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Als ich am nächsten Tag aufwachte, hörte ich es knirschen. Ich schlug die Augen auf und stellte fest, dass mir weiß-blaue Haare ins Gesicht fielen. Das erklärte, woher das Knirschen kam. Ich richtete mich auf und tatsächlich: auf meiner Haut lag eine dünne Eisschicht, aber mein Bett und der Boden im näheren Umfeld waren mit deutlich mehr Eis bedeckt. „Scheiße.", fluchte ich und bemerkte wie mir die Tränen über die Wangen flossen und sofort einfroren.
Ich griff nach meiner Kette und versuchte an was Schönes zu denken, musste aber nur noch stärker weinen. Ich hatte an meine Freunde denken wollen, aber waren sie denn wirklich meine Freunde? Wenn sie mehr auf Gerüchte vertrauten als mir? Sie hatten sich zwar gestern entschuldigt, aber sie hatten sich nicht entschuldigt, weil sie gemerkt haben, dass sie falsch lagen, sondern nur weil sie erkannt haben, dass ich das Recht hätte mit Aberforth rumzumachen, wenn ich das wollte. Was total lächerlich war. Aberforth war quasi mein Onkel!
Eins musste ich aber zugeben: Trauer war besser als Wut. Eis war nicht ganz so gefährlich wie Feuer.
„Lina!", rief Gonnie und lief lächelnd zu mir. „Wie schön! Du bist traurig!"
Ich lachte auf. „Wer hätte gedacht, dass du dich mal darüber freuen würdest!"
Sie lachte mit mir mit. „Stimmt, aber dein Lachen zu hören, finde ich noch viel besser! Ich hatte Angst, dass du..."
„Dass ich nie wieder was fühlen könnte, ich weiß." Ich lächelte sie an.
„Du kannst es schneien lassen?", fragte sie und zeigte in die Luft. Tatsächlich schwebten wunderschöne Eiskristalle um uns herum.
„Scheinbar. Das habe ich noch nie gemacht!", stellte ich fest und versuchte lachend eine aufzufangen. Sie landete auf meiner Hand und dadurch, dass diese selbst von Eis bezogen war, schmolz sie nicht. „Schneeflocken sind wunderschön."
„Ja, das stimmt!", gab mir Gonnie recht. „Die Haare stehen dir."
Lachend nickte ich. „Ich weiß! Das habe ich schon immer geliebt. Es war zwar immer ein Zeichen dafür, dass ich die Kontrolle verloren hatte, aber es sieht schon cool aus. Du müsstest mal die roten sehen! Manchmal stehen sie dabei wirklich in Flammen."
„Wirklich?"
„Ja, aber sie verbrennen nicht. So wie ich auch nicht." Ich zuckte mit den Schultern und stellte fest, dass das Eis langsam verschwand. Ich bekam meine Gefühle wieder unter Kontrolle.
Als das Eis vollständig weg war, setzte sich Gonnie auf mein Bett. „Willst du darüber reden?"
„Nein, eigentlich nicht.", antwortete ich. „Aber ich sollte es wohl erklären. Albus wird es wissen wollen und ich erzähle lieber dir, was der Auslöser war, als ihm."
„Ja?", fragte sie und zog die Brauen hoch. „Ich bin ganz Ohr und kümmere mich darum, dass du nicht mit Albus darüber reden musst."
„Danke." Ich schnaubte. „Das ist so dumm. So lächerlich!"
Sie drängte mich nicht dazu weiterzusprechen.
„Ich war bei Aberforth als ich in Hogsmeade war... und scheinbar wurden wir dabei beobachtet, wie wir uns verabschiedet haben. Wir haben uns umarmt, mehr nicht! Es kann sein, dass er mir einen Kuss auf die Stirn gegeben hat oder so, ich bin mir nicht sicher, aber so ist vermutlich das Gerücht entstanden, dass ich..." Ich schluckte. Es fiel mir schwer das auch nur auszusprechen. Ich lachte kurz und schüttelte dabei den Kopf. „Das ist so lächerlich! Es wurde verbreitet, dass ich dabei gesehen wurde, wie ich mit Aberforth rumgemacht habe. Angeblich haben auch meine Freunde uns zusammen gesehen."
Gonnie schwieg, aber ich sah die Überraschung in ihren Augen und auch, dass sie sich alle Mühe gab nicht zu lachen.
„Lach ruhig.", erlaubte ich ihr, was sie dann auch tat und ich gleich mit. „Es ist einfach so dumm! Ich bin froh, dass du darüber lachst! Als sie mir das sagten, musste ich auch lachen. Allein die Vorstellung!"
„Aber wenn du es quasi lustig fandest, warum..."
„Ich war nicht wegen des Gerüchtes wütend. So etwas passiert nun mal.", erklärte ich. „Ich war wütend, weil ich dachte, dass sie wirklich meine Freunde seien. Sie haben es einfach geglaubt. Sie haben mich nicht gefragt, was an diesem Gerücht dran ist. Sie haben nicht nach meiner Sicht der Dinge gefragt, sondern sind einfach davon ausgegangen, dass es stimmt. Sie gaben nicht einmal die Chance es ihnen zu erklären. Das hat mich verletzt und unfassbar wütend gemacht. Sie hätten mit mir sprechen sollen!"
„Ich weiß, was du meinst, Lina.", stellte sie fest und legte ihre Hand auf meine Schulter. „Aber ich glaube, dass du es ihnen auch nicht sehr einfach gemacht hast. Ich will nicht sagen, dass du Schuld daran trägst, aber du hast ihnen nie etwas erzählt von deiner Beziehung zu Aberforth... Sie hätten mit dir reden sollen, aber wenn sie dich wirklich mit ihm gesehen haben und andere erzählt haben, dass sie euch gesehen haben, wie ihr... rumgemacht... habt, dann verstehe ich auch, dass sie dachten, dass es stimmen könnte. Du hast nie von ihm erzählt. Du hast ihnen nicht gesagt, dass du ihn besuchen möchtest und du musst zugeben, dass Aberforth nicht gerade dafür bekannt ist zu... Naja, das klingt jetzt harsch, aber Aberforth ist nicht dafür bekannt, nett zu sein und wenn sie dich jetzt gesehen haben, wie ihr euch umarmt und von anderen hören, dass ihr mehr getan habt und auch keine andere Erklärung kennen, warum ihr euch treffen solltet, dann..."
„Du hast wahrscheinlich recht.", begriff ich.
„Vielleicht solltest du mit deinen Freunden reden und die Situation aufklären.", schlug sie vor.
„Ich weiß nicht..." Ich runzelte die Stirn. „Ich will nicht, dass jeder weiß, dass Albus..."
„Was ist denn das Schlimmste was passieren könnte, wenn es jeder weiß?"
„Wenn sie es wissen, kommt vielleicht auch mehr ans Licht."
Sie sah mich mitfühlend an. „Es ist deine Entscheidung, Lina, aber weißt du, ich glaube tatsächlich, dass die Wahrscheinlichkeit, dass irgendetwas ans Licht gerät, was du nicht möchtest, größer ist, wenn du gar nichts erzählst. Wenn du ihnen aber einen Teil der Wahrheit präsentierst, dann sind sie zufrieden. Sie werden nicht versuchen es zu verstehen, weil sie nicht mehr das Gefühl haben, dass du ihnen etwas verheimlichst. Wenn du aber gar nichts sagst, dann werden sie versuchen mehr zu erfahren."
Ich gab es nur ungern zu, aber sie hatte recht. Ich sollte es ihnen erzählen.
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