7. Kapitel
Der Mast war abgebrochen, das Segel zerfetzt und die Männer ruderten mit ihren letzten Kraftreserven, um die Heimat zu erreichen. Man konnte an ihren Gesichtern sehen, dass sie Schlimmes durchgemacht hatten und endlich froh waren zu Hause zu sein.
Flora reckte ihren Hals, doch sie konnte Eirik nirgends entdecken. Fara klammerte sich an ihren Arm, als ob sie Halt suchte, doch Flora wusste, dass Fara ihr Halt geben wollte.
Dabei benötigte Flora den Halt nicht.
Auch wenn sie es schade fände, wenn Eirik gestorben wäre, so hatte sie keine tiefer gehenden Gefühle für ihn als Respekt und Verständnis.
Doch seine Eltern schienen immer noch die Hoffnung zu haben, dass sich die beiden ineinander verlieben würden.
Beschämt senkte Flora den Kopf.
Das würde wohl nicht passieren.
Er hasste sie und Flora kannte ihn nicht lange genug um irgendwelche andere Gefühle entwickeln zu können.
Sie wusste, dass wenn er doch auf dem Boot war, dann war ihre Zeit hier abgelaufen. Sie hatte es ihm versprochen und würde sich auch daran halten!
Flora sah, wie einige Männer in kleine Ruderboote stiegen, um dem Langboot entgegen zu kommen. Sie wollten der Besatzung zur Hilfe eilen, die mit ihren Kräften am Ende waren.
Trotzdem dauerte es noch einige Zeit, bis das Langboot endlich am Steg angetaut war. Befehle wurden geschrien, Männer sprangen vom Boot, um ihren Frauen entgegen zu laufen, die weinend zu ihnen eilten. Doch von Eirik fehlte immer noch jede Spur.
Eine Frau kam wankend auf den Steg und wurde von anderen Frauen umringt und in das Gut gebracht. Man konnte Männer sehen, die verletzt waren, sich aber noch wacker auf den Beinen hielten. Fara sah sie sich alle eher im Vorbeigehen an und die meisten wollte sie sich später ansehen.
Dann wurde ein Mann vorsichtig aus dem Boot gehievt.
Fara entfuhr ein kleiner Schrei und sie rannte zum Steg, ohne Floras Hand los zu lassen. Erst jetzt erkannte Flora, dass es sich bei dem Schwerverletzten um Eirik handelte.
Egil nahm ihn in seine Arme, als ob Eirik ein kleines Kind und nicht ein gestandener Mann wäre. Mit Ragnars Hilfe trug er ihn vom Steg zu der Vorrichtung, auf der eigentlich die Ware transportiert wurde.
„Mädchen, komm!", rief er Flora zu.
Sie lief gehorsam zu ihm und Egil platzierte sie neben Eirik auf die Plattform.
„Wir ziehen ihn nach oben. Pass auf, dass er sich nicht bewegt!"
Auch Fara kam mit auf die Plattform und setzte sich auf die andere Seite. Sofort untersuchte sie Eiriks Bein.
„Es ist gebrochen, aber Ragnar und die anderen Männer haben gute Arbeit geleistet. Es ist gut geschient. Dennoch macht mir die Wunde daneben Sorgen. Sie hat sich entzündet und das macht ihm zu schaffen. Er hat Fieber. Laut Ragnar schon eine ganze Weile."
Sie stand wieder auf.
„Ich werde schon vorgehen und das Nötige zusammen richten. Pass gut auf ihn auf."
Flora nickte und Fara schloss das kleine Törchen.
Die Plattform ruckelte gewaltig, dann bewegte sie sich langsam nach oben. Flora hob ihren Kopf. Es würde lange dauern, bis sie endlich oben waren.
Sie legte eine Hand auf Eiriks Schulter.
Er schwitze fürchterlich, aber seine Zähne klapperten, als ob er frieren würde.
Sie zog ihr Schultertuch hinunter und legte es auf Eirik. Es würde nicht viel helfen, aber es ließ sie nicht ganz so hilflos fühlen.
Er zitterte immer noch.
Flora nahm seinen Kopf und bettete ihn auf ihren Schoß. Seine Stirn war glühend heiß. Sie verfluchte sich, weil sie kein kühles Tuch dabei hatte. Mit der Hand wischte sie ihm den Schweiß von der Stirn.
„Mama?"
Eirik hatte seine Augen geöffnet, aber blickte etwas verwirrt umher.
Sie beschloss, dass sie ihm in den Glauben ließ, sie wäre Fara. Die Wahrheit würde ihn nur zu sehr aufregen.
„Ganz ruhig, Eirik. Du bist zu Hause. Ruhe dich aus! Es kann dir nichts mehr passieren!"
Sein Blick ging zu ihr und wirkte mit einem Mal klar.
„Nein. Raica!"
Sie schloss kurz die Augen. Jetzt würde es losgehen.
Er hob kraftlos die Hand, ließ sie aber schnell wieder sinken.
„Reden! Später! Ich weiß..."
Eirik verdrehte die Augen und er wurde wieder ohnmächtig.
Beinahe verzweifelt hob Flora wieder den Kopf. Am liebsten wäre sie von der Plattform gesprungen. Was hatte er ihr nur sagen wollen? Dass sie noch so lange hier bleiben konnte, bis er wieder gesund war? Verlangte er dann von ihr, dass sie aus seinem Leben verschwand? Oder sollte sie gleich verschwinden? War sie ihm so zuwider, dass er ihren Anblick nicht einmal jetzt verkraften konnte?
Langsam kam die Plattform oben an.
Egil und Ragnar warteten schon auf sie. Wieder nahmen sie Eirik auf und trugen ihn zum Gut. Tjelvar half Flora auf die Beine.
„Er ist stark, Raica! Er wird es schaffen! Du wirst es sehen!"
Sie nickte und versuchte wenigstens eine Andeutung eines Lächelns.
Fara kam ihnen entgegen.
„Legt ihn ins Langhaus. In das Gästezimmer!"
Egil schüttelte entschieden den Kopf.
„Nein! Wir werden ihn in seine Hütte tragen!"
Fara riss erschrocken die Augen auf.
„Aber bei uns kann ich mich besser um ihn kümmern!"
Egil schüttelte erneut den Kopf.
„Er hat nun eine Frau, die das übernehmen wird."
Er sah seine Frau ernst an, die noch einmal widersprechen wollte, doch dann lächelte sie ihren Mann leicht an, als ob sie ohne Worte miteinander geredet hätten und er ihr seinen Plan so eröffnet hätte.
„Du hast Recht. Aber legt ihn erst auf den Tisch. Ich muss seine Wunde wahrscheinlich noch einmal aufschneiden!"
Sie drehte sich zu Flora.
„Du wirst mir helfen! Ich brauche kochendes Wasser, saubere Tücher und einen Eimer. Den Rest werde ich mitbringen. Wenn alles getan ist, werde ich dir erklären, was zu tun ist und du ihn pflegen kannst!"
Flora nickte und eilte voraus in die Hütte. Zum Glück hatte sie immer einen Kessel mit sauberem Wasser bereit stehen. Den Kessel hängte sie nun direkt über das Feuer, damit das Wasser richtig heiß wurde und holte aus der Truhe jede Menge Tücher. Das größte breitete sie über den Tisch aus, bevor Egil seinen Sohn dort ablegen konnte.
Sie zückte ein Messer und zerschnitt die Schnüre, welche die Schiene aus Holz zusammen hielten, dann die Lederhose. Beides war sowieso nicht mehr zu retten, also warf sie die zerschnittenen Dinge in eine Ecke.
Fara kam herein mit einem Korb. Sie begutachtete, was Flora bisher schon getan hatte.
Diese wusch gerade die Wunde etwas aus, die furchtbar aussah. Die Wundränder waren schlecht zusammen geheilt und das Rot war eher beängstigend. Die Wunde fühlte sich auch heiß an und war geschwollen. Außerdem zeigten die gelblichen Flecke, dass sich schon schlechte Säfte unter der Haut gebildet hatten.
Fara holte einige Tiegel aus dem Korb. Dann wusch sie erst die Hände, bevor sie ihr Messer gründlich in dem kochenden Wasser reinigte.
„Ich werde die Wunde noch einmal öffnen. Ich denke, dass sich noch Holzsplitter darin befinden und die müssen heraus, bevor wir weiter machen können. Wenn du die Wunde später reinigst, musst du vorher immer deine Hände waschen. Die meisten halten nichts davon, aber ich habe damit die Erfahrung gemacht, dass der Verlauf der Genesung besser ist, wenn ich das tue."
Sie tauchte das Messer in das kochende Wasser und ließ es eine Weile darin.
Erst dann öffnete sie die Wunde wieder. Flora stellte den Eimer unter das Bein, als der gelbliche Eiter aus der Wunde kam.
Eirik bäumte sich auf und schrie schmerzerfüllt auf.
„Flora, Egil! Haltet ihn fest!"
Flora bemerkte, dass Fara ihren richtigen Namen genannt hatte, aber Egil schien sich nicht daran zu stören. Sie stellte sich hinter Eirik und drückte seine Schultern wieder auf den Tisch.
„Ruhig, Eirik! Es muss sein! Die Wunde muss sauber sein, bevor wir weiter machen können. Ich weiß, dass es schmerzt, aber bald ist es vorbei!"
Sie redete weiter auf ihn ein, während Fara vorsichtig einige Holzsplitter herauszog. Es waren unzusammenhängende Sätze, aber er schien sich daran fest zu halten.
Doch dann starrte Eirik Flora an, als ob er jetzt erst bemerken würde, dass sie hinter ihm stand.
„Du! Reden!"
Sie nickte.
„Ja, wir werden reden, sobald du gesund bist! Und dann werde ich auch gehen!"
Er schüttelte den Kopf. Es war eine abgehackte Bewegung, was aber Flora auf die Schmerzen zurückführte.
„Nein! Nicht gehen! Reden!"
Sie hob den Kopf und sah Egil direkt an, der trotz der Anstrengung lächelte, als ob er ihr damit sagen wollte, dass sein Sohn endlich etwas erkannt hatte.
Aber das glaubte Flora nicht.
Er war so verbittert gewesen! Trotzdem nickte sie, als sie Eirik wieder anblickte.
„Ich werde hier bleiben. Mach dir keine Sorgen. Ich lass dich jetzt nicht alleine!"
Er nickte leicht und schloss die Augen. Er war offensichtlich mit ihrer Antwort zufrieden.
Fara zog noch einige Holzsplitter heraus und schüttete dann etwas in die Wunde, was nach sehr starkem Alkohol roch. Wieder bäumte sich Eirik auf, aber er beruhigte sich bald wieder, als sie wieder auf ihn einsprach.
„Wir lassen die Wunde nun offen, damit die schlechten Säfte abfließen können. Ich lege nur ein sauberes Tuch darüber, dass kein Schmutz mehr rein kommt. Es ist zu spät, um die zu nähen oder aus zu brennen. Du musst die Wunde mit dem starken Sud auswaschen, sobald du einen schlechten Geruch bemerkst. Ansonsten reicht sauberes, abgekochtes Wasser. Ich lass dir Kräuter hier, die du zu einem Sud kochen kannst. Damit wirst du es auswaschen. Und denke daran, dir immer die Hände zu reinigen!"
Flora nickte, während Egil seine Männer rief, damit sie Eirik auf sein Lager legen konnten.
Fara erklärte weiter, worauf sie zu achten hatte und dann war sie plötzlich alleine mit Eirik.
Leise ging sie in den Schlafraum, aber er war nun ruhig und schlief. Fara hatte ihm etwas für einen ruhigen Schlaf gegeben und Flora war froh, dass er nun schlief. Wieder eine geschenkte Zeit, die sie hier bleiben durfte.
Sie leerte schnell den Eimer und spülte ihn aus. Dann kochte sie den Sud und stellte ihn zum Abkühlen auf den Tisch.
Dann setzte sie sich und seufzte leise.
Also war ihr von den Göttern eine Gnadenfrist gewährt worden.
Aber wer weiß, für wie lange. Auch wenn er ihr gesagt hatte, dass er mit ihr reden wollte war sie sich sicher, dass es nur das Fieber war, das aus ihm sprach. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal mitbekommen, dass sie bei ihm war.
Sie seufzte erneut. Egal. Sie hoffte nur, dass er sich daran erinnerte, dass sie nicht mehr zu Sirko wollte. Alles andere war ihr egal.
„Meinst du, er kommt irgendwann zur Vernunft?"
Egil hatte den Arm um Fara gelegt. Gemeinsam gingen sie zum Langhaus zurück.
Fara sah ihren Mann fragend an.
„Du meinst, ob er irgendwann einmal bemerkt, was für eine gute Frau Raica ist?"
Egil schnaubte etwas.
„Mir brauchst du nichts vormachen, Weib! Ich weiß schon sehr lange, dass sie nicht Raica ist. Aber ja, ich meine damit, ob unser Sohn irgendwann darüber hinweg sieht, dass sie nicht das ist, was sie vorgibt zu sein!"
Fara blieb stehen und starrte ihren Mann entsetzt an.
„Du weißt es?"
Egil lachte und küsste sie auf die Wange.
„Ja, ich weiß es! Ich bin schon etwas beleidigt, dass du es mir verheimlichen wolltest. Oder dachtest du, ich bin zu dumm, um es zu merken? Ich habe Raica einmal gesehen. Zwar nur vom Weiten, aber ich wusste gleich, dass das Mädchen nicht Raica ist! Eigentlich hätte ich sie gleich wieder zurück schicken sollen. Schließlich war es eine Beleidigung von Sirko, dass er uns eine Sklavin statt seiner Tochter schickte. Aber ich war neugierig und habe sie beobachtet. Sie passt zu uns. Und zu unserem Sohn. Sie wird ihm irgendwann die Ruhe geben, die er jetzt noch nicht hat!"
Fara knuffe ihn etwas in die Seite.
„Du alter Heimlichtuer. Aber weißt du auch, was sie ist? Das wird Eirik auf keinen Fall akzeptieren!"
Egil zuckte mit den Schultern.
„Ich habe es auch akzeptiert. Und ich habe die beste Frau der Welt!"
Sie stellte ihren Korb auf den Boden und legte ihrem Mann die Arme um den Nacken.
„Ich danke dir, Egil. Aber ich habe auch den besten Mann der Welt. Eirik ist...nun ja...er ist ein Wikinger durch und durch. Und ihm geht auch die Ehre über alles. Wenn er jemals erfahren sollte, dass Flora eine einfache Sklavin ist..."
Egil nickte und zog Fara noch enger an sich.
„Er wird sie umbringen. Auch das ist mir bewusst. Ich habe nur die Hoffnung, dass es schon zu spät für ihn ist, wenn er es erfährt. Dass er sich schon in sie verliebt hat. Dann wird es ihm egal sein!"
Fara schüttelte enttäuscht den Kopf.
„Ich glaube nicht daran. Er ist so stur!"
Egil lachte leise.
„Das sagte man mir damals auch nach. Aber mir wurden die Augen durch eine kleine Frau geöffnet, die ebenso stur war wie ich!"
Sie blieben eine Weile eng umschlungen stehen. Der Wind war kalt und sie wussten, dass es bald Schnee geben würde. Egil legte seinen Mantel enger um sie beide.
Er genoss es, einfach so mit seiner Frau in den Armen da zu stehen. Ihm war in dem Moment egal, was die anderen von ihm dachten.
Fara seufzte leise und legte ihre Wange an seine Brust.
„Bei mir war es etwas anderes, Egil. Du hast mich frei gegeben. Ich war keine Sklavin mehr, als du mich geheiratet hattest!"
Egil lachte leise.
„Ist sie es denn? Sie ist in meinen Augen keine Sklavin mehr gewesen, als sie Eiriks Boot als seine Braut betreten hatte."
Sie hob den Blick zu ihm.
„Eirik wird es nicht so sehen!"
Egil nickte.
„Das weiß ich. Ich überlege mir schon die ganze Zeit, was ich tun werde, wenn es soweit ist. Ich kann ihn nicht daran hindern, sie zu töten. Das weißt du. Ich kann nur darauf hoffen, dass er Gnade walten lässt. Schließlich konnte sie nichts dafür!"
Fara nickte.
„Wer weiß. Vielleicht unterschätzen wir unseren Sohn gewaltig!"
Flora wachte mitten in der Nacht auf.
Sie war lange wach geblieben und hatte bei Eirik ausgeharrt. Er hatte die meiste Zeit zwar geschlafen, doch sehr unruhig. Das Mittel von Fara wirkte nicht mehr, aber es war schon so spät und Flora wollte Fara nicht um ihren Schlaf bringen.
Flora hatte die Wunde immer wieder ausgewaschen und ihn zum Trinken gezwungen. Wieder und wieder hatte sie seinen Körper kalt abgewaschen und die Laken gewechselt, die nass von seinem Schweiß waren. Dann war sein Schlaf endlich ruhiger geworden, so dass sie sich auf ihrem Lager hinlegen konnte.
Doch jetzt wurde er wieder unruhig.
Sie nahm einen Becher und füllte ihn mit Wasser. Bestimmt hatte er wieder Durst.
Doch als sie an sein Lager kam, merkte sie, dass er wieder angefangen hatte zu zittern. Seine Zähne klapperten unkontrolliert.
Sie setzte sich zu ihm.
„Möchtest du etwas trinken?"
Er schüttelte den Kopf.
„Kalt!"
Flora sah auf die Decken, die sie über ihn gelegt hatte. Das war das Fieber.
Sie stellte den Becher ab und zog sich ihr Tuch von der Schulter. Dann tat sie etwas, was sie nie machen wollte. Aber sie hatte einmal gehört, dass es das Beste war, was sie tun konnte. Sie legte sich zu ihm unter die Decken und nahm ihn in seine Arme.
Er zitterte noch einige Zeit, doch dann wurde er wieder ruhiger. Als sie weg wollte, hielt er sie fest.
Flora schloss einen Moment die Augen.
Er bekam nicht mit, wer bei ihm war. Sonst würde er das nicht machen.
Aber sie blieb bei ihm.
Und schließlich schlief sie ein.
Hitze, Kälte, Schmerzen!
Teilweise alles auf einmal!
Eirik wälzte sich umher!
Schlaf! Ruhe! Frieden!
Das wollte er.
Aber man ließ ihn einfach nicht in Ruhe.
Immer wieder spürte er, wie man ihn hochhob und ihn dann wieder Schmerzen hinzufügte.
Er erkannte die Stimme seiner Mutter. Sorgenvoll. Das kannte er nicht von ihr. Seine sonst immer so fröhliche Mutter hatte Angst.
Dann sein Vater.
Der starke Mann, den er immer wieder bewunderte, war auf einmal alt.
Und Eirik spürte, dass es wegen ihm war.
Sein Bein schmerzte und brannte wie Feuer. Und es wurde noch mehr. Es schien so, als ob jemand es mit einem Eisenhaken abreißen wollte.
Doch dann hörte er sie.
Und ob er wollte oder nicht, ihre Stimme war wie ein Anker für ihn in den tosenden Wellen aus Schmerz.
Er hatte keine Ahnung, was sie mit ihm sprach, aber er beruhigte sich bis sie etwas vom Gehen sprach.
Nein!
Sie sollte nicht gehen.
Er brauchte sie!
Er brauchte ihre Ruhe!
Alle um ihn herum waren hektisch, nur sie strahlte die Ruhe aus, die er benötigte.
Nur dunkel erinnerte er sich daran, dass er sie gehasst hatte. Doch das hatte sich nun geändert.
Sie war ihm nun das Wichtigste im Moment und er wollte sich am liebsten an sie klammern.
Mühsam bat er sie zu bleiben.
Und sie blieb.
Wieder wurde er hochgehoben und wieder hatte er Schmerzen.
Er hätte am liebsten nach ihr gerufen. Wie ein kleines Kind nach seiner Mutter. Doch er riss sich zusammen. Er wollte niemanden zeigen, wie schwach er nun war. Lieber blieb er allein mit den Schmerzen, als das jemand anderes mit bekam, wie er sich zum Narren machte.
Dann war endlich Ruhe! Sie waren alleine.
Immer wieder spürte er ihre Hände, die sanft seine Stirn und seinen Körper kühlten wenn er vor Hitze beinahe verging. Er spürte das Wasser, dass sie ihm zu trinken gab und das ihm so gut tat.
Ruhe kehrte ein und er schlief.
Hatte wirre Träume.
Eine Frau, die er kannte, die ihm aber doch unbekannt war. Sie sah ihn traurig an, während andere lachten. Ihn auslachten. Und sie zuckte immer wieder zusammen, sobald er den Mund aufmachte. Je mehr er sprach desto weniger wurde das Lachen um sie herum, aber sie wurde erniedrigt.
Das wollte er eigentlich nicht.
Es wurde kalt um ihn herum und er fror erbärmlich.
Wo war sie?
Warum war sie verschwunden?
Dann spürte er sie wieder. Sie legte sich vorsichtig zu ihm und legte ihre Arme um ihn.
Er konnte nicht anders.
Er seufzte, so warm wurde ihm.
Es war angenehm und er wollte dieses Gefühl behalten.
Doch sie wollte ihn wieder verlassen.
Er hielt sie fest!
Sie durfte nicht schon wieder gehen.
Sie musste bei ihm bleiben.
Sie würde ihm Ruhe geben und wenn es nur für den Moment war.
Er klammerte sich an sie, als ob sein Leben von ihr abhing.
Und sie blieb!
„Mache ich irgendetwas falsch, Fara? Ich habe irgendwie das Gefühl, dass sein Zustand sich kaum geändert hat!"
Tage waren jetzt schon vergangen seit Eirik wieder da war.
Flora machte sich Sorgen, denn er war kaum wach und wenn doch, sprach er meistens wirres Zeug. Immer wieder bat er sie, nicht zu gehen und sprach davon, dass sie reden müssen.
Das wusste sie doch schon längst.
Fara sah sich die Wunde an.
„Nein! Du machst nichts falsch. Die Wunde heilt sehr gut. Nur das Fieber macht mir noch Sorgen. Deswegen halte ich ihn mit Mohnsamen ruhig. Aber es ist schon weniger geworden. Du pflegst deinen Mann sehr gut!"
Flora zuckte innerlich zusammen, als sie das Wort Mann hörte. Ja, Eirik war noch ihr Mann, aber für wie lange noch?
Er hatte ja schon angedeutet, dass er mit ihr reden wollte. Auch wenn er im Fieberwahn war, wusste sie, dass er immer noch an ihre Vereinbarung festhalten würde, sobald er wieder klar bei Verstand war.
Fara schien zu merken, was sie getan hatte.
Sie strich Flora leicht über die Wange.
„Noch ist er dein Mann. Und es ehrt dich, dass du trotz euren Schwierigkeiten bei ihm bleibst und ihn pflegst!"
Flora zuckte mit den Schultern.
„Das ist meine Pflicht!"
Fara lächelte sie leicht an.
„Ist es wirklich nur eine Pflicht? Ich könnte mir vorstellen, dass die wirkliche Raica sich nicht einen Deut um Eirik geschert hätte, wenn sie in dieser Situation gewesen wäre. Sie hätte wohl darauf bestanden, dass ich die Pflege übernehme und das er nachts alleine bleibt, während sie im Langhaus fröhlich schmaust und trinkt."
Insgeheim glaubte Flora das auch, aber irgendwie wollte sie ihre ehemalige Herrin doch in Schutz nehmen.
„Ich bin mir sicher, dass sie ihre Pflichten als Eheweib auch ernst genommen hätte!"
Fara lächelte leicht und strich ihr dann erneut über die Wange.
„Du bist so ein liebes Mädchen, Flora! In jeder Hinsicht."
Sie seufzte leicht, als sie zu ihrem Sohn hinab blickte.
„Ich werde dir einen stärkeren Tee gegen sein Fieber geben. Versuche so viel wie möglich in ihn ein zu flößen. Er wird es hassen, denn er schmeckt bitter. Aber du musst hart bleiben. Bald kommt der Winter. Es ist jetzt schon kalt. Bis dahin muss das Fieber weg sein, sonst werden wir Probleme haben."
Flora nickte, hatte aber schon eine Idee, wie sie ihm den Tee schmackhaft machen konnte. Sie war Fara dankbar, dass sie nicht mehr erwähnte, dass es sich Eirik anders überlegen könnte und sie behielt. Diese Hoffnung hatte Flora noch nie gehabt. Auch wenn sie immer die Geschichte von Fara und Egil hörte, glaubte sie nicht, dass Eirik seinem Vater in der Hinsicht glich. Egil war damals schon ein Mann gewesen, der seine Erfahrungen gemacht hatte. Sei es im Kampf oder bei den Frauen. Sein Herz war verletzt worden und Fara hatte ihn geholfen es zu heilen. Bei Eirik sah es anders aus. Er hatte noch keine schlimmen Erfahrungen mit Frauen machen müssen und die Herzen flogen ihm nur so zu, obwohl er einen gewissen Ruf hatte. Warum sollte er sich mit ihr abgeben?
Nein, sie würde gehen, sobald er es von ihr verlangte.
Sobald Fara aus der Hütte war, legte sie ein Schultertuch über und beugte sich zu Eirik herunter. Er schlief wieder unruhig, aber sie konnte ihn bestimmt eine kurze Zeit alleine lassen. Sie wollte zu Ylvie, die Bienen hatte und Honig sammelte. Der Tee würde dadurch nicht mehr so bitter schmecken.
„Ich bin bald wieder da, Eirik. Ich hole schnell etwas bei Ylvie und komme gleich wieder!"
Er stöhnte leise auf.
„Nicht gehen! Bleiben!"
Sie konnte nicht anders. Sie strich ihm leicht über den Bart.
„Ich komme bald wieder. Ich verspreche es dir! Ich gehe nicht weg solange du mich nicht davon jagst!"
Er öffnete die Augen und sie sahen klar aus. Nicht so verwirrt wie in den letzten Tagen.
Er sah sie direkt an und sie stellte fest, dass er sie erkannte. Aber dieses Mal stand keine Abscheu in seinem Blick, sondern etwas anderes, dass sie nicht deuten konnte.
„Tue ich nicht!"
Sie lachte sarkastisch auf.
„Oh doch. Du hast es mir mehr als einmal erklärt, dass du mich nicht bei dir haben willst!"
Er packte ihre Hand mit einer erstaunlichen Kraft, die sie ihm im jetzigen Zustand nicht zugetraut hätte.
„Ja! Irgendwann. Aber nicht jetzt!"
Sie riss ihre Hand los.
Ja, sie war gut, so lange er noch litt. Aber wenn er wieder gesund war, wäre sie wieder Luft für ihn! So war es schon immer gewesen. Nicht nur bei ihm, sondern bei jedem, dem sie begegnet war.
Sie seufzte leise.
„Ich komme gleich wieder, Eirik!"
Er schloss die Augen und nickte.
Diese Bewegung hatte ihm die letzte Energie geraubt. Das konnte man sehen. Nun würde er wieder schlafen und sie konnte beruhigt zu Ylvie gehen.
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Ich wurde von einer Leserin gefragt, ob und welche Musik ich beim Schreiben höre.
Ja, ich höre Musik um mich ein wenig abschotten zu können. Es kommt allerdings darauf an, was ich schreibe. Bei diesem Roman hörte ich hauptsächlich zwei Lieder. Zum ersten war es von Fever Ray - If i had a heart, das vielen auch von der Serie Vikings bekannt sein dürfte. (Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich erst eine Folge gesehen habe!) und es war Helvegen von Wardruna (den Text habe ich in meinem Vorwort stehen und ihn auch übersetzen lassen)
Ihr könnt ja mal rein hören. Ich finde, diese Musik passt einfach sehr gut!
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