Der neue Mann

Die Natur hat ihre meisten Lebewesen auf zwei Geschlechtern aufgebaut. Das bedeutet, damit das Lebewesen fortbesteht, muss es zu einem gemeinsamen Moment zwischen beiden Geschlechtern gekommen sein. Bei den meisten Lebewesen geschieht das unspektakulär. Mit Wind oder mit Wasser, mit anderen Lebewesen oder mit irgend einer andern Art der Übertragung. Wohl kaum ein anderes Lebewesen als der Mensch hat auf diesen Fortbestand seiner Art einen Kult aufgebaut, der seinesgleichen sucht. Der von seinem Intellekt und seiner "Selbsterkennung" gesteuerte Mensch hat sogar eigene Worte dafür entwickelt.

Nageln, vögeln, ficken, bumsen, "es ihr geben", "sie ran nehmen", und viele mehr. Bei diesen Begriffen fällt eines auf: Die weibliche Seite wird nicht wertschätzend behandelt, sie ist weniger Wert, dient bloss als Mittel zur Bestätigung der Männlichkeit. Unsere Kultur ist männlich, bis in jede kleinste Ecke. Wie damals, als die Sklaven von ihren Baumwollfeldern aufzogen, um frei zu werden, beginnen im zwanzigsten Jahrhundert Frauen sich für ihre Rechte zu wehren. Endlich. Genug der Unterdrückung. Genug der nicht ausgesprochenen subtilen Ungerechtigkeiten des Alltags gegenüber dem "Schwachen Geschlecht". Den Männern wird dabei Angst und Bange, denn im Gegensatz zu den Frauen haben sie sehr viel zu verlieren. Die Frauen können nur gewinnen.

Eigentlich sollte es nicht um einen Kampf zwischen den Geschlechtern gehen. Kampf ist jedoch die einzige Sprache, welche der Mann versteht. Das mochte damals, vor der Höhle mit der Keule in der Hand, durchaus Sinn gemacht haben. Von einem Mann der Moderne sollte man jedoch etwas mehr Differenzierung erwarten können. Männer handeln mit Frauen und Mädchen. Das Wertegefälle wird sogar in den von Männern geschriebenen Religionsbüchern und Gesetzen verankert, zementiert. Das gibt dem Mann scheinbar das Recht zu seinen Handlungen.

Die Natur hatte sich das anders vorgestellt. Es gibt Samenspender und Samenempfänger. Die Spender sind bei der Fortpflanzung eher unbedeutend, bloss einen kurzen Moment beteiligt. Ihre Spende wird gebraucht, logisch, aber nach der Lieferung macht die Empfängerin alles alleine. Gewisse Arten gehen sogar so weit, dass das befruchtete Weibchen das viel kleinere Männchen auffrisst. Wer ist hier das schwache Geschlecht? Das männliche Lebewesen ist oftmals bunter, mit beeindruckenden Attributen ausgestattet. Damit soll das Weibchen angelockt werden. Scheinbar braucht die Männlichkeit Attribute um auf sich aufmerksam zu machen. Dies, verbunden mit der Erkenntnis des "Ichs", hat den Mann dazu gebracht, sich selbst wichtiger zu nehmen, als das scheinbar farblose, schwache Weibchen. Und nun wird seine Übermacht angezweifelt.

Mann, jetzt ist die Zeit, deinen Kopf zu gebrauchen. Erkenne, worauf es tatsächlich ankommt. Erkenne und akzeptiere deine relativ unbedeutende Rolle bei der Fortpflanzung. Denke mit deinem Hirn und nicht mit deinen Hormonen. Vergiss deine Attribute und den ganzen Pomp, den du so gerne zur Schau stellst. Erkenne die Frau als gleichwertiges Individuum, das du nicht besitzen kannst. Lass dich ein auf die gemeinsame Reise mit ihr, geniesse den Moment. Manchmal geht es nicht darum, zu einem Ziel zu kommen. Manchmal genügt der Weg. Wertschätzende Zärtlichkeit ist so viel kräftiger als jeder erzwungene Erguss es jemals sein könnte.

Die Welt braucht einen neuen Mann, Version 2.0, sozusagen. Dieser neue Mann weiss, dass er wichtig ist. Er lebt mit sich selbst im Gleichgewicht. Damit er glücklich lebt, braucht er keine Bestätigung von aussen. Er nimmt und gibt im Einklang mit der Frau. Gemeinsam meistern sie die Schwierigkeiten ihres Lebens, geniessen aber auch dessen schöne Seiten. Der Mann 2.0 wendet keine Gewalt an, um die Frau an seiner Seite möglichst lange bei sich zu wissen. Er braucht dazu auch keine Accessoires, kein Geld, keine Show. Er überzeugt sie ganz einfach durch seine Wertschätzung davon.

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