Kapitel 17: Der tätowierte Mann
So saß ich auf dem kalten Boden, starrte zur Tür, in der Hoffnung mir würde ein Weg einfallen diesem Gefängnis zu entfliehen. Meine Waffen wurden mir genommen. Meine Maske. Sogar die Schlüssel hatte ich nicht mehr, denn sie steckten noch in der Tür von Maggies Zimmer. Es war hoffnungslos. Der fensterlose Raum ließ keinen einzigen Hoffnungsschimmer durch.
Stunden vergingen und alles was ich tun konnte, war nachzudenken. Über alles. Doch eine Frage ließ mich die ganze Zeit über nicht los. Was hatte der Joker vor? Wofür brauchte er mich? Ich wusste, dass ich diese Antwort bald bekommen würde. Auch wusste ich, dass es böse enden würde.
Mit einem lauten Quietschen ging die Tür plötzlich auf. Ein Mann, dieses Mal einer ohne Maske, stand im Türrahmen. Er war vielleicht um die 40 Jahre alt, hatte eine Glatze und einen dürren Körperbau. Er passte hier gar nicht rein. Er sah eher aus wie der nette Nachbar von nebenan. Ich stand auf und blickte ihn fragend an.
"Ich werde dich zum Abendessen begleiten", sagte er mit einer ruhigen Stimme, mit der er locker ein Hörspiel hätte aufnehmen können. Sein Gesichtsausdruck war sanft.
"Ich muss deine Hände aber fesseln, bevor wir losgehen. Jetzt können wir uns nicht erlauben, dass du von hier verschwindest", sprach er in demselben Ton weiter.
Ich seufzte, aber entschied mich dazu, mich nicht zu wehren. Ich habe schon zweimal versucht zu entkommen, aber jedes Mal bin ich gescheitert. Ich fühlte mich ausgelaugt. Etwas Essen würde mir jetzt wirklich gut tun. Der Mann ging auf mich zu und legte mir Handschellen an. Anders als die anderen Männer hier, war er jedoch nicht agressiv. Vielleicht konnte ich ihn ein paar Sachen fragen, um meine Unklarheiten aus dem Weg zu räumen. Wir gingen gemeinsam durch das Gebäude, bis er eine Tür öffnete, die zu einer Art Kantine führte. Überall standen Tische mit Bänken aus Holz und am Anfang des Raumes war eine Essensausgabe. Die Kantine war ungefähr zur Hälfte gefüllt mit Menschen. Normalerweise würde es mir komisch vorkommen, eine Kantine in einem Geheimversteck zu haben, aber jetzt hatte ich Hunger und wollte es demnach nicht in Frage stellen.
Der Mann nahm ein Tablett mit Essen und setzte sich mit mir an einen Tisch. "Ich werde dir jetzt die Fesseln abnehmen. Versuch nicht einen Aufstand zu machen. Ich glaube du weißt selbst, dass du keine Chance hast", unterbrach er die Stille zwischen uns.
Er hatte Recht. Ich war deutlich in der Unterzahl. Ich nickte ihm zu, dann nahm er mir die Handschellen ab. Ich nahm das Plastik Besteck in die Hand und begann zu essen. Ich schaute mich um. Ein paar Tische vor mir sah ich ihn wieder.
Den tätowierten Mann.
Sein schwarzes Haar hing ihm in Strähnen im markanten Gesicht. Er starrte mich an. Wenn Blicke töten könnten, würde er mich in Stücke reißen. Ich fühlte mich wirklich unwohl. Dieser Mann könnte zu allem in der Lage sein. Und er hat es offensichtlich auf mich abgesehen. Ich legte Gabel und Messer beiseite und drehte mich zu dem älteren Herrn neben mir.
"Darf ich Sie etwas fragen?", fragte ich vorsichtig.
Der Mann überlegte kurz, antworte dann neugierig: "Sicher".
Ich schluckte. Es gab so viel was ich ihn fragen wollte. "Was wird mit Margaret Miller passieren? Sie wissen schon, die blonde Frau die hier festgehalten wird".
Ich beobachtete seine Gesichtszüge genau. Sein Gesichtsausdruck versteifte sich etwas. Er schien angespannt zu sein. Er leckte sich langsam über die Lippen. Nicht auf eine gruslige Art und Weise. Eher nachdenklich. "Ich dürfte es dir eigentlich nicht verraten. Aber ich schätze du bist jetzt keine Gefahr mehr...', begann er zögerlich.
Ich schaute ihn flehend an. Ich musste es einfach wissen. Auch wenn ich es wahrscheinlich nicht verhindern würde. "Ich bitte Sie. Sie ist meine beste Freundin. Ich könnte mit der Ungewissheit nicht leben. Ich werde hier noch verrückt", erklärte ich. Ich spürte wie mir Tränen in die Augen stiegen. Weinen war das letzte was ich jetzt wollte, aber mein Körper sah das wohl anders. Ich spürte wie ich einen Knoten im Hals bekam, also redete ich nicht weiter.
Der Mann seufzte. "Ich verstehe. Leider kann ich dir nicht sagen, was genau mit deiner Freundin passieren wird. Es wird noch besprochen, was die Zuständigen als nächstes machen werden. Gerade steht im Gespräch sie einfach hier zu behalten und einen Nutzen für sie zu finden. Wenn man sich aber auf keinen Nutzen einigen kann, wird sie...", er hörte auf zu reden, ohne den Satz zu beenden. Es fiel ihm offensichtlich schwer, mir das Naheliegende zu sagen. Doch ich wusste was er nicht aussprechen wollte. Ich wusste, sie würden sie umbringen.
"Scheiße", flüsterte ich. Ich war an einem Punkt angekommen, an dem ich völlig ratlos war. Wie sollte ich das denn verhindern?
"Glaub mir, ich wollte nicht derjenige sein, der es dir sagt. Aber wenn es dich beruhigt, wird sie noch ein paar Tage hier bleiben, das ist sicher", sprach er sanft auf mich ein. Es wunderte mich, dass hier überhaupt jemand empathisches Empfinden besaß. Ich brauchte einen neuen Plan. Ich hatte nur wenige Tage Zeit um Maggie und mich hier rauszuholen.
"Warum ist sie nicht hier? Sie muss doch auch was essen", fragte ich.
"Brice ist für sie zuständig, so wie ich für dich zuständig bin. Er entscheidet wann es am besten ist wenn sie zum Essen geht", erklärte er mir.
"Wer ist Brice?", fragte ich neugierig. Ich war erstaunt, dass ich an so viele Informationen gekommen war. Und ich hoffte, dass es hier nicht enden würde.
"Das ist der junge Mann da hinten", sagte er, und zeigte auf ihn. Auf den tätowierten Mann, der mich heute angegriffen und erniedrigt hatte. Allein der Gedanke an ihn, ließ mich unbehaglich fühlen.
Jetzt hatte ich endlich einen Namen, den ich dem Gesicht zuordnen konnte. Brice. Warum musste ausgerechnet er für Maggie zuständig sein? Ich schaute Brice an. Wie er sein Essen aß. Ganz ruhig. Plötzlich sah er auf und erwiderte meinen Blick. Erschrocken schaute ich weg, auf mein Tablett. Ich schluckte schwer.
"Danke, dass Sie mir das alles gesagt haben", bedankte ich mich zögerlich bei meinem Nebensitzer. "Ich habe das nur gesagt, weil ich mir sicher bin, dass du keine Gefahr mehr bist", rechtfertigte er sich schnell. Dann schenkte er mir ein kaum wahrnehmbares Lächeln. Doch ich konnte es erkennen.
Ich widmete mich wieder dem Essen zu und aß zu Ende. Ich fühlte wie ich noch müder wurde, als ich davor war. Ich wollte mich nur noch hinlegen, schlafen gehen und alles vergessen. Ich wollte dem ganzen entkommen. Selbst wenn es nur wenige Stunden sind. Plötzlich hielt ich es nicht mehr in diesem Raum aus. Ich wollte nur noch alleine sein. "Können wir gehen?", fragte ich den Mann neben mir. Zu meiner Überraschung stellte er meine Bitte gar nicht in Frage, sondern stand auf und legte mir die Handschellen wieder an, bevor er mich aus dem gefüllten Raum heraus und zu meinem Gefängnis begleitete.
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