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Am nächsten Vormittag war Poppy noch immer nicht da. Die Vorhänge waren noch immer zu und ich langweilte mich zu Tode, aber ich hatte ihr versprochen das Bett nicht zu verlassen.
Als ich schon kurz davor war doch noch aufzustehen, schlüpfte Lily durch die Abtrennung. „Na, wie geht's dir, Lina?"
„Jetzt direkt viel besser!", antwortete ich. „Was machst du hier?"
„Ich hab mir Sorgen um dich gemacht.", berichtete sie. „Was hast du denn? Black meinte du hättest Fieber."
„Nein, also ja... Mir geht es wirklich gut. Ich müsste auch gleich entlassen werden. Das Fieber ist schon lange weg."
Lily legte ihre Hand auf meine Stirn. „Ja, stimmt. Du siehst auch wirklich fit aus."
„Ich habe auch doppelt so lange geschlafen als sonst!", sagte ich lachend und verdrehte die Augen. „Hast du Remus gesehen? Wie geht's ihm?"
„Ich bin eben an seinem Bett vorbeigelaufen, aber der schläft noch."
„Ja, ich glaube das hat er wirklich nötig. Der sah gestern vollkommen fertig aus..."
Lily nickte und setzte sich auf mein Bett. „Ja, aber der ist morgen wieder auf den Beinen. Schon seit dem ersten Jahr in Hogwarts ist er immer wieder mal krank, aber nach ein, zwei Tagen ist es wieder gesund."
„Wirklich?", fragte ich verblüfft. „Das ist mir gar nicht wirklich aufgefallen... aber stimmt, jetzt wo du es sagst..."
Sie nickte. „Ah, schon wieder ganz vergessen! Ich habe dir etwas mitgebracht!" Lily griff in ihre Tasche und reichte mir ein in eine Serviette umwickeltes Sandwich. „Du hast doch bestimmt Hunger!"
„Und wie!", rief ich mit großen Augen. „Danke! Du bist meine Rettung!"
„Das habe ich mir gedacht!", erwiderte sie und lachte kurz auf, doch das Lachen erreichte ihre Augen nicht.
„Was ist los, Lily?", fragte ich und ließ das Sandwich sinken, noch bevor ich einen Bissen genommen hatte. Das musste warten.
„Was soll los sein?", fragte sie. „Willst du nicht essen?"
„Erst wenn du mir verrätst, was los ist."
„Es ist gar nichts los. Wenn dann ja wohl eher bei dir, wenn du auf das Essen verzichtest!"
„Ich verzichte nicht auf das Essen, ich setze es nur nicht als erste Priorität, wenn ich sehe, dass es dir nicht gut geht."
„Wie kommst du denn darauf?"
„Ich sehe es dir an." Jetzt sah ich es ganz deutlich. Ihre Augen waren rot, als hätte sie vor nicht allzu langer Zeit geweint. „Versuch nicht mir weißzumachen, dass es dir gut geht. Du bist traurig oder verletzt. Ich will wissen warum."
Lily schüttelte den Kopf, aber versuchte nicht mehr das falsche Lächeln aufrechtzuhalten.
„Wen soll ich kalt machen?", fragte ich mit einem kleinen Grinsen. „Ich mache alle fertig, die dir weh tun!"
Sie kicherte leicht. „Wie machst du das?"
„Was mache ich denn?"
„Du bist immer gut gelaunt!"
„Nicht immer.", erinnerte ich sie.
Sie verdrehte ihre Augen. „Bis auf das eine Mal. Das zählt nicht! Sonst hast du immer gute Laune. Du lachst, machst Witze und steckst jeden damit an, egal wie schlecht es einem geht! Wie?"
„Wie schlecht geht es dir denn?", fragte ich und versuchte das Thema wieder in diese Richtung zu lenken.
Lily seufzte. „Es ist nicht so schlimm..."
Als sie nicht weitersprach, hakte ich nach: „Aber schlimm genug, um dich zum Weinen zu bringen."
„Woher- Sieht man mir das so sehr an?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Nicht unbedingt, aber wenn man darauf achtet, dann ja. Sorry."
„Du kannst ja nichts dafür.", beschwichtigte sie mich. „Ich mache mir Sorgen..."
„Sorgen um was?", fragte ich und fügte mit einer Ahnung hinzu: „Oder sollte ich lieber fragen, Sorgen um wem?"
„Verdammt, du bist gut!" Lily seufzte. „Es geht um Severus."
Ich richtete mich blitzartig auf. Das würde zu einem ernsten Gespräch werden. In den letzten Wochen hatte ich immer wieder gespürt, dass es zwischen den beiden kriselte. Lily hatte Angst davor, dass Severus sich in der schwarzen Magie verlöre.
„Er hat den falschen Umgang... Ich sage ja gar nicht, dass alle in Slytherin böse sind oder so etwas, aber es ist nun mal eine Tatsache, dass es das Haus ist, dass die meisten dunklen Zauberer hervorgebracht hat und Sev war schon immer von diesen Kräften fasziniert..."
Ich griff nach Lilys Hand und drückte sie leicht. „Ja, ich weiß, was du meinst..."
„Ich habe versucht mit ihm darüber zu reden, aber er streitet es nur ab... Aber ich sehe es doch! Ich verliere ihn, Lina. Ich spüre das."
In ihren grünen Augen sammelten sich die Tränen und ich nahm sie jetzt ganz fest in die Arme. Tröstend strich ich ihr über den Rücken. „Ich weiß, dass du das jetzt nicht hören willst, aber du hast alles getan, was du konntest, Lily. Du warst ihm eine Freundin, hast versucht mit ihm zu reden, hast versucht ihn zu warnen, dass er auf die falsche Bahn gerät... Du hast alles getan. Mehr geht nicht. Wenn er nicht damit aufhören kann... nicht aufhören will, dann wirst du ihn nicht aufhalten können. Er muss seinen eigenen Weg finden und das heißt ja nicht, dass er verloren ist. Vielleicht bemerkt er es ja selbst noch. Du musst jetzt auch auf dich aufpassen. Es bringt nichts, um ihn zu kämpfen, wenn er gar nicht gerettet werden will. Das funktioniert nicht. Es ist schwer Freunde zu verlieren und zusehen zu müssen, wie sie in den Abgrund fallen, aber es wäre noch schlimmer, wenn er dich mit in den Abgrund zieht... Und ich sage nicht, dass es so kommen muss. Vielleicht merkt er es ja noch und wenn er das tut, wenn er begreift, dass das nicht der richtige Weg ist, dann kannst du dir immer noch überlegen, ob du ihm helfen sollst. Du kannst ihm aber nur helfen, wenn er deine Hilfe auch will. Wenn er sie nicht will, dann schadest du nur dir selbst damit."
„Wieso bist du eigentlich so weise?", fragte sie. „Du bist jünger als ich!"
Ich lachte auf. „Ja, aber auch nur drei Monate!"
„Trotzdem!", rief sie lachend und verschränkte die Arme vor der Brust. „Das ist nicht fair!"
„Es ist immer einfacher Lösungen für Probleme zu finden, wenn es nicht die eigenen sind...", murmelte ich und schluckte die Angst, die ich empfand herunter. Stattdessen fing ich an zu lachen und ließ mich wieder nach hinten auf mein Bett fallen. „Kannst du dir vorstellen, dass ich gerade wirklich Lust habe zu lernen?"
„Du willst nur nicht mehr hier liegen!", erwiderte sie und stimmte in mein Lachen mit ein.
„Da könnest du recht haben.", gestand ich und biss nun endlich von meinem Sandwich ab.
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