3. Kapitel
Es wurde morgens. Die Sonne ging langsam auf, Nebelschwaden hingen über der Wiese, und Tautropfen glitzerten auf den Blättern der Pflanzen und Bäume. Ich schüttelte die Nässe von meinen Gefieder und streckte mich. Mein Hals war etwas steif, weshalb ich ihn erst ein paar Mal nach rechts und links drehen musste, damit der Halsmuskel sich entspannte. Flocke und Blume waren schon wach, und spielten Fangen um den Baum herrum. Als ich zum Nussbaum flog, um mir ein paar der köstlichen Nüsse zu holen, sahen sie auf und folgten mir. Durstig senkte ich erstmal meinen Schnabel in das klare, kühle Wasser des Baches. "Gut geschlafen?" Flocke und Blume standen hinter mir und sahen mich fragend an. Ich nickte "Kann nicht klagen. Danke. Ihr?" Blume zuckte mit ihrem Schnäuzchen. "Dein Gefieder war so schön weich... " Flocke wandte sich an mich. "Philomena kommt eigentlich immer morgens, wenn es langsam wärmer wird. Ich denke, es wird gut sein, wenn wir sie drauf aufmerksam machen, das wir", sie nickte in meine Richtung, "eine neue Freundin haben." Blume nickte. Sie wird Liz helfen. Schließlich hat sie uns damals auch geholfen." Ich hörte auf. "Sie hat euch geholfen? Wobei?" Flocke zuckte mit ihrem Ohr. "Mich hat mal so ein blöder Fuchs am Ohr erwischt... Seit dem habe ich am Ohr", sie wies auf ein kleines Loch im Ohr, "diese Narbe, und auch hier, am Bauch" an ihrer Seite spannte sich eine bis zum unteren Bauchbereich eine zick-zack-förmige Narbe. "Philomena hat mich gefunden und geheilt" schloss sie. Ich war überrascht. Diese Philomena schien eine sehr tierliebe und hilfsbereite Person zu sein. "Und bei dir?" fragte ich Blume, "Hat Philomena dir auch geholfen?" Blume nickte. "Ich kenne Philomena ewig. Ich bin ein Waisenkind, ich kenne meine Eltern nicht. Philomena hat mich gefunden und großgezogen. Aber nie", dieses Wort betonte sie, "Hat sie uns die Freiheit genommen. Sie brachte uns auf diese Wiese, damit wir unsere Freiheit behalten können! Aber sie schenkte uns unsere Namen. Normalerweise haben wir in der Freiheit keine Namen. Aber Philomena gab sie uns, und das ist unsere Verbindung zu ihr, auch wenn sie nicht da ist." Ich war ganz in Gedanken versunken. Diese Philomena schien wirklich unglaublich ein Gespür dafür zu haben, wie Tiere leben wollten und sollten. Plötzlich horchte Flocke auf." Da! Das ist sie!" Ich schaute ebenfalls geradeaus, und sah ein Mädchen über die Wiese kommen. Ihre Schritte waren elegant, sanft und graziös, wie eine Prinzessin. Sie hatte sanfte Gesichtszüge, was darauf deutete, daß sie nicht oberflächlich war. Sie trug einen Korb in der Hand, der mit einem rosa Tuch abgedeckt war. Philomena trug einen elegant geschnittenen, zart rosafarbenen Rock, der ihr bis knapp oberhalb der Knie reichte, dazu eine Bluse verschiedenen Blüten-Mustern. Die Bluse hatte am Ausschnitt und an den Ärmeln Rüschen, und der Schnitt betonte ihre schlanke Figur. In ihren Ohren trug sie kleine Ohrstecker, die wie Kirschblüten aussahen und mit rosa, pinken und silbernen Diamanten besetzt waren. Passend dazu trug sie eine silberne Kette, ein Armband, einen Ring und ein Fußkettchen, dass sanft um ihren Knöchel schwang, mit dem selben Blüten-Anhänger. An ihrem Mittelfinger hatte sie auch einen Ring, einen dünnen, silbernen, mit einer kleinen, rosa Perle. Sie hatte dunkelbraune Haare, die hinten mit einer Schleife mit Blumen- Muster zusammen gebunden war. Die restlichen Haare lagen in Wellen über ihren Schultern. Mit ihren pinken Ballerinas tanzte sie über das Gras, und summte eine Melodie vor sich hin. Ihre Stimme klang einfach wunderschön. Sie war eine lebhafte, lebensfrohe, aber auch gleichzeitig ruhige und besonnene Person, das konnte ich spüren. "Flocke! Blume! Ich habe Futter für euch!" rief sie mit ihrer glockenhellen Stimme. Sie blieb 3 Meter vor uns stehen, und stellte den Korb ab. Sie griff hinein und holte 2 Karotten und eine Hand voll Haselnüsse raus. Flocke und Blume liefen sofort zu ihr, ich zögerte. Doch dann wanderte ihr Blick über die Wiese- und blieb an mir hängen. "Flocke! Blume! Das ist ja ein..." sie schlug sich die Hand vor den Mund, und starrte mich an. Vorsichtig trat ich näher, und ließ mich streicheln. Als ihre Hand sanft über mein Gefieder strich, hatte ich überhaupt keine Angst mehr, so sanft und liebevoll waren ihre Berührungen. Ich drückte mit meinem Kopf gegen ihre Hand, und forderte sodurch mehr Streicheleinheiten. "...Ein Molukken-Kakadu!" wisperte sie.
Philomena blieb lange auf der Wiese bei uns, bis nachmittags, und kümmerte sich um uns. Flocke, Blume und mich streichelte sie abwechselnd, während sie leise ein Lied sang. Aus dem Korb beförderte sie eine Hand voll Vogelfutter, dass sie eigentlich für die Spatzen mitgebracht hatte. Für sich selbst hatte sie Melone, Weintrauben und Pfirsiche dabei. Ich saß auf ihrer Schulter, und knabbert ein wenig an ihren Haaren. Als sie einen Pfirsich aus dem Korb nahm, beäugte ich die Frucht vorsichtig. "Wie heißt du eigentlich?" überlegte sie fragend. "Ich würde dir gerne einen geben, aber vielleicht nicht, einen so langen wie meinen. Ich heiße nämlich 'Philomena-Pénélopé- Victoria van de Rose', und meine Freunde nennen mich auch nur Philomena- Aber leider sonst niemand. Es müsste also ein kurzer Name sein. Aber einer, der zu dir passt." Von ihren Erzählungen wurde ich ganz hungrig. Und so beugte ich meinen Kopf zum Pfirsich und schnappte mir ein Stück mit Meinem Schnabel. Die Frucht war köstlich! Philomena schaute erst überrumpelt den Pfirsich, und dann mich an. Dann lachte sie. "Peachy!" rief sie. "Peachy ist ein guter Name für dich!" Der Name klang echt schön, und er gefiel mir sehr gut. Ich schnappte mir den restlichen Pfirsich, bevor Philomena ihn essen konnte, hielt ihn mit meinem Fuß fest, und knabberte mit meinem Schnabel so lange daran herrum, bis nur noch der Kern übrig blieb. Philomena grinste. "Das war meiner!" meinte sie halb lachend, halb tandelnd. Aber man merkte, dass sie nicht wirklich sauer war. Das schätzte ich so an ihr: Egal, wie frech man war, oder was man schlimmes angestellt hatte - es fiel nie ein böses Wort. Nie! Ich mochte sie gleich, als ich sie sah. Ich wusste, dass sie eine perfekte Besitzerin abgeben würde. Und wenn ich ehrlich bin, wollte ich mein altes Leben, meine alte Besitzerin und meinen alten Namen einfach nur vergessen! Ich wollte nochmal komplett neu anfangen. Einfach das, was hinter mir lag vergessen und nach vorne schauen! Ja!, dachte ich, lass sie Vergangenheit lästern, sie ist gekränkt, denn ich bleibe ihr nicht treu. Gestern war gestern!
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