Speed-Schreiben

Heute habe ich meinen Schülerinnen und Schülern der Deutschklasse (nicht vergessen: Sprachheilschule!) einen Auftrag in "Speed-Schreiben" gegeben. Sie sollten in zwei Lektionen eine Kurzgeschichte erfinden, in welcher folgender Prompt wörtlich vorkommen muss:

Mit grossen Augen starrte sie mich an, sie sagte nichts. Dann begann sie plötzlich zu lachen und sagte: "..."

Auf die Ergebnisse bin ich sehr gespannt. Natürlich habe ich mich auch daran versucht. Hier ist mein Ergebnis. Viel Vergnügen!

***

Der Teppich und der Depp - Ich

Ich wusste es bereits seit vielen Tagen: Die Teppichprüfung würde ich niemals bestehen können. "Mustafa ist der schlechteste Teppichflieger des Sultanats!", würden sie rufen. Die Angst davor wuchst mit jedem Tag. Mein Teppich lag zusammengerollt unter meinem Bett. Ich hatte ihn seit vielen Mondläufen nicht mehr benutzt, er setzte bereits Staub an. Anfänglich hatte er sich darüber beklagt, denn er sei ein intelligenter Teppich, den man nicht einfach so unter ein Bett legen könne. Doch ich hasste das Fliegen; wir wurde schlecht davon und ich fiel regelmäßig runter, landete im Sand und der Teppich krümelte sich vor Lachen. Ich hasste ihn und das Schaf, das seine Wolle gespendet hatte.

Nun aber war es soweit. In zwei Tagen war die Prüfung, wo wir unsere Flugkünste beweisen sollten. Deshalb hatte ich meine Schwester Amela um Hilfe gebeten. Sie war eine gute Fliegerin, hatte viele Male die Wüste durchquert und sogar zwei Pokale gewonnen. Sie war mein großes Vorbild. Mit ihren wunderbaren, blauen Augen blickte sie mich streng an. "Mustafa! Hol deinen Teppich sofort her! Du kannst nicht ohne ihn fliegen." Ich beeilte mich, denn das letzte, was ich wollte, waren die Prügel meiner Schwester! Die schmerzten mehr als der Stachel eines Wüstenskorpions, das wusste ich leider aus Erfahrung.

Schnell wie der Dschinn aus Aladins Wunderlampe stand ich wieder vor Amela. Ihr Gewand wehte im Wind; sie war die schönste Prinzessin der Wüste - und ich ihr Wurm von Bruder, der Prinz, der Thronfolger. Wie gerne hätte ich auf das Amt verzichtet, es Amela überlassen und dafür Vaters Dromedare gepflegt; aber ich hatte keine Wahl, ich musste die Schule und alle Prüfungen wie ein Prinz bestehen - mit Glanz und erfolgreich, denn ich war nun mal der Knabe und Amela die Prinzessin. Ich rollte den Teppich aus; er hustete und beschwerte sich, wie immer, dass ich doch besser als Eselsreiter taugen würde.

"Teppich, halt deine Klappe", ermahnte ihn meine Schwester, "du sollst meinem Bruder dienen und dich nicht über ihn lustig machen - er ist der Prinz, Sohn des Sultans; vergiss das nicht." Ich liebte meine Schwester; sie war so klug und niemand konnte ihr widersprechen. So rollte der Teppich seine Fransen ein und schwieg. "Mustafa, setz dich auf den Teppich. Konzentriere dich und flieg los. Leite ihn mit deinen Gedanken!"

Mit plötzlich auftauchenden Bauchschmerzen setzte ich mich auf dieses Höllending; in Gedanken sah ich mich bereits auf die höchste Düne hinabfallen, mich überschlagen und im Sand eingraben. - Ojeh, das waren die falschen Gedanken. Der Teppich hob ab, sauste in Richtung Düne, machte eine Vollbremsung und drehte sich zur Seite. Ich hatte keine Wahl, konnte mich nicht mehr festhalten und fiel kopfüber in den Sand. Nun war ich es, der hustete. Der Teppich lachte und Amela stemmte drohend die Fäuste in die Seiten.

Mühsam rekelte ich mich aus dem Sand, spuckte Reste davon ab und schaufelte mich frei. Als ich wieder vor meiner Schwester stand, lag der Teppich friedlich daneben, aber ich konnte sein Grinsen erkennen. "Siehst du, sogar ein Teppich lacht mich aus! Ich bin kein Prinz, ich bin ein Depp - ich!"

Mit großen Augen starrte sie mich an, sie sagte nichts. Dann begann sie plötzlich zu lachen und sagte: "Nein, Mustafa, der Teppich ist der flache Kerl, der dich über die Dattelpalmen tragen wird." - Dann lachten wir beide über das Wortspiel; meine Angst verflog sich wie der Staub nach dem Sandsturm und der Teppich zitterte leicht, als ich mich wieder setzte. Diesmal dachte ich an die endlosen Dünen, die sich wie sanfte Wellen aneinanderschmiegten, ich dachte an die Palmen und an das Glitzern des Teiches in der Oase. Der Teppich hob sanft ab, flog in weitem Bogen über den Palast, über den Garten hinaus in die Wüste. Während unter mir die Dromedare dahinzogen, konnte ich meine Schwester weit hinter mir jubeln hören.

Mit einem Mal freute ich mich auf die Prüfung; denn ich wusste jetzt: Die Gedanken ändern alles. Mit den richtigen Gedanken würde ich unbesiegbar sein. - In sha' Allah.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top