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Wir übten in dieser Stunde selbstständig einen Zauber, den ich schon letzte Stunde beherrschte. McGonagall half den Schülern, die es noch nicht geschafft hatten.
Als die Stunde vorbei war, war ich schon aufgestanden, um zu gehen, als McGonagall rief: „Miss Springer, bleiben Sie bitte noch einen Augenblick."
Ich setzte mich wieder und wartete auf das, was sie mir zu sagen hatte.
Als alle weg waren, kam sie auf mich zu und bückte sich vor mir. „Lina?"
„Ja?"
„Miss Evans kam eben und meinte, dass sie sich große Sorgen um dich macht. Sie hat Angst, dass etwas nicht stimmt. Was ist los?"
„Alles okay."
Sie sah mich eindringlich an und schüttelte den Kopf. „Es ist nichts okay. Miss Evans hat recht. Irgendwas stimmt nicht mit dir. Ich sollte wohl Albus holen."
„Ok."
„Bleib hier. Ich bin gleich wieder da.", befahl sie.
„Ok."
Wenige Minuten später kam sie mit Dumbledore zurück. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass irgendetwas nicht stimmt. Was ist passiert, Lina?" Er stand nun direkt vor mir und schaute mir in die Augen. „Was ist los?"
„Alles okay."
„Oh Merlin!", stieß er aus und nahm mein Gesicht in seine Hände. „Sag mir, dass das nicht wahr ist, Lina! Sag mir, dass du nicht so leichtsinnig warst!"
„Was ist los, Albus?", fragte McGonagall und warf sich die Hand aufs Herz.
Er schüttelte den Kopf. „Wie konntest du das tun, Lina?" Er griff nach meiner Tasche, die ich auf den Tisch gelegt hatte, und öffnete sie. Er brauchte nicht zu suchen, die Flasche fand er sofort. „Du hast es wirklich getan! Warum?"
„Was ist das, Albus?", fragte McGonagall mit einem ängstlichen Blick.
„Das ist der Motus Liberi Trank.", erläuterte er.
McGonagall entfuhr ein kurzer Schrei. „Aber... Der..."
„Wieso hast du ihn genommen, Lina?", wollte er wissen.
Ich zuckte mit den Schultern. „Es war die einzige Möglichkeit."
„Die einzige Möglichkeit wofür?"
„Niemanden in Gefahr zu bringen."
„Mit diesem Trank bringst du DICH in Gefahr!", schrie er.
„Ist doch egal.", meinte ich und zuckte erneut mit den Schultern.
„Das ist gar nicht egal!", schrie er. „Du weißt doch, wie gefährlicher dieser Trank ist! Der hätte dich töten können! Das hat er schon mal fast, wenn du dich erinnerst!"
„Ist doch egal.", wiederholte ich. „Dann sterbe ich eben."
„Wo hast du den her?", wollte er wissen. „Den hat dir ganz sicher nicht Poppy gegeben!"
„Ich habe die Zutaten aus Slughorns Vorräten gestohlen."
„Wann hast du ihn genommen?"
„Vor ungefähr zwei Stunden."
Dumbledore richtete seine Brille und schüttelte ungläubig den Kopf. „Komm mit, wir bringen dich in den Krankenflügel. Der Trank braucht einen Tag, um deinen Körper wieder zu verlassen."
Dort angekommen, legte ich mich in eines der Betten und sie gaben mir einen Schlaftrank, ohne daran zu denken, dass die meisten Tränke durch den Motus Liberi Trank momentan keine Wirkung hatten.
„Wird sie dann wieder die Alte?", fragte McGonagall, als sie dachten, dass ich schlief.
Dumbledore seufzte. „Hoffentlich. Es könnte aber auch passieren, dass der Trank ihre Gefühle vollständig zerstört hat und dass sie nie wieder etwas fühlen kann."
„Oh Merlin!"
„Ich hoffe, dass es nicht passiert ist.", fügte Dumbledore hinzu. „Lina ist stark. Ihre Eltern haben ihr dieses Gift jahrelang gegeben und es ist nicht passiert."
„Was? Ihre Eltern?", fragte McGonagall entsetzt.
Dumbledore nickte. „Ja, sie haben ihr das Zeug jeden Tag gegeben. Seit sie von ihren Kräften erfahren hatten und du weißt, wie früh sie sich manifestieren."
„Ja, aber... Wenn sie das immer bekommen hat, dann... Ihre Eltern sind für Lina... Also... Sie hat nie sentimental über sie geredet, aber das heißt ja, dass... also..."
„Dass sie keinerlei emotionale Bindung zu ihnen hat.", vervollständigte Dumbledore ihren Satz. „Richtig. Sie hat weder positive noch negative Gefühle für ihre Eltern. Sie hatte die ersten sechs Jahre ihres Lebens keinerlei Gefühle. Ihre Erinnerungen daran sind quasi so, als hätte sie eine hundertprozentig neutrale und objektive Biographie gelesen. Keine emotionale Bindung. Kein Erlebnis der Freude oder Trauer. Nichts."
„Wie furchtbar!"
„Ja, das ist es.", stimmte er ihr zu. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass irgendjemand diesen Trank freiwillig trinkt und vor allem nicht Lina."
„Sie muss Angst gehabt haben jemanden zu verletzen, wenn sie das getan hat, oder?", überlegte McGonagall laut.
„Ja, unglaublich große Angst. Angst hat sie immer davor gehabt, seit ihre Mutter..."
„Ich weiß."
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Tatsache, dass sie zu dieser Zeit noch immer Reste von dem Trank im Blut hatte und sie dadurch nichts dabei empfand, noch mehr zu schaffen macht. Es war nicht ihre Schuld, aber sie gibt sich selbst die Schuld, vor allem, weil sich nicht wirklich schuldig fühlte. Verstehst du? Ihre Mutter war quasi eine fremde Person, obwohl Lina wusste, dass es ihre Mutter war und dass sie sie lieben sollte, konnte sie das nie. Sie war nicht in der Lage zu lieben oder zu hassen. Und jetzt weiß sie glaube ich nicht, was sie für ihre Eltern empfinden soll. Sie lieben, weil es ihre Eltern sind? Sie hassen, wegen dem was sie ihr antaten? Und die Tatsache, dass ihre Mutter durch Lina gestorben ist, macht es nicht einfacher, aber während es geschehen ist, hat sie das erste Mal überhaupt in ihrem Leben, etwas fühlen können. Es muss ein Schock gewesen sein. Stell dir vor, du hättest nie etwas gespürt und plötzlich überfällt es dich..." Dumbledore seufzte. „Ich weiß es nicht. Sie wollte nie mit mir darüber sprechen."
„Kannst du ihr das übel nehmen?"
„Nein, natürlich nicht, aber vielleicht wäre es besser ."
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