Kapitel 2

Schnell nahm ich mir ein paar Erdbeeren mit und verschwand aus dem Haus. Ich war zwar allergisch dagegen, aber so lange ich nicht zu viel aß, würde ich es schon überleben. Außerdem schmeckten sie so köstlich, dass ich nun mal nicht widerstehen konnte.

Der erste Tag nach den Sommerferien war bei mir immer der schlimmste. Selbst wenn ich tausend Wecker stellen würde, ich würde einfach alle ausschalten und weiter schlafen. Ich musste mich immer zuerst daran gewöhnen und aus dem Grund war ich heute auch spät dran. Ich wusste wirklich nicht, wie das funktionierte, aber nachdem ich ein paar Mal um die gleiche Uhrzeit aufgestanden war, hatte mein Körper immer angefangen, sich daran zu gewöhnen. Und in den Ferien war das eben immer etwas später gewesen als zur normalen Schulzeit. Deswegen musste ich meinem Körper erstmal die neue Uhrzeit antrainieren. Und das war verdammt hartes Training!

Ich wusste bereits, wo ich hinmusste, da wir unsere Stundenpläne schon vor einigen Tagen gemailt bekommen hatten. Die Leute, die allerdings neu waren oder ihre E-Mail-Adresse nicht angegeben hatten, mussten noch extra zum Sekretariat laufen.

Ich betrat das Gebäude und sah sofort die ganzen Schüler am Sekretariat stehen. Wie dumm musste man auch sein? Meine Güte. Hatte man denen das Hirn verbrannt, oder was? Der Direktor hatte uns alle extra mehrmals darauf hingewiesen, unsere E-Mail-Adresse abzugeben, aber nein.

Genervt über die Erkenntnis wollte ich gerade meinen Weg fortsetzen, als mir jemand auf die Schulter tippte. Wer zur Hölle sollte mich an einem Montag, nach den Ferien, ansprechen? Und dann auch noch an dem Tag, an dem ich verschlafen hatte. Das war wirklich kein guter Zeitpunkt, ganz und gar nicht.

Ich drehte mich missmutig um und ein Mädchen mit blonden langen Haaren und einem Lächeln auf den Lippen sah mich erwartungsvoll an. Bekannt schien sie mir nicht, daher ging ich davon aus, dass sie neu war. Ihr Glück! Sie konnte ja nicht wissen, wie ich tickte.

„Was?!", fragte ich genervt und sie schaute mich plötzlich überrascht an.

„Ich wollte fragen, ob du mir helfen kannst, den Raum zu finden?" Sie zeigte auf ihren Zettel und ich wusste genau, wo er war, nur leider interessierte es mich kein Stück. Zudem hatte ich auch keine Zeit. Hier waren hundert andere Schüler und ausgerechnet mich musste sie fragen? Der Tag konnte wohl nicht schlimmer anfangen.

„Warum fragst du mich? Nerv' doch jemand anderen!", gab ich patzig von mir und setzte dann meinen Weg zum Raum fort.

Hoffentlich ging sie nicht in meine Stufe, ich hatte echt keine Lust, Bekanntschaften zu finden, die ich sowieso nach der Schule nicht mehr haben würde. Für mich waren all diese Leute nur Bekanntschaften und keine Freunde.

Ich war mir sogar ziemlich sicher, dass die Hälfte der angeblichen Freundschaften auf dieser Schule sowieso zu Brüche gehen würde, sobald man die Schule verlassen hatte. Wozu gab man sich nur all die Mühe? Nur damit man dazugehörte? Konnte man heutzutage nicht mehr gemocht werden, indem man einfach man selbst war? Musste man sich wirklich verstellen, nur um nicht alleine zu sein? Bestand das Leben auf der Schule wirklich daraus sich anzupassen?

***

Die ersten Stunden waren bisher ganz normal verlaufen, es wurde besprochen, was wir alles vorhatten und was wir für Material brauchten. Immer wieder hatte ich aus dem Fenster geschaut, damit ich vor Langweile nicht einschlief. Stattdessen hatte der Himmel mich wieder ein wenig aufgeheitert, denn die Sonne lächelte mir glücklich zu, als wenn sie mir ein Zeichen geben wollte, dass ich nicht so schlecht gelaunt sein sollte. Und auf irgendeine Art und Weise hatte es funktioniert.

Außerdem beobachtete ich hin und wieder die Schüler, die die Schule verließen und diejenigen, die sie betraten. Bäume reihten sich um den ganzen Schulhof herum und wurden durch den Wind gezwungen sich zu bewegen. Auch die Büsche tanzten an diesem frischen Morgen mit den anderen mit.

Ich hatte die ganze Zeit also Frieden gehabt, bis ich wieder ein bekanntes Gesicht sah. Tyler betrat den Raum, in dem ich nun Unterricht hatte und ich seufzte verzweifelt. Ich hoffte wirklich, dass ich nicht viele Kurse mit ihm hatte. Wäre auch zu schön gewesen, wenn er sich plötzlich in Luft aufgelöst hätte, nachdem ich ihn gestern abgeschossen hatte.

Tyler konnte ich wirklich am aller wenigsten ertragen. Er war ein verdammter arroganter Vollidiot, dessen Job es anscheinend war, mir gehörig auf die Nerven zu gehen. Und diesen Job meisterte er wirklich fantastisch. Das war dann aber auch das einzige, was er konnte.

Tyler steuerte mit bösem Blick auf mich zu und ich legte sofort meine Tasche auf den Stuhl, um ihm zu verdeutlichen, dass er hier nicht willkommen war. Er blieb vor mir stehen, rollte mit seinen Augen und schmiss meine Tasche wieder auf den Boden. Das ging jedoch zu weit für mich.

„Bist du bescheuert?!", rief ich rasend und stand aufgebracht auf.

„Das gleiche könnte ich dich auch fragen! Was sollte die Scheiße gestern?" Ich grinste. Ging es ihm etwa immer noch schlecht wegen der Sache? Oh, eine Runde Mitleid.

„Ich habe doch gesagt, ich verfehle nie mein Ziel. Aber ganz ehrlich, da unten ist doch sowieso nichts, also hat es sicher nicht wehgetan. Du bist einfach eine Heulsuse." Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl und lehnte mich amüsiert zurück, während ich ein Bein über das andere schlug. Tylers Gesicht nahm einen leichten Rotton an, während ich die dünnen Adern an seinem Hals erkennen konnte, als er sich anspannte.

„Jetzt heb' meine Tasche auf, Heulsuse", provozierte ich ihn weiter und zeigte auf die Tasche, während er mich leicht nachdenklich anguckte.

„Oh, ist sie dir so wichtig? Hast du etwa deine Tage? Was passiert, wenn ich sie dir wegnehme? Die Peinlichkeit würde ich zu gerne erleben." Grinsend hob er meine Tasche wieder auf und hielt sie grinsend vor mir in der Hand. Er schlenderte mit ihr herum, doch ich machte keine Anstalten, mich auch nur ein bisschen zu rühren.

„Nur weil ein Mädchen dich nicht mag, denkst du direkt, sie hat ihre Tage? Dann müsste ich das ja schon mein ganzes Leben lang durchgehend haben." Ich verschränkte amüsiert meine Arme vor der Brust. „Und was passiert, wenn ich dir deine Schultasche wegnehme? Fällt dann dein Date ins Wasser, weil du kein Viagra mehr hast?", ergänzte ich und sah ihn grinsend an. Ich liebte es, ihn zu provozieren.

Bevor er jedoch antworten konnte, wurde ihm plötzlich die Tasche aus der Hand gerissen und das blonde Mädchen von vorhin überreichte sie mir lächelnd. „Ich denke, die gehört dir." Völlig fassungslos starrten wir beide sie an und ich nickte nur.

„Ja", erwiderte ich perplex und lächelte kurz, während ich meine Tasche entgegen nahm. Passierte das gerade wirklich, oder fing ich doch wieder damit an, mir gewisse Dinge einzubilden? Meine Güte, hoffentlich war ich wirklich nicht so seltsam.

„Jetzt verzieh dich endlich, Tyler. Wie du siehst ist der Platz schon besetzt", zischte ich und klopfte auf den Platz neben mir, während ich die Blondine ansah. Wütend blickten seine braunen Augen mich an, bevor er sich widerwillig eine Reihe vor uns niederließ.

„Was für ein Idiot", bemerkte die Blondine, was sie sofort ein Stück sympathischer machte. „Ich bin übrigens Emily." Sie setzte sich neben mich und lächelte.

„Madison." Komisch fand ich die ganze Situation schon, schließlich kannte ich das Mädchen erst ein paar Minuten und schon fand ich sie sympathischer als den Rest der Schule.

Nachdem der Unterricht dann endlich zu Ende war, verließ ich alleine den Raum und machte mich auf den Weg in die Cafeteria. Der Unterricht war still verlaufen, Emily hatte nichts gesagt und ich erst recht nicht. Sie wusste offensichtlich, dass ich keine Lust auf eine belanglose Unterhaltung während des Unterrichts hatte. Emily fing schnell an mich zu verstehen.

Ich setzte mich in der Cafeteria an einen der kleineren Tische und begann in Ruhe zu essen. Hin und wieder schauten ein paar Schüler zu mir rüber und ich war mir sicher, dass der Streit mit Tyler schon um die halbe Schule herumgegangen war. Es kam nicht oft vor, dass sich jemand mit mir anlegte, besser gesagt nie und ebenso selten kam es vor, dass sich jemand mit Tyler anlegte. Das war also wie gefundenes Fressen für die Tratschtanten.

Minuten später betraten Tyler und seine Gruppe die Cafeteria und ich bemerkte sofort, wie sie auf jemanden zusteuerten. Und dieser jemand war Emily. Tyler riss ihr die Tasche aus der Hand und ich seufzte nur. So ein Arschloch.

„Für wen hältst du dich eigentlich?!", fauchte der braunhaarige Vollidiot sie aufbrausend an. Sie schien eingeschüchtert zu sein und wusste wohl nicht, was sie sagen sollte. Und das, obwohl sie vorhin so taff war.

Ich hatte echt keine Lust, mich da einzumischen und erst recht nicht, wenn die Hälfte der Schule hier saß, aber da Emily mir geholfen hatte, musste ich das wohl auch tun, und Tyler zu ärgern hatte mir noch nie geschadet. Viel mehr hatte es mir meistens große Freude bereitet, ihm die Stirn zu bieten.

„Für wen besseres, als du es bist!", kam es nun aus mir und Tyler sah sofort zu meinem Tisch.

Er kam augenblicklich zu mir und ein paar weitere Vollidioten dackelten ihm hinterher. Ich hatte sie bisher eher selten bei Tyler gesehen, besser gesagt so gut wie gar nicht. Nur, wenn Tyler wieder jemanden ärgerte, dann waren sie immer dabei und standen ihm zur Seite. Ansonsten sah ich Tyler meistens mit anderen Schülern an einem Tisch sitzen, die ich allerdings nicht kannte. „Was hast du gesagt?"

Ich trank unbeeindruckt aus meinem Strohhalm und schaute ihn genervt an. „Für dich werde ich meine Worte sicher nicht nochmal wiederholen. Dafür sind sie viel zu kostbar."

Tyler ließ Emilys Tasche auf die Bank fallen und stützte sich an meinem Tisch ab. „Was denkst du eigentlich, wie du mit mir umgehen kannst?!" Sein braunes Haar fiel teilweise in sein Gesicht und seine Augen fixierten mich zornig.

„So, wie du es offensichtlich verdienst", antwortete ich knapp und er lachte kurz spöttisch auf.

„Denkst du etwa, du bist hier die Eiskönigin, die sich alles erlauben kann, oder was?" Ich grinste und stand auf, um mein Tablett wieder wegzubringen. Tylers Augen brannten förmlich auf mir und beobachteten mich bei jeder Bewegung. Er wartete anscheinend auf eine Antwort.

„Fällt dir nichts mehr ein, oder was?", fragte er plötzlich siegessicher, als ich gerade aus der Cafeteria gehen wollte. Ich drehte mich um, ging wieder auf ihn zu und hob Emilys Tasche von der Bank auf.

„Oh, ich dachte, das wäre eine Feststellung gewesen mit der Eiskönigin und keine Frage", gab ich zuckersüß von mir, zwinkerte Tyler zu und gab Emily die Tasche zurück, ehe ich mich auf den Weg zu meinem Kursraum begab.

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