Das Korallenriff

„Das macht dann einmal Siebenundzwanzig Euro, bitte", sagte die Frau hinter dem Tresen und lächelte sie freundlich an. Jede von Ihnen holte neun Euro heraus und bezahlte.
„Hier sind ihre Bänder, viel Spaß." Die Frau überreichte ihnen drei Armbänder. Laila nahm sie an sich und reichte jeweils eines zu Sahra und eines zu Maria. Dann passierten sie das Drehkreuz und gingen einen Gang entlang zu den Umkleiden. Ihnen schlug direkt der altbekannte Schwimmbad-Chlorgeruch entgegen. Laila hüpfte vor ihnen her und Sahra und Maria liefen hinterher. Allerdings konnte man von „laufen" bei Maria nicht wirklich reden, es war eher ein unmotiviertes schlurfen. Auch ihr Gesichtsausdruck wirkte sehr gelangweilt. Oder war es desinteressiert? Sahra zog sie am Arm, damit sie schneller ging und flüsterte ihr zu: „Jetzt komm schon, Versuch etwas fröhlicher zu sein. Laila freut sich so sehr." Sie schaute Sahra böse an und giftete: „Tut mir leid, ich kann leider nicht steuern, ob ich fröhlich oder scheiße gelaunt bin." Sahra seufzte.
„Ja okay, hast recht, aber was ist los, dass du so griesgrämig bist?" Maria blieb stehen.
„Ich weiß es nicht. Ich habe einfach keinen Bock auf Menschen." Kurz zögerte sie. Sie konnte Maria gut verstehen, sie wollte ja selber eigentlich so wenig Menschen wie möglich begegnen. Aber da mussten sie jetzt durch.
„Versuch dich nicht auf die anderen zu konzentrieren, versuch bei uns zu bleiben, dann ist es vielleicht nicht so schlimm." Maria schaute sie mit hochgezogenen Brauen an.
„Du hast echt keine Ahnung wie es mir geht. Nur weil ich die anderen Menschen versuche zu ignorieren, heißt das noch lange nicht, dass es mir damit besser geht. Die Leute sind ja immer noch da, sie verschwinden nicht."
„Kommt ihr?", fragte Laila plötzlich. Die beiden wandten sich um. Sie stand am anderen Ende des Flures und blickte zu ihnen herüber.
„Äh, ja!", rief Sahra zurück und zog Maria mit sich. Während des Gehens flüsterte sie ihr zu: „Bitte, versuch wenigstens für Laila etwas fröhlicher zu sein. Sie wird sonst echt traurig."
„Wie ein Kleinkind", murmelte Maria.
„Du weißt doch, wie sie manchmal ist. Nun komm schon", sie schleifte Maria weiter den Gang entlang zu der wartenden Laila.
„Was war denn?", fragte sie die zwei verwundert.
„Ach, ihr Schuh war offen", sagte Sahra schnell und nickte zu Maria, die es tatsächlich schaffte ein Lächeln aufzusetzen. Laila nickte. „Ah, okay", dann gingen sie weiter. Bei den Umkleiden angekommen nahm sich jede eine Kabine und schloss sich ein. Sahra holte ihren Blau-Weiß-Grün gewellten Bikini aus ihrer Tasche, dazu noch ihre Shorts, die sie dazu gekauft hatte, welche Türkis mit dunkelblauen Sternen war und begann sich auszuziehen. Sie blickte an sich hinunter. Dadurch, dass sie heute noch nichts gegessen hatte, schien ihr Bauch tatsächlich flacher zu sein. Sie konnte ihre Füße und ihre Schamhaare sehen. Vielleicht würde sie ja doch nicht so dick aussehen.
„Das glaubst du doch wohl selber nicht", spottete eine Stimme hinter ihr. Überrascht fuhr sie herum. Sie war es zwar gewohnt, dass Ana einfach so neben ihr auftauchte, doch hatte sie nicht erwartet, sie heute zu sehen. Sie blickte sie verwundert an und musterte sie. Dieses Mal trug sie weder Bluse noch Rock, sondern einen rein schwarzen Bikini. Sie starrte sie an. Sie sah so unglaublich schön aus. So helle Haut, so dünne Beine, so hervorstehende Beckenknochen und Schlüsselbeine und erahnbare Rippen. So zart, so rein, so wunderschön, so perfekt.
Dass sie selbst nackt war störte sie nicht. Ana hatte sie schon einmal nackt gesehen, zwar nur in einem Traum, aber das zählte ja auch. „Was machst du hier?", fragte sie in ihren Kopf hinein.
„Nun", begann Ana, „du hattest gerade nur einen dummen Gedankengang und ich wollte dir nur kurz die Realität nahe bringen. Sahra, du bist dick." Sie starrte Ana an. Dann senkte sie langsam den Kopf.
„Dein Bauch ist zwar flacher als gewöhnlich, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass du dick bist. Dass du schwabbelst. Dass das Fett nur so an dir herunter hängt." Ana kniff ihr in die Seite. Sie zuckte weg und Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie hatte recht. Natürlich hatte sie Recht. Wie konnte sie sich auch nur eine Sekunde einreden, sie wäre nicht fett? Wie kam sie auf die Idee, dass sie mit einem Minimal flacheren Bauch dünner aussehen könnte. Ana hob ihr Kinn an, sodass sie ihr in die Augen sehen musste.
„Eine Frage habe ich an dich." Sahra nickte.
„Gefällt es dir, wenn dein Bauch so aussieht? Wenn er nicht so rund ist?"
„Ja", hauchte sie. Ana legte ihr einen Finger auf die Lippen.
„Schh", machte sie. „Und weißt du auch, wie du diesen flachen Bauch beibehalten kannst? Du darfst nichts essen." Sahra machte große Augen.
„Nichts–"
„Essen, ja. Wenn du willst, dass dein Bauch flach bleibt, dann darfst du nichts essen."
„Ich–", plötzlich klopfte es gegen die Tür.
„Sahra, brauchst du noch lange?" Sie zuckte zusammen.
„Äh ja, äh nein, bin gleich fertig", sagte sie hektisch. Ana war weg. Sie packte ihren Bikini und schlüpfte hinein. Dann griff sie ihre abgelegten Sachen und ihre Tasche und öffnete die Tür. Laila und Maria standen umgezogen vor ihr und beäugten sie.
„Was hat denn so lange gebraucht?", fragte Maria.
„Äh, ich war noch kurz am Handy", antwortete sie schnell.
„Ah, okay."
Kam es ihr nur so vor, oder verweilten Lailas und Marias Blicke kurz auf ihrem Körper? Unbehagen kam in ihr auf. „Die denken sicher, dass ich total dick bin und ekeln sich davor", dachte sie traurig.
„So wird es wohl sein", erklang Anas Stimme.
„Also", sagte Sahra schnell um der Situation zu entkommen, „wollen wir dann?"
„Na, klar", sagte Laila und sie und Maria wandten sich von ihr ab. Sie gingen zu den Schließfächern.
„Ich bin irgendwie voll aufgeregt", sagte Laila fröhlich während sie ihr Handtuch aus der Tasche zog. Sahra nickte. Ja, sie war ebenfalls aufgeregt, aber wahrscheinlich anders, als Laila es war. Sie war aufgeregt, weil sie gleich unzähligen Menschen begegnen würde, die alle ihren Körper sehen werden. Ihre Hand verkrampfe sich kurz um den Griff der Spindtür, bei dem Gedanken an die ihr bevorstehenden Stunden. Scheiße, scheiße, scheiße. Warum hatte sie sich hierauf eingelassen? Wieso war sie überhaupt hergekommen? Weshalb hatte sie dem ganzen hier zugestimmt?
„Warum bist du denn aufgeregt?", fragte Maria und stopfte ihre Klamotten mehr schlecht als recht in den Spind. Laila schloss ihren ab.
„Naja, ich weiß nicht. Ich bin halt einfach wirklich froh, mit euch hier zu sein. Ich meine, wann waren wir das letzte Mal zusammen hier? In der fünften Klasse?" Maria überlegte kurz, dann hellte sich ihre Miene auf und sie sagte ein langgezogenes: „Ja, stimmt, da waren wir zu deinem Geburtstag hier. Alter ist das lange her." Laila lachte. „Genau. Und seitdem war ich, glaube ich, nur ein bis zwei mal hier. Ich bin gespannt, ob sich etwas verändert hat."
„Doch, ich glaube schon. Ich erinnere mich mal eine Anzeige gesehen zu haben in der stand, dass sie neue Rutschen gebaut hatten. Ist vielleicht Ein Jahr her oder so." Maria zuckte mit den Schultern. Laila griff die Worte sofort auf: „Stimmt, ich glaube das habe ich damals auch gesehen. Ich hatte mir sogar vorgenommen mal wieder hier hin zu gehen, habe es dann aber irgendwie doch nicht gemacht. Allerdings als– äh Sahra, alles okay?" Sahra zuckte zusammen. Sie hatte, während des Dialogs, wie zur Salzsäure erstarrt vor ihrem Spind gestanden und die Hand in die Tür gekrallt. In ihrem Kopf spukten Bilder herum von ihrem dicken Körper und Angst war in ihr aufgekeimt. Angst davor, dass die anderen sie und ihr Fett sehen werden. Durch Lailas direkte Ansprache war sie aber wieder zurück in die Realität geholt worden. Sie räusperte sich.
„Ähm, ja, äh alles okay. Sorry, war gerade in Gedanken." Schnell schmiss sie ihre restlichen Sachen in den Spind, holte noch Handtuch und ihre Trinkflasche heraus und schloss dann ab.
„So äh, wir können", sagte sie und versuchte sich ein Lächeln abzuringen. Die beiden blickten sie wieder schief an.
„Alles klar", sagte Maria mit langem „a".
„Du bist heute wohl ziemlich verpeilt", lachte Laila. Sahra lachte gekünstelt: „Haha, ja, stimmt wohl." Sie umschlang ihre Trinkflasche fester, damit man das Zittern ihrer Hände nicht sah.
„Also dann, äh, wollen wir?"
„Ja", nickte Laila und wandte sich zum gehen. Maria beäugte sie noch einmal komisch und Sahra lief Laila schnell hinterher. Sie konnte bereits lautes Stimmengewirr hören und der Chlorgeruch wurde immer stärker.
„Warum hast du eigentlich eine Trinkflasche dabei?", fragte Maria sie. „Ach äh, ich wollte mir nichts kaufen und Wasser schmeckt doch auch." Sahra lächelte unschuldig. Als sie durch die offene Tür in die große Halle traten wurde ihr leicht übel. So viele Menschen. So unfassbar viele Menschen und alle schienen sie anzustarren. Jedes Augenpaar schien auf sie gerichtet zu sein und sie verschränkte die Arme mit dem Handtuch vor dem Körper um ihren Bauch zu verdecken.
„Also dann", sagte Laila und blickte sich um, „suchen wir uns ein paar Liegen."
Dies gestaltete sich jedoch schwieriger als gedacht, da so gut wie alle besetzt schienen. Die meisten waren mit Handtüchern und Taschen reserviert.
„Also ich glaube, wir werden keine drei Liegen nebeneinander finden", sagte Sahra und blickte sich weiter um. Laila tat das mit einer Handbewegung ab.
„Ach, ist doch nicht so schlimm, wir können uns doch auch eine teilen."
„Da hinten ist eine!", rief Maria plötzlich und zeigt an das andere Ende der Reihe. Tatsache, da war noch eine freie Liege, genau neben einer auf der sich gerade eine Frau ausruhte und ein Buch las.
„Perfekt, die nehmen wir." Sie liefen zu der weißen Liege herüber und legten ihre Handtücher darauf ab. Sahra wickelte ihre Trinkflasche in ihr Handtuch ein, damit sie nicht geklaut wurde.
„Na dann, auf gehts", strahlte Laila, nahm Maria und Sahra am Arm und zog sie zum nächstgelegenen Becken. Es war wirklich sehr voll. Und laut. Viele Eltern schienen wohl mit ihren Kindern da zu sein, denn das Becken war voll von kleinen Knirpsen mit bunten Badeanzüge und Hosen und farbigen Schwimmbrillen. Die Kinder schrien und lachten und tobten im Wasser herum. Laila ließ sie los und ging als erstes die Treppen, die ins Becken führten, hinunter. Der Boden war hier nicht so tief, so dass das Wasser gerade einmal zur Brust ging.
„Kommt schon", lachte sie ihnen zu, „es ist super." Also stiegen sie die Stufen hinunter und gesellten sich zu Laila. Es war angenehm warm.
„So, und was machen wir jetzt?", fragte Maria. Laila wollte gerade etwas sagen, da traf sie ein Wasserball am Hinterkopf. Sie wandte sich kichernd um und ein kleiner Junge rief: „Entschuldigung!"
„Kein Problem", sagte sie und warf ihm den Ball zu. Der Junge fing ihn und warf ihm seinen Kumpel zu.
„Also, was ich sagen wollte", setzte Laila wieder an, „wir haben jetzt einfach Spaß!" Sie spritzte Maria und Sahra Wasser ins Gesicht.
„Na warte du!", lachte Sahra und schleuderte ihr ebenfalls etwas ins Gesicht. Laila und Sahra lieferten sich eine Wasserschlacht, während sich Maria von hinten an Laila anschlich. Dann sprang sie auf sie, klammerte sich an ihrem Rücken fest und drückte sie lachend unter Wasser. Hustend tauchte sie wieder auf und wischte sich die Haare aus dem Gesicht.
„Jetzt kannst du was erleben!", rief sie und warf sich auf Maria. Beide gingen unter. Als sie wieder auftauchten drehten sie sich zu Sahra um.
„Jetzt du!", rief Laila lachend und die beiden kamen langsam auf sie zu.
„Ihr werdet mich niemals kriegen!", lachte Sahra und warf sich zur Seite. So schnell wie es ihr im Wasser möglich war flüchtete sie vor ihren beiden Freundinnen. Diese waren ihr dicht auf den Fersen. Sie bog um eine Mauer, die den flachen Bereich vom tiefen trennte und schwamm hektisch weiter. Sie warf einen Blick nach hinten. Laila war noch immer hinter ihr, doch Maria war verschwunden. Sie schwamm weiter, versuchte zu kraulen und brachte ein wenig mehr Abstand zwischen sich und Laila. Sie tauchte unter um noch schneller zu sein und strampelt mit den Beinen. Sie schwammen unter einer Brücke durch in einen anderen Bereich des Beckens, der sehr tief war. Plötzlich sprang nur wenige Meter von ihr entfernt jemand vom Beckenrand. Das war Maria! Sie taucht wieder auf und kam auf direktem Wege auf Sahra zu. Diese drehte sich um und wollte abhauen, doch versperrte Laila ihr den Weg. Sie saß in der Falle. Beide kamen näher. Sie wich zurück. Sie stieß mit dem Rücken gegen den hinteren Beckenrand. Schnell drehte sie sich um und wollte rausklettern, doch plötzlich packte sie jemand am Fuß und zog sie zurück. Maria hielt sie fest und rief: „Jetzt Laila!", und Laila umfasste sie von hinten und tauchte mit ihr Unterwasser. Eine Sekunde später ließ sie sie wieder los und beide kamen zurück an die Oberfläche. Hustend klammerte sie sich am Beckenrand fest, doch dann musste sie in das Gelächter von Maria und Laila einstimmen.
„Boah ihr", sagte sie und hustet und noch mal. „Ihr seid echt fies." Maria gesellte sich neben sie und sagte grinsend: „Immer wieder gerne doch." Laila hielt sich ebenfalls am Rand fest.
„Also, ich bin dafür, dass wir jetzt rutschen gehen."
„Können wir machen", sagte Maria und zog sich aus dem Becken. „Okay, aber wartet noch kurz, ich brauche noch eine Sekunde." Sahra hustete noch einmal. Sie hatte beim untertauchen Wasser in die Nase bekommen. Sie verweilten also noch einen Moment.
Zwei Mädchen, vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt, schwammen mit geschlossenen Beinen, wie Delfine, an ihnen vorbei. Sie tauchten auf zum Luftholen, grinsten sich an und tauchten wieder unter.
„Okay, jetzt geht es", sagte Sahra, als ihre Atmung wieder normal war und kletterte Laila hinterher. Die Drei liefen eine lange Wendeltreppe hinauf, die zu den Rutschen führte. Doch waren Sie nicht die einzigen, die Rutschen wollten. Eine lange Schlange hatte sich vor den drei Röhren gebildet. Sie stellten sich an und warteten. Während des Wartens quatschen sie ein wenig und lachten. Als sie endlich dran waren zögerten sie nicht lange und rutschten direkt hinter einander weg. Maria vorne, Sahra in der Mitte und Laila hinten. Sahra war so schnell, dass sie gegen Maria knallte. Beide lachten. Laila klammerte sich an ihrem Rücken fest und als menschliches Knäul rutschen sie weiter durch die Dunkelheit. Dann wurde es plötzlich heller und die drei gelangten in das Becken am Ende der Rutsche. Sie entwirrten sich und Laila sprang direkt auf.
„Kommt schon, noch mal!",rief sie lachend und flitzte zurück zur Treppe. Gerade wollte Sahra aufstehen, da krachten von hinten zwei Jungs in sie hinein. Sie wurde umgeworfen und fiel auf Maria die dadurch zur Seite kippte.
„Oh, sorry", grinste einer der Jungs und er und sein Kumpel liefen schnell zur Treppe. Sahra und Maria richteten sich wieder auf und verließen rasch das Becken, ehe noch jemand weiteres in sie hinein rutschte und folgten Laila und den Jungs die Treppe rauf.
Und so rutschten sie weiter. Noch mal und noch einmal. Immer wieder sausten sie eine der Rutschen hinunter und immer wieder standen sie an der Schlange an. Doch nach einigen Malen wurde es Maria zu öde und sie lies die anderen beiden zurück und verschwand in ein anderes Becken. Sahra und Laila hingegen rutschten noch ein wenig. Gerade als sie zum elften Mal ins Becken sausten, löste sich Sahra aus Lailas Umklammerung, richtete sich auf und sagte: „Puh du, das reicht doch erst mal. Komm, lass zu Maria gehen. Die langweilt sich bestimmt schon ohne uns." Beide verließen den Rutschbereich und machten sich auf die Suche. Sie gingen zu ihrer Liege, doch dort war sie nicht. Sie liefen um die Becken herum und hielten nach ihr Ausschau, doch sahen sie sie nicht. Sie schwammen in den Außenbereich, doch auch dort hielt sie sich nicht auf. Wo war sie nur?
„Hmm, wie wäre es, wenn wir uns aufteilen?", fragte Laila, als sie den Außenbereich wieder verließen. Sahra überlegte kurz doch begeistert war sie nicht.
„Nein, das wäre nicht gerade schlau. Ich meine, wenn wir uns aufteilen und ich finde dann zum Beispiel Maria, dann müssen wir beide ja dich finden. Wir wären also quasi wieder an der Ausgangssituation: zwei von uns suchen die Dritte." Laila zuckte, soweit es im Wasser möglich war, mit den Schultern.
„Stimmt, hast recht, aber was machen wir dann?" Sie dachte nach. Wo könnte Maria nur hin sein? „Vielleicht ist sie ja inzwischen zur Liege gegangen und wartet auf uns. Ich meine, theoretisch wäre es doch möglich."
„Okay, da können wir noch mal gucken", sagte Laila und sie schwammen zum Beckenrand und kletterten raus. Sie durchquerten die Halle und gingen zu den Liegen. Allerdings konnten sie schon von weitem sehen, dass Maria nicht dort war. Sie blieben stehen.
„Und was machen wir jetzt?", fragte Laila und wandte sich ihr zu. Sie blieb still. Ja, was sollten sie jetzt machen? Wo sollten sie noch suchen?
„Ähm... naja... also, ich denke äh... wir müssen einfach weiter schauen. Ich meine, irgendwann müssen wir sie ja finden", sagte sie und blickte sich weiter um. „Vielleicht sollten wir–"
„Da ist sie!", rief Laila, packte Sahra am Arm und deutete nach rechts. Sie drehte sich um und tatsächlich, da kam Maria auf sie zu. Die beiden lösten sich aus ihrer Starre und liefen ihr entgegen.
„Wo warst du?", fragte Laila schon fast ein wenig vorwurfsvoll. „Wir haben dich überall gesucht." Maria schaute sie verwirrt an.
„Ich war auf Toilette", sagte sie und wies mit dem Daumen über ihre Schulter in die Richtung, aus der sie gerade gekommen war. Sahra nickte und gab sich innerlich einen Facepalm. Na klar, warum waren sie nicht sofort auf die Idee gekommen auch mal auf den Klos nachzusehen? Wäre das nicht eigentlich der erste Ort an dem man ein Mädchen vermuten würde, wenn es verschwunden war?
„Wow, ist das nicht irgendwie schon ziemlich sexistisch?", meldete sich Ana zu Wort. Doch Sahra gab trotzig zurück: „Naja, jetzt nicht unbedingt sexistisch, eher klischeehaft." Anas Stimme schwieg.
„Also, wollen wir dann wieder?", fragte Maria und deutete zu den Becken. Laila nickte eifrig. Sie ging den beiden voran zum Wasser und sie folgten ihr.
„So", sagte Maria, als sie wieder im Becken waren, „und was machen wir jetzt?" Sie überlegten.
„Wie wäre es mit–", plötzlich sprang ein Kind mit Anlauf vom Beckenrand, schlug nur einen knappen Meter neben ihnen auf und überflutete sie mit einer Welle von Wasser. Sahra kniff die Augen zusammen. Sie wischte sich einmal über das Gesicht und blinzelte. Der kleine Junge lachte und schwamm von ihnen weg. Maria schaute ihm böse hinterher.
„Was ich sagen wollte,", fuhr Laila fort, „wie wäre es mit verstecken?" Maria stöhnte. „Och echt jetzt? So ein Kinderspiel?" Doch Sahra verteidigte Lailas Vorschlag: „Hast du eine bessere Idee? Komm schon, das wird lustig."
„Ich fang an!", rief Laila, grinste und hielt sich die Hände vors Gesicht. „Eins! Zwei!–"
„Warte, warte, warte", warf Maria ein, „bis wie viel zählst du?"
„Ich dachte bis Sechzig."
„Quatsch, doch nicht bis Sechzig", sagte Sahra, „Das ist zu wenig. Im Wasser sind wir doch so langsam. Sagen wir bis Einhundert." Laila schloss die Augen wieder und begann zu zählen: „Eins! Zwei! Drei!" Maria und Sahra machten sich vom Acker. Maria schwamm zum tiefen Bereich, während Sahra aus dem Becken kletterte. Gedanklich zählte sie mit. „Elf. Zwölf." Versteck, Versteck, sie brauchte ein Versteck. Wohin sollte sie? „Fünfzehn. Sechzehn." Sie blickte sich um. Maria verschwand gerade um die Wand, die das flache Becken vom tiefen trennte. Schnellen Schrittes lief sie durch die Halle. Wo könnte sie sich verstecken? Ihr Blick fiel auf das Kinderbecken, abseits von dem großen Bereich. Es war gerade einmal Knöchel tief und sehr warm. Wärmer als das restliche Wasser. Sie ging darauf zu und blickte sich um. Ein paar kleine Kinder spielten in den Becken und ihre Eltern saßen daneben und passten auf. Ein Kind war ganz begeistert von einer Wasserfontäne die immer wieder aus dem Boden sprudelte und ein anderes versuchte die kleine Rutsche hinauf zu klettern. Die Rutsche! Sie lief auf die Rutsche zu und musterte sie. Theoretisch könnte sie sich darunter verstecken. Es war zumindest hoch genug, als dass sie dort aufrecht stehen könnte. Sie stellte sich unter die Rutsche und drückte sich möglichst nahe an die Leiter, um von außen nicht so schnell gesehen zu werden. „Siebenundvierzig. Achtundvierzig." Das kleine Mädchen hatte es die Leiter hoch geschafft und Rutsche hinunter.

„Neunundneunzig. Einhundert." Jetzt ging es los. Jetzt würde Laila anfangen zu suchen.
Sie wartete. Und sie wartete. Das kleine Mädchen, dass die ganze Zeit gerutscht war, kam auf sie zu. Sie schaute Sahra mit großen Augen an.
„Was machst du da?", fragte sie neugierig. Sahra lächelte, legte einen Finger auf die Lippen und sagte: „Ich verstecke mich hier, schh."
„Und warum versteckst du dich?", flüsterte das Mädchen.
„Ich spiele mit meinen Freundinnen verstecken, sie dürfen mich nicht finden", grinste Sahra, doch plötzlich schallte eine Frauenstimme durch die Luft: „Sophie, komm da weg!" Das kleine Mädchen wandte sich um und lief zu seiner Mutter. Die Frau warf Sahra einen vernichtenden Blick zu und zog ihr Kind weiter. Sie verdrehte die Augen. Gott war die bescheuert.
Sie wartete. Und sie wartete.
Des Öfteren spähte sie an der Leiter vorbei und schaute, ob sie Laila irgendwo erblicken konnte. Nein, keine Laila. Sie zog sich wieder in ihr Versteck zurück und wartete. Und wartete. Sie setzte sich auf den gefliesten Boden und zog die Beine an. Immer mal wieder rannte ein Kind an ihr vorbei und erklomm die Rutsche. Sie strich ein paar angetrocknete Haare aus dem Gesicht und starrte in die Leere. Wo blieb Laila nur? So gut war ihr Versteck doch auch wieder nicht. Sie linste noch einmal um die Ecke, doch zog schnell den Kopf wieder zurück. Scheiße, da war sie! Da stand sie gerade und hatte genau in ihre Richtung geblickt. Hoffentlich hatte sie sie nicht gesehen. Aber noch einmal nachschauen war ihr zu riskant. Leider war es so laut, dass sie nicht einmal hören konnte, ob Schritte auf sie zu kamen.
„Bitte lass sie mich nicht gesehen haben", dachte sie und presste sich mit dem Rücken gegen die Leiter. „Bitte lass sie mich nicht gesehen haben."
„Hab dich!"
Scheiße...
Laila steckte den Kopf unter die Rutsche und grinste Sahra an.
„Verdammt", lachte sie und stand auf. Laila zog sie am Arm hinter sich her.
„Hast du Maria schon gefunden?", fragte sie. Laila schüttelte den Kopf.
„Nein, noch nicht. Aber dass ich dich gerade eben gefunden habe war glaube ich auch nur Zufall, also könnte es bei Maria noch schwieriger werden." Sie ließ Sara los und ging am Beckenrand entlang. Sie hielt Ausschau. Zweimal umrundeten sie die Becken, aber von Maria keine Spur. Sie suchten weiter. Beziehungsweise Laila suchte und Sahra trottete einfach hinterher. Sie stiegen zurück ins Wasser und schwammen nach draußen. Nein, keine Maria.
Doch als sie gerade wieder rein schwammen weiteten sich Lailas Augen. Sie hob einen Arm aus dem Wasser, deutete gerade aus und rief: „Da ist sie!"
Sahra folgt ihrem ausgestreckten Finger und tatsächlich. Da stand, besser gesagt schwamm, Maria, gegen eine Wand gepresst, die zwei Bereiche voneinander trennte. Laila fuchtelte wild mit beiden Händen herum und begann in ihre Richtung zu schwimmen, Sahra hinterher. Bei ihr angekommen grinste Maria sie an.
„Ich sehe schon, du hast Sahra wohl zuerst gefunden." Sie nickte. „Also gut, wer ist jetzt dran?"
„Na die, die zuerst gefunden wurde", sagte Laila und stupste Sahra in die Seite. Sie seufzte. Dann war sie also jetzt dran.
„Okay.", sagte sie, hielt sich an der Wand fest, schloss die Augen und begann zu zählen: „Eins! Zwei!"

Und so spielten sie weiter. Sie spielten Runde um Runde. Bis Einhundert zählen und dann suchen. Die Becken abklappern, in den Ecken und an den Wänden nachsehen, nach draußen schwimmen und den Kinderbereich überprüfen. Sie fand Laila bei den Rutschen, während Maria sich auf einer freien Liege auf den Bauch gedreht und ihre Haare zu einem Zopf gebunden hatte. Nächste Runde. Laila war dran. Erst zählen, dann suchen. Sahra schwamm zu dem hintersten Rand und versuchte so lange wie möglich unter Wasser zu bleiben. Immer wenn sie auftauche um Luft zu holen tauchte sie direkt wieder unter, damit man sie nicht sah.
Noch eine Runde. Und noch eine.
Sie kletterte zu ein paar älteren Leuten in den Whirlpool und setzte sich so hin, dass man nur ihren Hinterkopf sehen konnte. So erkannte man sie nicht.
Sie schwamm in den Außenbereich und drückte sich in eine der Ecken und behielt den Eingang genau im Blick.
Sie machte Laila nach und versteckte sich bei den Rutschen.
Doch nach einiger Zeit gingen ihnen die Ideen aus. Verstecke wurden wiederholt und die Runden immer kürzer.
Noch eine Runde spielten sie, bis Maria sagte, sie habe keine Lust mehr. Sie legten eine Pause am Beckenrand ein und unterhielten sich, ehe Sahra auf die Idee kam Fangen zu spielen.
Sie fing an. Zehn Sekunden gab sie Ihnen Vorsprung, ehe sie ihnen hinterher jagte. Wobei „hinterher jagen" sehr übertrieben war, formal sie ja im Wasser äußerst langsam waren. Sie schwamm ihnen also so schnell wie es ihr möglich war hinterher. Die beiden trennten sich und verschwanden in verschiedenen Richtungen.
Schließlich kesselte sie Maria in einer Ecke, bestehend aus zwei hoch aus dem Wasser ragenden Wänden ein, so dass sie nicht heraus klettern konnte. Doch wollte sie sich noch nicht so schnell geschlagen geben und versuchte zur Seite weg zu tauchen. Aber Sahra erwischte sie, lachte, rief: „Yes!", und ergriff die Flucht.
So jagten sie sich von draußen nach drinnen, von drinnen nach draußen. Sahra schaffte es einmal Laila durch eine grandiose Aktion zu entgehen, indem sie die Treppe zu den Rutschen hoch sprintete und sich genau vor ihrer Nase in eine der Röhren stürzte. Laila folgte ihr dicht auf den Fersen, doch war Sahra schneller und konnte sie dadurch abschütteln.
Sie hatten so viel Spaß, dass Sahra ganz vergaß, sich für ihren Körper zu schämen. Sie genoss einfach die Zeit mit ihren Freundinnen und alle ihre Selbstzweifel und Sorgen wanderten in die hinterste Ecke ihres Kopfes. Als es kurz nach halb Fünf war beendeten Sie ihr Spiel und entschlossen sich dazu essen zu gehen.
„Was holt ihr euch?", fragte Laila, als sie gerade auf dem Weg zu ihren Spinden waren, um die Portemonnaies zu holen.
„Ich glaube, ich nehme Fischstäbchen", sagte Sara und überlegte. Ja, Fischstäbchen klangen nicht schlecht.
„Ah okay, und du Maria?" Maria zögerte kurz und sagte dann langsam: „Ich glaube, ich nehme einen Wrap." Laila stutzte. „Es gibt hier Wraps?"
„Ja, als ich mich vorhin im Essbereich des Restaurants versteckt habe, habe ich gesehen, wie eine Frau hier einen Wrap gegessen hat."
Sie waren an den Spinden angekommen und schlossen sie auf. „Okay, gut zu wissen, ich liebe Wraps", sagte Laila glücklich, griff ihr Portemonnaie und verschloss die Tür wieder. Die drei gingen zurück zur Halle. Kurz schauten sie noch einmal bei ihrer Liege vorbei, da Sahra noch ihre Trinkflasche holen musste, dann liefen sie zum Restaurant. Sahra warf noch schnell einen Blick auf die Auswahl. Doch, sie würde Fischstäbchen nehmen, dann traten sie nach vorne um zu bestellen. Laila und Maria nahmen beide einen Wrap und jeweils noch eine Cola. Sie bezahlten und setzen sich zusammen an einen Tisch.
„Na dann, guten Appetit", sagte Laila und sie spachtelten los.
„Mh, wie viel Zeit haben wir eigentlich noch?", fragte Sahra mit vollem Mund. Laila schluckte ihren Bissen hinunter.
„Also, wir haben für Drei Stunden bezahlt. Es ist jetzt", sie warf einen Blick auf die Uhr, die an einer Wand hing, „16:47 Uhr. Wir haben also noch ungefähr eine Dreiviertelstunde. Also bis circa halb Sechs Uhr. Dann müssen wir draußen sein."
„Ah okay", sagte sie und aß weiter. Fischstäbchen um Fischstäbchen schlang sie hinunter. Sie aß so schnell, dass sie fertig war, ehe die anderen auch nur mit der Hälfte ihrer Portion fertig waren.
„Hui, da hatte aber jemand Hunger", lachte Maria und stellt ihr Glas wieder ab.
„Ja", seufzte Sahra zufrieden und lehnte sich zurück. „So, ich gehe zurück zur Liege, okay? Falls ich nachher nicht da sein sollte, dann bin ich noch mal ins Wasser gegangen." Sie schob ihren Stuhl zurück und stand auf.
„Mach du nur", sagte Laila. Sie verließ das Restaurant. An der Liege angekommen stellte sie ihre Flasche auf den Boden und räumte die Handtücher beiseite. Nun konnte sie sich hinlegen.
Sie schloss die Augen und versuchte die warme Luft zu genießen. Doch plötzlich tippte ihr jemand auf den Bauch. Sie sagte laut: „Hey, lass das!", und schlug die Augen auf und erstarrte. Da saß Ana. Mit geweiteten Augen starrte Sahra sie an. Dann blickte sie rasch um sich um zu gucken, ob sie jemand gehört hatte. Doch niemand war gerade in ihrer Nähe. Sowieso war es in der Halle viel zu laut, als dass man sie großartig hätte hören können. Ana pikste ihr wieder in den Bauch. Sie zuckte zusammen und richtete sich auf.
„Lass das", murrte sie in ihren Kopf hinein und verschränkt die Arme. Doch Ana lachte nur spöttisch.
„Ach, ich soll das lassen? Ich soll es lassen dir in deinem fetten Bauch zu Piksen, aber du musst es nicht lassen wie ein Scheunendrescher zu fressen?" Sie schaute sie böse an. „Hast du mir nicht vorhin in der Umkleide noch gesagt du magst es, wenn dein Bauch flacher ist? Habe ich dir nicht gesagt, was du tun musst, damit das auch so bleibt? Hast du dich nicht noch vor wenigen Stunden für dein ganzes Fett geschämt?" Sie fing an zu schreien: „Wolltest du nicht versuchen so viel wie möglich zu schwimmen um so viel wie möglich zu verbrennen?!" Sahra wimmerte. Sie wischte sich über die Augen. Nein, sie durfte jetzt nicht weinen. Nicht in der Öffentlichkeit. Ihre Arme um die Beine geschlungen starrte sie auf ihre Knie.
„Ich... ich...", flüsterte sie gedanklich doch wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Sie schämte sich. Mit zusammengekniffenen Augen saß sie da und begann sich für die vergangenen Zwei Stunden zu schämen. Ihr wurde jetzt erst bewusst, was sie gemacht hatte. Sie hatte sich und ihren fetten Körper Dutzenden von Fremden gezeigt. Alle hatten sie gesehen. Alle mussten so angewidert von ihr gewesen sein und hatten bestimmt untereinander über sie geredet. Und die Male, als Laila und Maria alleine waren, zum Beispiel beim Versteckspielen, wenn Maria Laila zuerst gefunden hatte (oder umgekehrt), hatten sie sicherlich über sie gelacht, sich über sie lustig gemacht und gesagt, wie eklig sie doch war. Sie begann zu zittern. Nicht vor Kälte, eher vor unterdrücktem Schluchzen. Aber Ana war noch nicht fertig. Sie blickte von oben auf Sahra hinab und zischte: „Und was fällt dir eigentlich ein dich jetzt auch noch voll zustopfen? Sieh dich doch an!" Sie zog Sahras Beine von ihrem Körper weg und drücke ihren Kopf leicht nach unten. „Sieh dir deinen fetten, runden Bauch an. Wie aufgebläht und überfüllt er ist. Dass dir nicht schon speiübel ist wundert mich ja. Dass du nicht schon vor schmerzen verkrampfst ist mir ein Mysterium." Sahra blickte lange auf ihren Bauch.
Und plötzlich durchzog sie ein quälender Schmerz.
Ihr Bauch tat weh.
Sie umschlag ihn mit ihren Armen und verzog das Gesicht. Scheiße tat das weh. Sie fühlte sich so unglaublich überfüllt und von ihrem Magen wogten Wellen des Schmerzes über sie hinweg. Doch als sei das noch nicht genug, spürte sie auf einmal einen dicken Kloß im Hals.
Ihr war schlecht. Ihr war Verdammt schlecht.
Sie presste eine Hand auf ihren Mund und versuchte sich zusammen zu reißen. Sie würde nicht kotzen, sie würde nicht kotzen, sie würde nicht kotzen. Nicht jetzt, nicht hier. Sie traute sich nicht den Mund aufzumachen. „Nein, nicht kotzen Sahra, nicht kotzen", wiederholte sie immer und immer wieder in ihrem Kopf. Sie schluckte einmal kräftig und atmete tief ein und aus. Zitternd ließ sie die Hand wieder sinken und blickte zu Ana empor.
„Hilfe", hauchte sie. Ana kniete sich neben ihr auf den Boden und strich ihr über den Oberarm. „Schh, schh, ruhig Sahra, ganz ruhig. Ich bin ja da. Halte dich nicht zurück. Wenn du kotzen musst, dann geh kotzen", sagte sie mit sanfter Stimme. Sahra lief ein Schauder den Rücken hinunter. Nein! „Nein! Niemals!", rief sie in ihre Kopf hinein. Nein, sie würde nicht kotzen gehen. Nein, das würde sie nicht. Sie wollte nicht kotzen. Sie wollte nie wieder in ihrem gesamten Leben kotzen! Es musste doch noch eine andere Möglichkeit geben.
„Oh, die gibt es", sagte Ana leise und strich ihr weiter über den Arm. „Du weißt, welche Möglichkeit es noch gibt Sahra, du weißt es" Sie nickte. Ana lächelte sie warm an. „Also dann, ab ins Wasser."
Sahra sprang auf und lief schnellen Schrittes zum tiefen Becken. Ohne zu zögern ließ sie sich ins Wasser gleiten und begann zu schwimmen.

„Sahra? Sahra!" Sie schreckte auf und blickte zum Beckenrand. Da standen Laila und Maria und winkten sie zu sich. Sie schwamm zu ihnen herüber.„Was ist?"
„Wir müssen los", sagte Laila und deutete auf die nächstgelegene Uhr. Sie nickte, „Okay", und kletterte aus dem Becken.
„Hier, deine Sachen", sagte Maria und überreichte ihr Handtuch und Trinkflasche.
„Danke." Sie machten sich auf den Weg zu den Duschen.
„Also wisst ihr", sagte Laila, als sie sich gerade die Haare ausspülte, „ich fand das hier richtig schön mit euch." Sahra lächelte und sagte: „Fand ich auch." Selbst Maria wirkte ehrlich, als sie zustimmte. Fertig abgeduscht holten sie ihre Sachen aus den Schließfächern und gingen zu den Umkleidekabinen. Schnell trockneten sie sich ab und zogen sich an. Sahra war die Erste die fertig war und wartete vor den Türen auf die beiden. Sie strich sich die noch nassen Haare aus dem Gesicht und starrte die Türen an. Zuerst kam Maria und zum Schluss Laila. Sie gingen noch ein Stück bis zu den Föhnen um ihre Haare zu trocknen.
„Arg, ich hasse dieses Geräusch!", rief Maria während sie sich die Haare föhnte. Laila zog eine Bürste aus ihrer Tasche und kämmte sich damit die Haare.
„Kann ich auch mal?", fragte Sahra sie und ihr wurde die Bürste überreicht. Sie kämmte ihre zerzausten Haare ebenso und föhnte sie gleichzeitig weiter. Als sie halbwegs trocken waren, hängte sie den Föhn zurück und gab Laila ihre Bürste. Sie warteten noch, bis Maria fertig war und gingen dann den Weg zurück zur Eingangshalle. Sie gaben ihre Armbänder an der Kasse ab und verließen das Korallenriff.

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