut, aber er liebt nur die Vorstellung von dir."
„Das verstehe ich jetzt nicht.", gestand ich.
„Er will dich nicht um deinetwillen. Damit meine ich jetzt nicht, dass er dich nicht mag! Im Gegenteil, aber eben nicht auf diese Weise. Er mag dich als eine Freundin."
„Das ist gut, denn so geht es mir auch."
„Ja, genau." Er nickte. „Was ich sagen möchte, ist, dass ich glaube, dass er sich einredet dich zu lieben, weil du für ihn unerreichbar bist."
„Bin ich das?", fragte ich. „Ich dachte er wäre davon überzeugt, dass er jede haben kann!"
„Genau das ist der Punkt." Er nickte. „Er denkt, dass er jede haben kann und vielleicht ist das sogar so. Er hat bisher jede bekommen, die er wollte. Mit einer Ausnahme."
„Ich bin diese Ausnahme."
„Exakt. Du hast ihm eine Abfuhr erteilt und zwar das erste und bisher einzige Mal in seinem Leben. Das hat ihn wachgerüttelt, zumindest einen Teil von ihm. Er gesteht es sich selbst nicht ein, aber an diesen Abend hat er erkannt, dass er mehr möchte, als nur ein One Night Stand oder etwas in der Art. Du hast ihm die Augen geöffnet. Ihm gezeigt, dass das was er möchte mehr ist. Er möchte Gefühle. Er möchte eine Frau, die mehr als nur das Äußere hat. Er möchte jemanden mit dem er lachen kann, mit dem er sich unterhalten kann, mit dem er diskutieren und sogar streiten kann. Jemanden, der auch bei ihm mehr sieht als nur das Äußere. Er weiß, dass er gut aussieht. Das weiß er viel zu genau und deshalb ist es für ihn auch so leicht gewesen jede zu bekommen, die er wollte, aber ihm hat immer was gefehlt. Ihm hat gefehlt, dass es jemanden um sein Inneres geht, jemanden wie dich. Du hast ihm eine Abfuhr gegeben, weil du meintest, du kennst ihn noch gar nicht und er dich nicht. Das hat gestimmt und das hat er verstanden. Du hast ihm trotz seines Aussehens eine Abfuhr gegeben und ihm damit gezeigt, dass er es verdient."
„Was verdient?"
„Wirklich und wahrhaftig geliebt zu werden. Geliebt zu werden für die Person, die er ist."
Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter.
„Er möchte eine echte Beziehung. Echte Liebe, von der er immer dachte, er hätte sie nicht verdient, weil er sie von seinen Eltern nicht bekommen hatte..."
Mein Herz zerbrach bei diesen Worten und ich ruckte unauffällig ein wenig von James weg. Ich spürte die Kälte, die ihren Weg nach außen suchte. Vor einigen Monaten hätten wir auf einer Eisschicht gesessen, aber jetzt war wohl nur meine Haut etwas kalt geworden.
„Und die Sache ist jetzt die, dass er sich einredet, dass er dich liebt, weil ein Teil von ihm noch immer der Meinung ist, dass er es nicht verdient hat und er weiß, dass du ihm wieder eine Abfuhr geben würdest, wenn er es versuchen würde. Außer in dem unwahrscheinlichen Fall, dass du dich doch ihn verliebt hast, aber das wäre ja wieder das, was er sich tatsächlich wünscht. Denn du wärst die perfekte Wahl. Mit dir kann er lachen, reden, du widersprichst ihm, wenn du anderer Meinung bist. Das einzige, was fehlt ist die Liebe."
Ich konnte nichts sagen, ich wusste einfach nicht was ich darauf erwidern könnte.
„Wenn er sich einredet, dass er dich liebt, dann braucht er sich nicht darum zu kümmern, weil du nicht erreichbar bist. Ein Teil von ihm weiß zwar jetzt, dass er sich eine Beziehung wünscht, aber ein anderer Teil denkt, dass er nicht dazu in der Lage wäre. Deshalb bist du der perfekte Kandidat, weil es nicht dazu kommen wird, auch wenn du quasi alle Kriterien erfüllst."
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