Die Stimme in ihrem Kopf

Der restliche Sonntag war schnell vorbei gewesen. Nach einer weiteren Stunde hin und her Gehens war es Sahra zu langweilig geworden und sie hatte wieder Serien geschaut. Somit konnte sie sich dieses Wochenende doch noch ein wenig entspannen und ihre Muskeln etwas ruhen lassen.
Doch es half nicht viel. Als sie am Montag Morgen aufstand, wieder ohne von Ana geträumt zu haben, schmerzte ihr Körper immer noch. Zwar etwas weniger, aber es tat weiterhin sehr dolle weh. Aber sie musste zur Schule. Gerade heute musste sie hin, da sie in den letzten beiden Stunden Sport hatte.
Auch wenn es schmerzhaft werden würde, so würde sie es dennoch durchziehen. Um Kalorien zu verbrauchen.

Nachdem sie gefrühstückt und ihre Mappe gepackt hatte, sie musste sich neue, frische Sportsachen mitnehmen (da ihre anderen vollgeschwitzt waren), ging sie wieder in ihrem Zimmer umher. Dieses Mal mit Musik in den Ohren.

Die Musik behielt sie auch während ihres Weges zur Schule bei und erst als sie das Schulgelände betrat, nahm sie ihre Kopfhörer ab.
Maria stand bereits auf dem Schulhof in einer Ecke und wartete. Sahra ging zu ihr hinüber und beide Mädchen umarmten sich zur Begrüßung.
„Morgen, wie gehts?", fing Sahra ein Gespräch an. Maria gähnte und antwortete: „Es geht. Ziemlich müde. Hab die Hausaufgaben in Wirtschaft vergessen, ansonsten gehts."
„Wir hatten Hausaufgaben in Wirtschaft auf?!", fragte Sahra geschockt nach.
„Ja, im Buch, Seite Einhundert-noch-was, Aufgabe keine Ahnung. Wenigstens bin ich jetzt nicht die Einzige, die das vergessen hat." sie grinste, doch Sahra war in Gedanken vertieft. Sie hatte die Hausaufgaben vergessen. Das war natürlich kein Weltuntergang aber ärgerlich war es trotzdem. Normalerweise vergaß sie ihre Hausaufgaben nie und war vorbildlich. Doch dieses Wochenende war sie so sehr mit anderen Dingen beschäftigt gewesen, Sport, Essen, Wo war Ana?, dass sie die Hausaufgaben glatt vergessen hatte.
„Und, wie war dein Wochenende?", führte Maria das Gespräch fort und unterbrach Sahras Gedankengang.
„Äh, ganz gut. Ich, äh, hab Serien geguckt, den Großteil über. Ansonsten hab ich viel geschlafen." Das war zumindest die halbe Wahrheit.
„Und was hast du gemacht?"
„Mein Onkel hatte Geburtstag und wir sind übers Wochenende zu ihm gefahren", berichtete Maria. „Es war eine Gartenparty und es sind fast alle gekommen, die eingeladen waren. Außerdem..." Maria erzählte und erzählte. Wenn sie einmal richtig angefangen hatte hörte sie so schnell nicht wieder auf. Und Sahra selbst stand daneben und hörte zu.

Nach ungefähr Zehn Minuten betrat Laila den Schulhof. Sie sah ihre beiden Freundinnen in der Ecke, mit dem Rücken zu ihr gedreht, stehen. Das nutzte sie aus. Sie überquerte den Schulhof und schlich sich die restlichen Meter langsam an. Dann, als sie direkt hinter ihnen stand, breitete sie die Arme aus, sodass ihre linke Hand über Sahras linker Schulter schwebte und ihre rechte über Marias rechter Schulter. Dann schrie sie laut „WAHH!" und packte mit den Händen zu.
Die beiden, eiskalt erwischt, zuckten heftig zusammen und drehten sich um. Und Laila begann zu lachen, „Ihr seht so witzig aus!", prustete sie los und Maria stimmte in das Lachen mit ein. Auch Sahra lachte, aber es war eher gezwungen. Diese Situation erinnerte sie zu sehr an ihren einen Traum, in dem Ana sie auf genau die gleiche Weise erschreckt hatte. Und das machte sie ein wenig traurig.

Als es klingelte gingen sie zu ihrem Klassenraum, in dem sie unteranderem auch Wirtschaft hatten. Als ihre Lehrerin Frau Janzen kam, schloss sie die Tür auf und sie konnten reingehen. Jeder ging auf seinen Platz. Das gute war, dass Sahra neben Maria, und Laila genau hinter ihnen saß. Die drei waren also in fast jedem Unterricht zusammen. Sie gingen auch immer zusammen in die Gruppenarbeit, außer natürlich, ihr Lehrer hatte die Gruppen zuvor selber festgelegt.
Ansonsten tauschten sie sich im Unterricht immer untereinander aus und unterstützten und halfen sich.
Nachdem es erneut geklingelt hatte, setzte sich jeder auf seinen Platz und Ruhe kehrte ein.
Ihre Lehrerin begann den Unterricht mit: „Bevor wir richtig anfangen frage ich erst einmal, wer hat denn die Hausaufgaben vergessen?"
Marias Arm schnellte nach oben. Auch Sahra meldete sich langsam. Für Maria war so etwas nicht peinlich oder unangenehm. Sie war das gewohnt und kam damit klar.
Ansonsten meldeten sich noch zwei Jungs. Tom und Hannes.
Ihre Lehrerin notierte sich die Schüler.
Auch bei Tom war es keine Seltenheit, dass er die Hausaufgaben vergaß. Er vergaß eigentlich immer irgendetwas. Schulbücher, Hefter, Füller, Zirkel, Geodreiecke und so weiter. Ständig lieh er sich etwas von anderen. Sahra fragte er immer nach linierten oder karierten Blättern, weil sie immer jeweils einen Block davon mithatte.
Doch zurück zum Unterricht.
Frau Janzen schrieb gerade eine neue Überschrift an die Tafel. STEUERN.
„Welche Arten von Steuern kennt ihr denn? Schlagt dazu bitte das Buch auf Seite 147 auf und lest euch den Text durch. Anschließend löst Aufgabe Eins und Zwei."
Alle Schüler schlugen ihre Bücher auf der angegebenen Seite auf. Alle bis auf einer. „Äh, Frau Janzen, ich habe mein Buch nicht dabei", sagte Tom mit erhobener Hand. Frau Janzen blickte von ihren Unterlagen auf.
„Dann setz dich neben Jonas."
Tom stand auf und ging zwei Reihen nach vorne zu Jonas' Tisch. Sahra konnte innerlich nur die Augen verdrehen. Un-ver-ant-wort-lich. Einfach nur unverantwortlich war Tom. Und dann kam er auch noch mit allem durch. Obwohl er ständig etwas vergaß bekam er nur selten Ärger.
Aber sie sollte keine zu großen Töne spucken, da sie ja heute ebenfalls etwas vergessen hatte.
Sie schlug ihr Buch auf und begann mit dem Lesen. Während sie so ruhig dasaß und sich auf den Text konzentrierte, zuckte etwas durch ihren Kopf. Eine Stimme. Da war eine Stimme.
„Beweg dich", sagte die Stimme. Sie war verwirrt
„Was?", fragte sie in ihren Kopf hinein.
„Beweg dich." Das war Anas Stimme. Sahra ließ es sich nicht anmerken, aber sie freute sich gerade riesig, dass Ana wieder da war. Ihre Lippen formten sich zu einem Lächeln. „Hey Ana, wo warst du? Ich dachte schon du hättest mich verlassen", dachte sie, doch Ana ging nicht darauf ein, sie wiederholte nur: „Beweg dich!"
„Was?", fragte sie wieder. „Wie bewegen? Wie soll ich mich bewegen?"
„Wackel mit deinen Beinen, wippe mit deinem Fuß, egal was, aber sitz nicht einfach nur so rum. Beweg dich, es verbrennt Kalorien", zischte Ana in ihrem Kopf. Dann war es wieder still. „Ana?", fragte sie „Bist du noch da?"
Keine Antwort. Sie war wieder weg. Auch wenn Sahra darüber traurig war, so war sie doch sehr froh, dass Ana sich wieder gemeldet hatte. Zwar nur kurz, aber sie war immer noch da. Sie hatte sie nicht verlassen. Und sie würde tun, was sie ihr gesagt hatte. Langsam begann sie mit dem Fuß zu wippen und auf den Boden zu tippen. Natürlich leise, sodass man es nicht hörte. Dann schwenkte sie ihr Bein leicht hin und her. Und plötzlich zuckte wieder etwas durch ihren Kopf: „Sitz gerade, dann verbrennst du mehr." Und wieder war ihre Stimme weg. Stille. Es herrschte Stille, nicht nur im Klassenraum, sondern auch in ihrem Kopf.
Aber sie tat wie ihr geheißen. Sie setzte sich aufrecht hin, sodass ihr Rückgrat nicht mehr gekrümmt war. Das war ungewohnt. Aber sie blieb so sitzen, bewegte ihr rechtes Bein und laß den Text weiter.

Nachdem sie Wirtschaft überstanden hatte folgte Deutsch. Auch hier saß Sahra gerade und wackelte mit einem Bein.
Dasselbe wieder in Geographie. Dort machten sie gerade Gruppenarbeit zu verschiedenen Ländern. Sahra, Maria und Laila hatten sich Australien ausgesucht und gestalteten in dieser Doppelstunde das Plakat. Sie lagen gut in der Zeit.
Als auch diese Stunde fertig war machten sie sich auf den Weg zur Sporthalle.

In den Umkleiden herrschte stickige Luft und es stank geradezu nach Deo. Deswegen beeilten sich die Mädchen auch, um schnell daraus zu kommen.
Sahra freute sich. Trotz des Muskelkaters wollte sie viel Sport machen. Außerdem hatten sie gerade Badminton, was sie durchaus mochte.

Zur Erwärmung sollten sie alle Zehn Minuten in der Halle laufen. Ausdauerlauf. Viele von ihnen schafften diese Zehn Minuten am Stück aber nicht und mussten zwischendurch Pausen machen. So auch die drei Mädchen. Sie liefen bei der Erwärmung immer zusammen und machten auch gemeinsam Pausen. Und dank Sahras schmerzenden Beinen, mussten sie heute viel öfter eine Pause einlegen.

Nach den Zehn Minuten wurden die Netze aufgebaut und jeder nahm sich einen Schläger. Sie schlossen sich zu zweit zusammen und begannen mit dem Spielen. Sahra und Maria spielten gemeinsam während Laila sich mit Sophie zusammengetan hatte.
Und so spielten sie. Ohne Punkte, denn sie übten noch an der korrekten Umsetzung der Regeln. Zwischendurch legten sie kleine Trinkpausen ein.
Ihre Lehrerin, Frau Fritz, ging umher und schaute zu. Manchmal gab sie Verbesserungsvorschläge, was Lehrer eben so machten. Sahra war sich sicher, dass sie durch das viele umherlaufen, Arm schwingen und hüpfen so einige Kalorien verbrannte und das alles, obwohl sie immer noch Muskelkater hatte. Sie hoffte, dass Ana stolz auf sie war.

Nachdem Sport zu Ende war gingen sich alle wieder umziehen. Da sie jetzt Schluss hatten beeilten sie sich, um so schnell wie möglich nach Hause zu kommen.
Sahra rief Maria und Laila noch ein
„Bis Morgen" zu und ging mit schnellen Schritten nach draußen. Laut ihrer Uhr kam ihre Bahn in Drei Minuten. Ob sie das noch schaffen konnte? Sie rannte los. Mit Mappe und Sporttasche zu rennen war eine Kunst an sich. Man war langsam durch das ganze Gewicht und sah dazu auch noch relativ bescheuert aus. Aber das war egal, solange man nur seine Bahn bekam. Aber sie war noch nie gut im Ausdauerlauf gewesen. Nach Fünfzig Metern konnte sie nicht mehr und stolperte nun mehr den Weg entlang. Sie atmete schwer und jetzt hatte sie zu ihren labbrigen Beinen auch noch Seitenstechen bekommen. Aber sie musste weiter. Sie ging weiter und weiter. Laut ihrer Uhr hatte sie noch Zwei Minuten. Das würde sie nicht schaffen. Aber sie versuchte es. Wieder rannte sie los, kam aber nicht weit. Sie schaffte es einfach nicht mehr weiter zu rennen.
In der Ferne sah sie, dass eine Straßenbahn an der Haltestelle hielt. War das ihre Bahn? Wieder ein Blick auf die Uhr. Eigentlich käme ihre Bahn erst in Einer Minute. Sie hastete weiter.

Als sie an der Haltestelle ankam war die Bahn weg. Sie schaute auf die Anzeigetafel. Die nächste Bahn die kam war die Linie 9. Sahra knirschte mit den Zähnen. Sie hatte ihre Bahn verpasst. Ihre Linie, die Nummer 3, kam immer vor der 9. Also war die Bahn, die sie gerade gesehen hatte die ihrige gewesen. Dann musste sie jetzt warten.
Sie zog ihre Kopfhörer aus ihrem Ranzen um Musik zu hören.

Als sie Zuhause ankam war ihre Mutter noch nicht wieder da. Die Wohnung war still. Das einzige Geräusch kam von Sahras Magen. Er knurrte. Sie hatte Hunger. Aber was sollte sie essen? Sie stellte ihre Mappe und die Sporttasche in ihr Zimmer und zog Schuhe und Jacke aus. Dann ging sie in die Küche. Was sollte sie essen? Vielleicht einen Toast. Ja, ein Toast klang gut. Und dieses Mal würde sie wirklich nur Einen essen, keine Zwei wie beim letzten Mal. Also deckte sie den Tisch für sich und nahm die Toastpackung zur Hand. Sie nahm eine Scheibe heraus und, damit sie keine Zweite nahm, verschloss sie die Packung wieder und stopfte sie zurück in den Schrank. Ihre Toastscheibe steckte sie in den Toaster. Während sie wartete trank sie ein ganzes Glas Wasser aus.
Als das Piepen des Toasters ertönte stellte sie das Glas beiseite und holte Ihre Weißbrot Scheibe, die mittlerweile gold-braun war, und legte sie auf ihren Teller. Ihr Magen war durch das Wasser etwas gefüllter als zuvor. Auch während des Essens trank sie eine Menge um ihren Magen schneller zu füllen.

Nach dem Essen, und nachdem sie den Tisch abgeräumt hatte, verschwand sie in ihrem Zimmer. Heute würde sie keinen Sport mehr machen. Sie würde auch nicht in ihrem Zimmer umhergehen. Sie war der Meinung heute genug Sport gemacht zu haben, also konnte sie den Rest des Tages machen was sie wollte. Und zwar Netflix schauen. Dazu war sie in letzter Zeit nicht mehr so häufig gekommen. Aber heute hatte sie noch genug Zeit. Also machte sie es sich ein weiteres Mal auf der Couch bequem, wickelte ihre Kuscheldecke um sich und fuhr ihren Laptop hoch.

Nach Zwei Stunden kam ihre Mutter heim. Doch Sahra bekam davon nichts mit, sie war zu sehr mit Serien gucken beschäftigt. Erst nach einer weiteren Stunde, als ihre Mutter an die Zimmertür klopfte und mitteilte, dass es jetzt Essen gab, bekam sie mit, dass sie nicht mehr alleine Zuhause war. Sie zuckte zusammen und pausierte die Folge, die sie gerade eben geguckt hatte und rief ein „Komme" zur Tür. Sie entwirrte sich aus der Decke und tappte aus dem Zimmer in die Küche, wo ihre Mutter bereits wartete.

Nachdem Abendessen, es bestand aus Zwei Toasts mit Salami und Käse überbacken, beschäftigte Sahra sich wieder mit ihren Serien.
Dank des Sportunterrichts heute würde sie wohl noch einige weitere Tage Muskelkater haben. Also könnte sie auch Zuhause keinen Sport machen. Sie würde höchstens umhergehen können. Aber das war ihr gerade egal. Sie konzentrierte sich lieber auf die Serie.
Nach einigen weiteren Folgen entschloss sie sich dazu ins Bett zu gehen. Es war schon sehr spät, sie hatte morgen Schule, sie brauchte den Schlaf. Nachdem sie sich bettfertig gemacht und ihrer Mutter eine gute Nacht gewünscht hatte legte sie sich ins Bett und schlief nach einiger Zeit ein.

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