Campingplatz
"Hendrik, komm jetzt sofort her! Hör auf zu rennen! Hendrik!"
Campingferien sind toll. Menschen setzen sich in überfüllte Autos oder Wohnmobile, stellen sich in die Autoschlange und arbeiten gezwungenermassen an ihrer Frustrationstoleranz. Viele Autostunden und zahlreiche Mahnworte später erreichen sie übermüdet den lang ersehnten Campingplatz am Meer. Die Kinder verlassen das Gefährt, sie rennen in Richtung Strand davon. Mindestens eines muss aber auf die Toilette und der Vater versucht mit seiner letzten Energie das für ihn viel zu grosse Gefährt auf den chronisch zu kleinen Stellplatz zu manövrieren. Die Frau steht im toten Winkel daneben, winkt, schreit und zeigt, der Mann beachtet sie nicht und schaut genervt in die zu kleinen Rückspiegel, steigt aus und befiehlt. Das geht dann einige Minuten so hin und her, bis die fahrbare Wohnung schliesslich doch noch so steht, wie der Mann sich das vorgestellt hat.
Der Aufbau des Vorzeltes ist auch ein Bühnenstück für sich. "Nein, das ist die Stange für die Mitte, nicht am Rand. Ich habe dir letztes Jahr gesagt, wir sollen die Stangen markieren." - "Ich weiss schon, wie das aufgebaut werden muss, wart, ich erkläre es dir. Mach doch einfach das, was ich sage." Langsam entsteht das einem Zelt ähnliche Gebilde und die beiden Eltern hätten bereits Ferien von den Ferien nötig. Derweilen kommen die Kinder vom Strand zurück und rennen sofort mit ihren sandigen Füssen in den Wohnwagen. Die Mutter schimpft schon wieder und der Vater öffnet sein erstes Bier.
"Du könntest mir ruhig helfen. Sag doch auch was. Manfred!" Die Mutter versucht die Kinder zu säubern. Mindestens eines von ihnen muss auf die Toilette. "Wir haben keinen Strom." - "Der da nebenan hat zwei Plätze am Stromverteiler belegt. Das geht ja gar nicht. Ich gehe zum Empfang und beschwere mich." Selbstverständlich kann der Camper die Landessprache nicht und erwartet, dass die Dame am Empfang seine Sprache spricht. Die Situation mit dem Strom kann letztendlich gelöst werden, indem ein Kabel des Nachbarn kurzzeitig ausgesteckt wird, damit ein Steckplatz frei wird. Des Nachbars Kabel wird dann einfach am scheinbar defekten Steckplatz festgemacht, in der Hoffnung, er beherrsche die Landessprache und könne sich erfolgreicher wehren.
"Mama, das WLAN ist voll Scheisse. Ich kann nicht mal Instagram empfangen und Youtube geht auch nicht." Die Tochter krümelt sich beleidigt auf einen Liegestuhl und zieht ein Regenwettergesicht. Die Kleinere muss auf die Toilette und der Sohn hat Hunger. Dieses Schauspiel wiederholt sich Tag für Tag, am Strand wie beim Wohnwagen.
Es gibt keinen Unterschied, ob die Familie am traditionellen Wochenmarkt im Dorf, in einem Restaurant oder beim Minigolf ist. Das Verhaltensmuster ist jahrelang eingeübt, schliesslich geht man immer wieder gerne campen. Es ist doch toll, dem Alltagsstress zu entfliehen und einmal fremde Länder zu sehen. Hauptsache man spricht unsere Sprache und das WLAN funktioniert einwandfrei. Die Familie reserviert ihren Stellplatz bereits für das nächste Jahr, so wie es auch die temporären Nachbarn tun. Man kennt sich, der Campingplatz wird zur vertrauten Umgebung, zur Routineerholung.
"Schade, müssen wir schon wieder abreisen. Es war so schön hier. Wir freuen uns schon auf nächstes Jahr." Die Ausrüstung wird abgebaut, sandig und schmutzig eingepackt. Zuhause wird die Mutter alles fein säuberlich reinigen und für nächstes Jahr bereitlegen, während der Vater endlich wieder Fussball schauen kann. Schliesslich hat er der Familie die Abenteuer ermöglicht. Schliesslich ist er hunderte von Kilometern gefahren und hat den Stau gemeistert.
Gute Erholung im Urlaub! Campingferien sind toll und eines der Kinder muss bestimmt auf die Toilette.
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