Kapitel 3

„Sagt mal... Findet ihr nicht auch, dass Ahornstern sich in letzter Zeit extrem zurückhält?" Blutmondfalter sprach mit leiser Stimme, während er durch den verschneiten Wald schlich. Die Kälte war allgegenwärtig, doch sie hielt ihn nicht davon ab, seine Gedanken auszusprechen. „Ich meine, er kommt kaum noch aus dem Bau heraus – nur, um sich Beute zu holen."

Sicheltraum, die neben ihm ging, warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. „Jetzt, wo du es sagst... Ja, es ist mir auch aufgefallen. Früher war er viel präsenter, hat sich um alles gekümmert. Aber in den letzten Monden..." Sie ließ den Satz in der eisigen Luft hängen, als wollte sie die Schwere der Worte nicht voll aussprechen.

Traumfänger, der sich in sicherer Entfernung hinter den beiden hielt, stimmte ebenfalls zu. „Ich habe auch bemerkt, dass er immer öfter allein ist und weniger an den Clanversammlungen teilnimmt. Vielleicht ist es die Blattleere, die ihm zusetzt? Oder etwas anderes, das ihn belastet?" Seine Worte klangen besorgt, doch es war schwer zu sagen, ob es wirklich nur Sorge war oder ob sich bereits Zweifel in seinen Gedanken eingenistet hatten.

Blutmondfalter nickte langsam, seine Gedanken kreisten um das Verhalten ihres Anführers. „Vielleicht... Aber was, wenn es mehr als das ist? Ein Anführer sollte stark sein, besonders in solch schweren Zeiten. Doch Ahornstern wirkt... schwach, zögerlich." Die Worte schmeckten bitter, als er sie aussprach, doch er konnte den Gedanken nicht länger für sich behalten.

Sicheltraum zögerte einen Moment, bevor sie weitersprach. „Vielleicht sollten wir darüber nachdenken, ob es einen Weg gibt, ihm zu helfen. Wenn er so weitermacht, könnte das dem Clan schaden. Wir brauchen einen Anführer, der in dieser Blattleere nicht nur überlebt, sondern auch führt."

Traumfänger blickte zwischen den beiden hin und her, als versuchte er, ihre Gedanken zu ergründen. „Das klingt, als würdest du an seiner Fähigkeit zweifeln, den Clan zu führen, Blutmondfalter. Glaubst du wirklich, dass er schwach ist?"

Blutmondfalter hielt inne, seine Pfoten blieben im knirschenden Schnee stehen. „Ich will ihm nichts unterstellen. Aber wenn Ahornstern nicht bald wieder die Kontrolle übernimmt, dann muss jemand anders den Clan führen – jemand, der bereit ist, die nötigen Entscheidungen zu treffen." Seine Stimme war ruhig, doch in seinem Inneren brodelte etwas. Etwas Dunkles, das er selbst noch nicht ganz greifen konnte.

Sicheltraum schnaubte leise. „Vielleicht hast du recht. Es ist gefährlich, wenn die Führung schwankt. Aber wir müssen vorsichtig sein. Ein falscher Schritt und der Clan könnte in noch größere Gefahr geraten."

Die drei Krieger verstummten, als sie sich wieder auf die Jagd konzentrierten. Doch die Worte von Blutmondfalter hingen noch schwer in der Luft. Die Samen des Zweifels waren gesät, und es würde nicht lange dauern, bis sie Wurzeln schlugen.

Während sie durch den stillen, frostigen Wald zogen, dachte Blutmondfalter über die kommenden Tage nach. Ahornstern mochte ihr Anführer sein, doch wie lange noch? Wenn er weiter so schwach blieb, würde der Clan zerbrechen. Und Blutmondfalter würde nicht zulassen, dass das geschah – egal, was es kostete.

Die Patrouille führte ihre Jagd fort, die Kälte biss ihnen in die Pfoten, doch sie ließen sich nicht entmutigen. Blutmondfalter spähte konzentriert durch die schneebedeckten Büsche, seine Sinne geschärft auf jede noch so kleine Bewegung.

Plötzlich sah er eine Bewegung im Schnee. Eine Wühlmaus huschte zwischen den Wurzeln eines Baumes hervor und begann, unter der Schneedecke nach Nahrung zu suchen. Blutmondfalter senkte sich langsam in eine geduckte Position, sein Körper spannte sich an. Er schlich leise vorwärts, seine Pfoten kaum hörbar im Schnee. Mit einem gezielten Sprung landete er direkt auf der Wühlmaus, die keine Zeit hatte zu entkommen. Mit einem schnellen Biss tötete er sie, hob seinen Kopf stolz und vergrub die Beute im Schnee, um sie später zu holen.

Während Blutmondfalter die Wühlmaus sicherte, spähte Traumfänger in die kahlen Äste eines nahen Baumes. Dort saß eine Amsel, die sich nichts von der Patrouille unter ihr anmerken ließ. Traumfänger bewegte sich vorsichtig, seine Pfoten leise auf dem gefrorenen Boden. Er wartete geduldig auf den richtigen Moment, dann sprang er mit beeindruckender Geschwindigkeit hoch. Mit ausgefahrenen Krallen erwischte er die Amsel, die nur ein kurzes Zwitschern von sich gab, bevor sie in seinen Fängen verstummte. Zufrieden brachte Traumfänger die Amsel zu Blutmondfalter und Sicheltraum zurück.

Doch trotz ihrer Bemühungen blieb dies die einzige Beute, die sie an diesem Tag finden konnten. Der Wald war still, die Beutetiere schienen sich tief in ihre Verstecke zurückgezogen zu haben, um der beißenden Kälte zu entkommen. Die Blattleere war gnadenlos, und der Mangel an Nahrung ließ die Patrouille mit einem Gefühl der Unzufriedenheit zurück.

Als sie schließlich mit ihrer spärlichen Beute ins Lager zurückkehrten, war Blutmondfalter besorgt. Zwei Stücke Beute würden nicht ausreichen, um den Clan satt zu machen. Er wusste, dass sie bald mehr finden mussten, sonst würde der Hunger weiter um sich greifen. Während er die Beute ablegte und seine Gefährten ansah, wurde ihm klar, dass es immer schwieriger wurde, das Überleben seines Clans zu sichern.

Der Krieger verabschiedete sich von Traumfänger und Sicheltraum, nachdem sie ihre Beute im Lager abgelegt hatten. Er spürte die Müdigkeit in seinen Knochen, doch anstatt sich direkt zurückzuziehen, ließ er seinen Blick über das Lager schweifen. Als er an den Kriegerbau vorbei schritt, fingen seine Ohren ein leises Gespräch auf.

Mondkiesel, ein stattlicher blau-grauer Krieger, saß im Schatten eines Felsens und unterhielt sich gedämpft mit der schwarz-roten Kriegerin Abendlicht. Ihre Stimmen waren leise, aber die ernsten Mienen der beiden ließen keinen Zweifel daran, dass es sich um ein wichtiges Gespräch handelte.

Blutmondfalter verharrte unauffällig in der Nähe, seine Ohren gespitzt. „...und trotzdem habe ich das Gefühl, dass etwas nicht stimmt," murmelte Mondkiesel, seine Augen verengten sich, während er zu Abendlicht sprach. „Ahornstern hat sich in letzter Zeit so sehr zurückgezogen. Es ist, als wäre er nicht mehr wirklich bei uns."

Abendlicht nickte langsam, ihre orangenen Augen funkelten besorgt. „Ja, ich habe es auch bemerkt. Seine Entscheidungen sind unklar, und manchmal scheint es, als ob er einfach... abwesend ist. Wenn das so weitergeht, weiß ich nicht, wie lange der Clan noch stark bleiben kann."

Blutmondfalter spannte sich unwillkürlich an. Es war nicht das erste Mal, dass er solche Worte hörte. Die Zweifel an Ahornsterns Führung wuchsen nicht nur in seinem eigenen Herzen, sondern auch bei anderen Kriegern. Dies könnte der Anfang von etwas Größerem sein, dachte er, während er unauffällig weiterlauschte.

„Vielleicht sollten wir mit Opalschatten darüber reden," schlug Mondkiesel vor, seine Stimme war von Sorge durchzogen. „Er könnte Ahornstern unterstützen oder zumindest herausfinden, was los ist."

Die schwarz-rote Kriegerin seufzte leise und sah hinüber zum Anführerbau, wo Ahornstern sich seit dem Morgengrauen nicht mehr blicken lassen hatte. „Vielleicht... Aber es fühlt sich an, als ob es mehr braucht als nur Unterstützung. Wir müssen sicherstellen, dass der Clan in diesen schweren Zeiten stark bleibt."

Blutmondfalter zog sich leise zurück, bevor er weiter entdeckt werden konnte. Ihre Worte hallten in seinem Kopf wider. Es war klar, dass die Zweifel an Ahornsterns Fähigkeit, den Clan zu führen, wuchsen. Doch für Blutmondfalter stellte sich eine andere Frage: Was würde geschehen, wenn diese Zweifel zur offenen Rebellion führten? Und war es vielleicht Zeit, dass jemand anderes – jemand stärkeres – das Ruder übernahm? Was wäre wenn er, dieser jemand wäre..

Mit düsteren Gedanken wandte sich Blutmondfalter ab und ging zum Kriegerbau. Die Unruhe im Clan war spürbar, und er wusste, dass die kommende Zeit entscheidend sein würde – für alle.

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