Edelsteine
Sie heissen Diamant, Rubin, Smaragd, Amethyst, Aquamarin, Opal oder Saphir. Allesamt sind sie Steine, hart, oftmals härter als Metalle. Sie faszinieren uns Menschen seit Angedenken, lassen unsere Sinne verwirren und verzaubern unsere Wahrnehmung. Ihnen wird Kraft zugesprochen, im Guten wie im Bösen. Ihre Seltenheit macht sie wertvoll, glücklich ist, wer solch einen Stein findet.
Entstanden in Jahrhunderten unter dem Einfluss von Druck und Hitze, kristallisierte Elemente, geformt von der Natur mit ihren eigenen Gesetzmässigkeiten. Dann kam der Mensch. Wie so oft versteht er keine zehn Prozent der Wahrheit und rühmt sich dennoch, alles zu wissen. Die Steine werden gesucht, gesammelt, gehandelt. Ihres Wertes wegen wird gemordet, gebrandschatzt und Menschen werden versklavt. Kinder kriechen unter menschenunwürdigen Bedingungen durch stickige, staubige Höhlensysteme und bringen die Steine für ihre weissen, oftmals übergewichtigen Besitzer zu Tage.
Ein Goldschmied nimmt sich danach der Ware an. Er schleift die Steine in ihre übliche Form, uniformiert sie. Ein Saphir hat in seiner Form wie ein Saphir auszusehen und nicht wie ein Rubin. An sich wäre ja die Farbe schon Unterschied genug, aber die anspruchsvolle Klientel solcher Zierde braucht Etikette, um wahrgenommen zu werden.
Mir sind die ungeschliffenen Edelsteine lieber. Sie haben Charakter, sie sind natürlich, sich selbst bestimmend und einzigartig. Ihre Härte lässt sie umso schöner und sanfter strahlen, wenn sie beleuchtet werden. In ihren Strahlen zeigt sich auch ihre Kraft. Der Rubin gibt Wärme, Feuer, der Bernstein Ruhe und Geborgenheit. Ihre natürliche Farbe und Form bestimmen, was sie sind und was sie bewirken können. Edelsteine sind Zeugen davon, wozu die Natur fähig ist. Der Mensch nimmt sich danach ihrer an, verändert die Form nach seinen Vorstellungen und lobt sich durch die noblen Schmuckstücke, welche die Dekolletés der reichen und schönen, weiblichen Accessoires der mächtigen Männer schmücken.
Die umgekehrte Betrachtungsweise finde ich viel spannender. Lassen wir uns Menschen doch einmal als Edelsteine durch die Welt wandeln. Während die Rubine um Macht und Ehre gegeneinander kämpfen, beruhigen die Smaragde unsere Sinne. Bernsteine heilen Wunden, Diamant spendet Licht und über allen wacht und strahlt der unantastbare Saphir, der Himmelsstein.
Das Wort edel kommt ursprünglich von Adel, vornehm oder rein. Die chemische Deutung von Reinheit gefällt mir in diesem Zusammenhang am besten. Edelsteine sind rein. Sie sind stark und mächtig, daher auch vornehm. Ein Mensch, der sich durch ihren Schmuck mächtig machen muss, ist eigentlich das Gegenteil davon, armselig, bedeutungslos. Lassen wir die Edelsteine doch lieber so, wie sie sind. Voller Kraft, Charakter und Energie. Versuchen wir nicht, sie in eine Form zu zwängen, sondern erfreuen uns an ihrem Licht und ihren Farben. Sie werden es uns danken, indem sie noch stärker strahlen und ihre positive Energie auf uns übertragen. Allen voran der Himmelsstein in seinem geheimnisvollen Blau.
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