Kapitel 1

Die Nacht lag schwer über dem schneebedeckten Wald. Die Blattleere war dieses Jahr besonders hart und kalt. Viele Katzen starben oder erkrankten, und noch nie war eine Blattleere so unerbittlich gewesen. Hunger, Krankheit und Tod herrschten über den Wald und schienen die Clans in ihrem eisigen Griff zu ersticken.

Ein dunkel schwarz-grauer Kater schlich durch den Schnee, auf der Jagd nach selten gewordener Beute. An seiner Seite trabte sein treuer Schüler, die Ohren gespitzt und die Augen aufmerksam. Ihre Pfoten knirschten leise im Schnee, während sie ihre Spuren hinterließen.

„Warum ist es so verdammt kalt?" murmelte der Schüler frustriert und plusterte sein schwarzes Fell auf. Seine giftgrünen Augen huschten umher, wachsam und zugleich erschöpft. Sein Atem bildete kleine Wolken in der eisigen Luft, die sofort verschwanden.

Der ältere Kater warf einen Blick auf seinen Schüler und seufzte. „Es ist die härteste Blattleere, die ich je erlebt habe. Aber wir müssen durchhalten. Der Clan zählt auf uns."

Der Schüler nickte zögernd, doch die Verzweiflung in seinen Augen war nicht zu übersehen. „Ich weiß, aber es fühlt sich an, als ob die Kälte nie enden wird. Als ob wir nie wieder Wärme und Fülle erleben werden."

Der Kater legte seinen Schwanz tröstend auf die Schulter des Schülers. „Der Winter wird irgendwann weichen. Wir müssen stark bleiben. Jeder Tag, den wir überleben, bringt uns näher an die Blattfrische."

Sie setzten ihren Weg fort, durch den frostigen Wald, in der Hoffnung, etwas Essbares zu finden. Die Kälte kroch unter ihr Fell, bis in die Knochen. Jeder Schritt schien schwerer als der vorherige, doch sie gaben nicht auf.

In der Ferne heulte der Wind durch die kahlen Bäume, als würde er die Verzweiflung und den Schmerz der Clans widerspiegeln. Aber inmitten dieser Dunkelheit, tief in den Herzen der Katzen, flackerte ein kleiner Funke der Hoffnung. Ein Funke, der sie daran erinnerte, dass nach jeder Blattleere ein neuer Blattfrisch kommen würde, egal wie lang und hart der Winter war.

Der Kater hielt inne und hob die Nase, um die Luft zu prüfen. Ein schwacher Geruch von Beute drang an seine Sinne. „Da vorne," flüsterte er und deutete mit dem Schwanz in die Richtung. „Bleib dicht bei mir und sei leise."

Der Schüler nickte und folgte seinem Mentor, seine Pfoten kaum mehr als ein Flüstern im Schnee. Die Jagd war nicht nur eine Notwendigkeit, sondern auch ein Training, eine Lektion in Überleben und Geduld. Gemeinsam setzten sie ihre Suche fort, entschlossen, den Clan durch diese dunkle Zeit zu führen.

Der ältere Kater sah auf, als sein Schüler sich niederkauerte, sein Körper sank ein wenig in den Schnee. Der Krieger beobachtete seinen Schüler genau, als dieser lospreschte und einen Hasen fing. Triumphierend hob der Schüler den Kopf. „Blutmondfalter, ich hab ihn!" rief er dem Krieger zu.

Stolz funkelte in den eisblauen und roten Augen des Kriegers. „Super gemacht, Giftpfote!" rief der Krieger zurück. Doch sofort spürte er, dass etwas nicht stimmte. Ein gefährliches Knirschen und kurz darauf ein lautes Knacken durchbrach die Stille der Nacht. Bevor Blutmondfalter reagieren konnte, versank Giftpfote im kalten Gewässer.

Panik durchfuhr den Krieger. „Giftpfote!" rief er und sprang hinüber, wo sein Schüler gerade eingebrochen war. Das Wasser war eisig und dunkel, der Schneefall verdichtete sich zu einem unbarmherzigen Sturm. Blutmondfalter kämpfte sich durch den Schnee, seine Pfoten rutschten und glitten auf dem gefrorenen Untergrund. Er konnte den leisen, verzweifelten Ruf seines Schülers hören, der unter der Oberfläche kämpfte.

Mit aller Kraft und Entschlossenheit erreichte Blutmondfalter die Stelle, wo Giftpfote eingebrochen war. Ohne zu zögern, tauchte er in das eiskalte Wasser. Der Schock der Kälte raubte ihm fast den Atem, aber er zwang sich, weiterzumachen. Er konnte Giftpfote nicht verlieren. Nicht so.

Unter der Oberfläche tastete Blutmondfalter blind umher, seine Krallen suchten nach dem Fell des Schülers. Schließlich fand er ihn, packte ihn fest und zog ihn mit aller Kraft zurück an die Oberfläche. Mit einem letzten, verzweifelten Schub brachte er Giftpfote ans Ufer.

Beide Katzen keuchten und zitterten vor Kälte. Blutmondfalter drückte seinen Schüler dicht an sich, versuchte, ihm ein wenig Wärme zu spenden. „Bleib bei mir, Giftpfote. Wir schaffen das," murmelte er, seine Stimme zitterte vor Anstrengung und Sorge.

Die eisige Nacht schien sich noch dichter um sie zu legen, als ob sie die Hoffnung selbst ersticken wollte. Doch in den Augen von Blutmondfalter glomm ein entschlossener Funke. Er würde nicht zulassen, dass die Dunkelheit siegte. Nicht heute.

Blutmondfalter packte Giftpfote am Nackenfell und hievte ihn hoch. Der Krieger kämpfte sich mühsam den Weg zurück ins Lager, während er seinen erschöpften Schüler hinter sich herschleppte. ,,Flockenfang, ich brauche Hilfe!" rief er, seine Stimme durch die frostige Nacht hallend.

Aus dem Heilerbau sprang die weiße Heilerin, ihre Augen weit vor Sorge. Ihre Pfoten flogen über den Boden, als sie zu Blutmondfalter eilte. ,,Leg ihn hierhin, schnell," befahl Flockenfang und half dabei, Giftpfote auf eine weiche Moosmatte, im Heilerbau, zu legen.

Blutmondfalter sank erschöpft neben seinem Schüler nieder, seine eisblauen und roten Augen furchtsam auf den reglosen Körper gerichtet. ,,Wird er durchkommen?" fragte er mit einem Hauch von Verzweiflung in der Stimme.

Flockenfangs Miene war ernst, als sie begann, Giftpfote zu untersuchen. ,,Es sieht nicht gut aus," murmelte sie und legte ihre Pfote auf die Stirn des Schülers. ,,Aber wir werden alles tun, was wir können."

Die ganze Nacht hindurch kämpften sie um Giftpfotes Leben, während der Sturm um das Lager tobte und die Kälte gnadenlos ihre Zähne zeigte. Blutmondfalter saß an der Seite seines Schülers, seine Gedanken gefüllt mit Sorge und Hoffnung zugleich.

Als die ersten schwachen Sonnenstrahlen das Lager erhellten, trat Flockenfang zu Blutmondfalter, der zusammengerollt im Kriegerbau lag. Sein Blick war leer und die Dunkelheit schien sich um ihn zu legen.

,,Blutmondfalter...", begann Flockenfang leise, ihre Stimme brüchig vor Trauer. Sofort schoss der Kopf des Katers hoch, seine Augen suchten die Heilerin voller Hoffnung und gleichzeitig bangender Vorahnung.

Ein entsetzlicher Hauch von Kummer lag in der Stimme von Flockenfang, als sie schließlich sprach: ,,Es tut mir leid... Er hat es nicht geschafft."

Blutmondfalters Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als er die Worte hörte, die er gefürchtet hatte. Giftpfote war nicht mehr bei ihnen, und die Kälte des Tages schien nun auch seine Seele zu umfangen.

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