Flashback

„Vally!" mit einem breiten Grinsen wurde Valerie von ihrer kleinen Schwester begrüßt, als sie an diesem Abend zu ihr ins Zimmer kam. Das kleine zierliche Kind wollte aufstehen, was die junge Frau schnell unterband. „Schneckchen, du weißt doch was der Doktor gesagt hat. Du musst brav liegen bleiben" sagte sie leise und beugte sich über das Krankenhausbett um sie zu umarmen.
„Du sollst nicht immer Schneckchen sagen, das ist doof" motzte die kleine, verschränkte die Arme und wölbte ihre Unterlippe nach vorn.
„Es tut mir leid, Charlotte! Besser?" Valerie kitzelte ihre Schwester um ihr schmollen zu vertreiben. Das dies keine gute Idee war, merkte sie schnell, denn Charlotte bekam einen Hustenanfall.
„Sch..... ganz ruhig atmen. Das geht gleich wieder vorbei" flüsterte die junge Frau und streichelte über ihren Rücken. Langsam beruhigte sich die 10 jährige und atmete wieder normal.
Seit vier Wochen lag sie nun hier in diesem Krankenhaus. Leider war das auch nicht Charlottes erster Aufenthalt und es würde nicht der letzte sein. Das dachte Valerie zumindest. Die kleine war schon immer kleiner und schwächer als Gleichaltrige und musste bei jeder Erkältung oder anderen Erkrankungen ins Krankenhaus. Ihr Immunsystem funktionierte einfach nicht. Manchmal dachte die Berlinerin, es läge daran, dass ihre Mutter einfach schon zu alt gewesen wäre, als sie Lotte bekam. Immerhin lagen 13 Jahre Altersunterschied zwischen den beiden. Aber sie vertrieb diese Gedanken immer schnell wieder. Es war nicht fair ihrer Mum gegenüber, die ihre beiden Töchter abgöttisch liebte.
„Guck mal in meinen Schrank. Schwester Mandy hat mir was geliehen" sagte Charlotte und grinste Valerie mit glänzenden Augen an. Neugierig schaute die Berlinerin in den Spind und musste sich ein Lachen verkneifen. Sie holte die Gitarre raus und setzte sich wieder zu ihrer Schwester aufs Bett.
„Was willst du denn hören?" fragte sie lächelnd.
„Das Lied was du immer geübt hast, bevor ich weg musste" Charlotte legte sich wieder hin, denn selbst das sitzen war zu anstrengend für sie.
Mit einem tiefen Atemzug setzte Valerie sich auf die Bettkante, legte die Gitarre auf ihren Schoß und begann zu spielen. Die ältere Schwester schloss ihre Augen und sang den ABBA Song, den sie für ihr Casting der Musicaladaption der Band vorbereitete.

I've seen it on your face
Tells me more than any worn out old phrase
So now we'll go separate ways
Never again we two
Never again, nothing I can do
Like an image passing by, my love, my life
In the mirror of your eyes, my love, my life
I can see it all so clearly
Answer me sincerely
Was it a dream, a lie
Like reflections of your mind, my love, my life
Are the words you try to find, my love, my life
But I know I don't posses you
So go away, God bless you
You are still my love and my life
Still my one and only

Als die Berlinerin ihre Augen wieder öffnete, lag Charlotte mit geschlossenen Augen in ihrem Bett.
Sie beugte sich über ihre kleine Schwester und küsste sanft ihre Stirn. „Bis morgen meine süße Schnecke" flüsterte Valerie und verließ das Zimmer. Sie wusste nicht, dass dies der letzte Tag sein würde, an dem sie Charlotte lebendig sehen würde.

„Valerie? Hey, was ist los?" Vincent sah, dass die junge Frau anscheinend in einem Tagtraum gefangen war. Anfangs fand er es noch süß, wie sie da saß und Löcher in die Luft starrte, aber als die ersten Tränen begannen zu fließen, wurde ihm die Sache doch unheimlich.
Immer lauter rief er ihren Namen und schüttelte sie.
Langsam kam Valerie wieder zu sich und wischte sich schnell mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.
„Sorry. Ich hatte grade wohl einen kleinen Flashback" Entschuldigend schaute sie ihr gegenüber an.
„Willst du drüber reden?" fragte Vincent und strich leicht über ihren Oberschenkel um sie zu beruhigen.
„Eigentlich nicht. Könntest du mich einfach nur in den Arm nehmen? Ich glaube, das brauche ich jetzt" flüsterte Valerie und Vincent breitete seine Arme aus und hielt sie schützend fest.
In seinem Kopf schwirrten die wildesten Spekulationen herum, woran sie wohl eben gedacht hatte. Aber wenn sie nicht darüber sprechen wollte, musste er das akzeptieren.
„So gerne ich auch den ganzen Tag hier mit dir liegen würde, aber ich muss noch mal ins Studio. Ich habe nen Termin mit einem Künstler." sagte der Produzent irgendwann und küsste Valeries Haaransatz. Murrend ließ die Brünette von ihm ab und brachte ihn zur Tür.
„Bleibt es bei Samstag?" fragte er, bevor er ging.
„Als ob ich bei einer Einweihungsfeier ala SDP nein sagen könnte. Wenn du noch was brauchst, sag Bescheid." Nach einem letzten Kuss schloss sie die Tür und lehnte sich stöhnend an das weiße Holz.
Sie hatte so lange nicht mehr an ihre Schwester gedacht und diese Erinnerungen taten einfach unglaublich weh.

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