Geschenke

Es gibt Geschenke für die Ohren. Bands wie zum Beispiel Patent Ochsner liefern mir solche in unglaublicher Kadenz. Unmittelbar nachdem die Töne den äusseren Gehörgang überwunden haben und an meine Trommelfelle klopfen, entfaltet sich ein bunter Strauss von Harmonie und Wohlgefühl im Innenohr, strömt warm, wohltuend zum Hirn, um dort zu einem wahren Bukett an Wellness zu explodieren.

Es gibt Geschenke für die Augen. Als Mann darf ich in unserer modernen Welt leider keiner schönen Frau mehr Komplimente machen, wenn ich nicht als Lüstling und potentieller Vergewaltiger abgestempelt werden will. Schade, denn ich finde Komplimente für Stil, Mode oder Aussehen eine schöne Sache. So aber freue ich mich, als modernes und verantwortungsbewusstes Mitglied unsrer Gesellschaft, still und introvertiert an den Geschenken, welche an mir vorbeiziehen, einen feinen Duft von Parfüm hinter sich herziehend. Mein Verhalten erinnert nicht zufällig an Mani Matters Hemmige. Die visuellen Geschenke der Natur, Landschaften, Tiere, Blumen und Lichter hingegen darf ich kommentieren und loben wie ich will. Das ist schön.

Es gibt Geschenke für die Nase. Der Gewürzmarkt in Palermo ist ein wahrer Geschenkeladen. Küchen, in welchen feine Gerichte zubereitet werden - ein Genuss der Vorfreude. Der Topf mit Sugo aus frischen Tomaten und Pilzen, der seit Stunden auf dem Herd steht ist unvergessen, unvergänglich im Gedächtnis eingebrannt. Man mag mich für Verrückt halten, aber den Geruch nach Motoren, altem Leder und Dieselöl nimmt meine Nase in ähnlicher Weise als ein Geschenk auf. Nasengeschenke sind subjektiv.

Es gibt Texte, die sich wie Geschenke lesen. Es sind in Worte verpackte Geschenke, welche mich als Leser entführen, verzaubern, träumen, schweben oder schmelzen lassen wie der Käse bei den Schweizern. Fleurs Texte gehören dazu. Ihre Textgeschenke nehme ich dankbar an, sauge sie mit meinen Augen in mich ein und lasse mich nur zu gern in ihre Welten führen.

Dankbarkeit. Dieses Wort ist fest verbunden mit allen Geschenken. Ich schenke unglaublich gerne. Natürlich weiss ich dabei, dass die Beschenkten dankbar sind. Wenn sie es zusätzlich noch schaffen, dies zu sagen oder zu zeigen, ist die beidseitige Freude komplett. Es gibt aber Momente, wo ein Geschenk unkommentiert bleibt. Für mich sind das die schwierigen Momente. Zweifel kommen auf, ob das Geschenk seinen Sinn hat entfalten können. Dann aber merke ich, dass es Menschen gibt, welchen "danke sagen" schwer fällt. Umso wichtiger ist es, ihnen Dinge zu schenken, damit auch sie nicht zu kurz kommen.

Je länger ich über die unterschiedlichen Geschenke sinniere, desto näher komme ich dabei zu einem einzigen Fazit. Das Leben an sich ist ein Geschenk. Die Freunde und die Familie sind die bunte, wichtige und fröhliche Verpackung, Natur und Umgebung halten alles zusammen, bilden die Geschenkschnur. Ich schnurre zufrieden wie die Katze am Sonnenplätzchen und packe mein Geschenk aus. Dankbar.


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Bemerkungen: 

Patent Ochsner sind eine Schweizer Band, welche meist auf Berndeutsch wunderbare Musik machen. In der Schweiz sind sie sehr bekannt und beliebt. Ich seid einfach der Hammer! Danke!

Mit Fleurs Texten meine ich die unglaublich talentierte Autorin FleurDeCel. Ihre Bücher sind ein wahrer Genuss. Ich danke ihr dafür. (#FleurDeCel)

In seinem Lied "Hemmige" singt Mani Matter, der Schweizer Liedermacher (1936 - 1972), darüber, dass wir Männer den Frauen keine Komplimente zu machen wagen, sondern nur scheu und beschämt auf die Beine achten. Ich glaube, er hätte nie gedacht, dass seine Worte einst wahr werden würden, wenn auch aus anderen Gründen.

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