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Einige Wochen später machte ich mich auf den Weg in den Krankenflügel. Keiner der Rumtreiber hatte sich blicken lassen und Remus hatte sich gestern nicht wohl gefühlt. Ich hatte in ihrem Zimmer nachgesehen, aber dort war keiner, weswegen ich schauen wollte, ob sich sein Zustand verschlechtert hatte.
„Geht schlafen!", hörte ich Gonnies laute Stimme. „Wenn sich etwas an seinem Zustand ändert, dann informiere ich euch unverzüglich."
„Nein, wir bleiben!", schrie Sirius mit lauter, aber zitternder Stimme zurück.
„Ich habe alles getan, was in meiner Macht stand.", erklärte Poppy und ich konnte in ihrer Stimmlage hören, dass sie sich Mühe gab, nicht zu weinen. Das hatte ich schon einmal erlebt. Um das zu erreichen, musste sich jemand in einem lebensbedrohlichem Zustand befinden und wenn Sirius deswegen aufgebracht war, musste es einer der Rumtreiber sein. „Jetzt bleibt uns nur noch zu warten und zu hoffen, dass er aufwacht."
Ich spürte wie das Eis sich um mein Herz schloss und sich ausbreitete. Ich konnte es laut, aber unnatürlich langsam schlagen hören. Meine Hand schloss sich um den Türgriff, der sofort von Eis bedeckt war.
Keiner achtete darauf, dass die Tür aufschwang und ich zum Bett trat, bis ich direkt davorstand. Ich spürte wie eine Träne aus meinem Augenwinkel lief und augenblicklich gefror. „Was ist mit ihm?"
Remus lag auf dem weißen Bett, von der sich seine Haut nicht abzuheben schien, so bleich war er. Überall waren Verbände oder Salben aufgetragen. Es klebte auch noch Blutreste an seinem Körper, als hätte man versucht ihn so schnell zu säubern, dass man Stellen übersehen hatte. Er bewegte sich nicht. Überhaupt nicht. Ich konnte nicht einmal erkennen, ob er atmete.
Ich wartete nicht auf eine Antwort, sondern ließ mich neben ihn auf die Knie fallen. Ich hörte wie der Boden bei jedem Schritt unter mir knirschte. Alles was ich anfasste, verwandelte sich in Eis.
„Er war im verbotenen Wald und wurde angegriffen.", erklärte mir Gonnie.
Entsetzt starrte ich sie an und schaute anschließend zu Poppy: „Wird er wieder gesund?"
„Er muss!", brüllte James und erst jetzt nahm ich die drei anderen Rumtreiber wahr. Auch sie sahen mitgenommen aus und hatten Wunden am gesamten Körper, aber sie alle standen noch.
Poppy antwortete nicht gleich, aber ich wusste genau was ihr Schweigen zu bedeuten hatte. Sie log niemals, wenn es um medizinische Fragen ging. Wenn sie die Frage nicht sofort bejahte, sei es auch mit einem anschließenden aber, dann sah es gar nicht gut aus. Sie hatte Angst, dass er es nicht überleben würde.
„Es sieht nicht gut aus.", antwortete sie endlich. „Aber er kann es schaffen. Wir müssen abwarten. Ich habe alles getan, was ich kann. Es war eben auch ein Heiler aus dem Sankt Mungos da. Er hat ihn untersucht, aber meinte, dass sie auch nicht mehr machen können, als ich hier tun kann..."
„Jetzt geht!", befahl Gonnie. „Geht etwas essen oder schlafen. Mister Lupin braucht Ruhe und ihr auch."
„Wir bleiben!", knurrte Sirius und auch ihm liefen die Tränen über die Wangen.
Gonnie seufzte und sagte noch etwas, aber ich hörte ihr nicht mehr zu. Stattdessen umschloss ich Remus Hand mit meinen und beugte mich mit dem Kopf so weit runter, dass mein Nasenrücken auf meiner Hand auflag. Ich schloss die Augen und versuchte ganz ruhig zu atmen. Ein und wieder aus. Der Schmerz glitt sofort in mich über und schien mich von innen heraus zu zerreißen, aber ich löste mich nicht von ihm. Ich blieb bewegungslos knien und nahm noch mehr in mir auf. Ich drang immer tiefer in seinen Schmerz hinein und suchte nach dem Auslöser. Es war als würde ich durch seinen Körper fahren und jeden Schmerz, jede Verletzung mit mir ziehen. Ich konnte spüren, wie die Wunden sich schlossen, doch gleichzeitig fühlte ich sie auf meinem eigenen Körper. Mir war bewusst, dass sie nicht wirklich da waren. Ich hatte keine klaffende Wunde an meinem unteren Rücken, doch trotzdem fühlte es sich so an. Der Schmerz durchzog jede Faser meines Körpers und mein Inneres glühte. Vage nahm ich den Geruch von Feuer wahr, aber es war mir egal. Vielleicht stand ich in schon in Flammen, aber ich achtete nicht darauf. Wenn es so war, dann war es eben so. Das hier war wichtiger. Es fehlte nicht mehr viel und ich hatte ihn von allem befreit, als ich gegen etwas stieß. Es war als wäre ich gegen eine unsichtbare Mauer gerannt, die mich zurückschleuderte. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte durchzudringen. Wenn ich es dahin schaffte, dann könnte ich ihn retten. Dort war der zentrale Punkt. Wenn ich dort reinkam, dann würde er wieder aufwachen.
Ich spürte wie mein Körper vor Anstrengung zitterte. Das Feuer loderte in mir und durchsetzte meinen Körper mit Blitzen. Es fühlte sich an, als würde ich keine Luft mehr bekommen. Vielleicht bekam ich sie auch wirklich nicht mehr. Ich wusste es nicht, aber dann schaffte ich es. Die unsichtbare Mauer zerbarste und ich war im Zentrum seines Schmerzes. Ich hatte es noch nie soweit geschafft. Immer hatte ich vorher aufgehört. Die Flutwelle an Schmerz, Trauer und Wut warf mich zurück. Ich landete drei Meter hinter mir als mein Körper gegen die Wand krachte.
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