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Das einzige, was ich hörte, war ein schriller hoher Ton, der meine Ohren zu zerbarsten drohte. Noch immer war ich nicht in der Lage die Luft zu holen, die sich meine Lungen ersehnten. Stattdessen zitterte ich wie Espenlaub und mein Körper stand in unsichtbaren Flammen. Ich konnte sie spüren, jedoch nicht sehen, aber während ich noch zu Boden glitt, färbten sich die Ränder meines Sichtfeldes Schwarz. Es breitete sich aus und sorgte dafür, dass ich immer weniger erkennen konnte.
Doch es war egal, alles war egal. Ich hatte es geschafft. Ich hatte den schwarzen Nebel aus Remus entfernt. Ich hatte es wirklich geschafft.
Mit dem letzten Rest meiner Sehkraft, nahm ich wahr, dass sich Remus regte. Eine Welle der Erleichterung durchfuhr mich und ich spürte wie das Schutzschild um meinen Körper zu explodieren drohte oder noch besser gesagt, dass ich zu explodieren drohte und mein Schild nicht ansatzweise in der Lage sein würde das aufzuhalten.
Fast blind, machte ich einen Satz und sprang gegen das Fenster. Ich merkte wie sich Scherbensplitter in meine Haut bohrten, aber das führte keineswegs zu einem neuen Schmerz. Der war sowieso schon überall. Ich rief den Wind zu mir, der mich so schnell wie irgend möglich zum See trug. Im Wasser angekommen, wurde ich noch schneller. Ich zweifelte stark daran, dass ich jemals auch nur ansatzweise so schnell gewesen war und dann explodierte ich. Es war als wäre eine Bombe hochgegangen, aber ich hörte noch immer nichts außer dieses unerträgliche Piepen. Mit der Druckwelle flog ich mehrere Meter in die Höhe und knallte gemeinsam mit dem Wasser zurück auf den See. Dabei brannte ich konstant weiter. Auch die Blitze schossen in alle Richtungen aus meinen Händen und Füßen.
Ich konnte nicht sagen, wie lange sich mein Körper entlud, aber als es vorbei war und ich mich an die Oberfläche treiben ließ, war es bereits dunkel. Die Sterne standen am Himmel und leuchteten hell. Auch der Mond, fast rund, stand dort und erinnerte mich mit einem Schlag daran, was ich gespürt hatte. Ich hatte nicht geahnt, dass ich so etwas erspüren konnte.
Ungläubig schwamm ich ans Ufer und holte aus meinem Versteck die Phiole mit dem Grassus-Trank. Ich hatte es im Sommer vorsichtshalber hier versteckt, schließlich brauchte ich es eigentlich nur dann, wenn ich die Kontrolle verlor und dabei schaffte ich es bisher, glücklicherweise, immer bis zum See.
Ich setzte mich im Schutz eines Felsen, sodass man mich, wenn man von Richtung des Schlosses kam, nicht direkt sehen konnte, auf den Boden.
Keine fünf Minuten später landete eine Eule neben mir. Ich riss den Umschlag auf, den sie mir gebracht hatte:
Lina,
Geht es dir gut?
Albus
Ich drehte die Karte um und schrieb mit den Fingern und etwas Schlamm das Wort „JA" auf die Rückseite, bevor ich sie der Eule wieder übergab. „Bring das zurück zu Albus Dumbledore."
Ich beobachtete wie der Mond von einer zur anderen Seite des Nachthimmels wanderte und wie die Sonne langsam aufging und alles in dämmriges Licht hüllte.
Der gesamte See glitzerte als würde er aus Diamanten bestehen.
Irgendwann war auch mein Hörsinn wieder aufgetaucht, aber dieser hohe Ton war noch nicht vollständig verschwunden.
Auch die Schmerzen waren nicht weg, sie waren viel schwächer geworden, aber bis sie ganz verschwinden würden, würde ich noch etwas Geduld haben müssen, aber das war in Ordnung. Remus lebte und ich hatte nicht ganz Hogwarts in die Luft gejagt.
Da waren Schmerzen ein geringer Preis, den ich nur zu gern dafür bezahlte.
Was wäre passiert, wenn ich es nicht geschafft hätte? Wenn Remus gestorben wäre?
Erst als meine Finger sich, ohne dass ich es gemerkt hatte, um meine Kette geschlungen hatte, spürte ich wie die Tränen über mein Gesicht liefen. Die Kette schickte aber eine Ruhe aus und ich versuchte mich auf sie konzentrieren, während ich langsam und bedacht atmete.
Ich durfte nicht daran denken, was alles hätte passieren können. Ich musste mir ins Gedächtnis rufen, dass Remus lebte. Er hatte sich bewegt.
Ich begriff nicht sofort, dass es wirklich Remus war, der sich neben mich auf den Boden setzte, weil ich dachte, dass ich es mir nur einbildete. Doch er war es wirklich.
Remus lächelte mich leicht an und steckte das Pergament, das er gerade zusammengefaltet hatte, in die Tasche seines Umhangs. „Hallo, Lina."
„Wie geht es dir? Geht's dir gut?" Die Fragen sprudelten nur so aus mir heraus. „Ist alles in Ordnung? Darfst du überhaupt hier sein? Müsstest du nicht noch im Krankenflügel liegen? Weiß Poppy, dass du hier bist?"
„Mir geht es gut. Mehr als gut. Mir geht es blendend!", versicherte er. „Ich frage mich aber wie es dir geht. Das ist die viel wichtigere Frage."
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