Adresse

Das Telefon klingelte.
Es klingelte einmal.
Es klingelte ein zweites Mal.
Es klingelte ein drittes Mal.
Beim vierten Klingeln hob ich ab. "Hallo." Meldete ich mich.
Kein Name, es könnte Geschäftlich sein.

"Hallo. Spreche ich hier mit Mr. Grey?"
Kam die durch das Telefon verzerrte Stimme aus dem Hörer. Ich konnte nicht sicher sagen ob es eine männliche oder eine weibliche Stimme war, aber das war auch egal, der Anruf war geschäftlich.

"Das tuen Sie. Wie kann ich behilflich sein?"
Antwortete ich mit einer völlig austrukslosen Stimme.

"Ich werde ihnen gleich eine Adresse geben, ich möchte das alle Leute die sich in drei Tagen um 21 Uhr auf dem Gelände aufhalten, neutralisiert werden."
Ertönte die Stimme wieder aus dem Hörer. Sie war eindeutig männlich.

"Natürlich, sprechen wir über den Preis."
Erwiderte ich. Solche Aufträge waren nichts besonderes.

Eine Moment blieb es ruhig, als würde der andere überlegen. "1,5." Kam dann aus dem Hörer. "1,8." Erwiderte ich, "ich habe keine genaueren Informationen über die Anzahl der Leute noch die Beschaffenheit des Geländes."

"Okay 1,8." Stimmte der Andere nach kurzem Zögern zu.

"Die Hälfte gleich, der Rest in drei Tagen." Verlangte ich zusätzlich, ich würde mich garantiert nicht übers Ohr hauen lassen.

"Einverstanden. Es hat mich gefreut mit ihnen Geschäfte zu machen."
Willigte der Anrufer fast sofort ein.
"Gleichfalls. Die Adresse?"

"Sielska 83A, 05-500 Siedliska, Polen."

Ich Weitete die Augen, war ein wenig geschockt, aber nur ein wenig.

Ich antwortete mit völlig kalter Stimme: "Habe Verstanden." Und legte auf.

Bloß nichts anmerken lassen. Diese Adresse! Diese verdammte Adresse!

Mein Herz klopfte ein wenig heftiger und mein Atem ging ein wenig schneller.

"Beruhigt dich! Du bist ein Profi! Du lässt dich nicht von einer Adresse ablenken! Auch nicht wenn deine Schwester dort wohnt! Du bist ein Profi! Du wirst dich jetzt beruhigen!" Flüsterte ich leise vor mich hin und Atmete tief durch.
Es funktionierte. Ich wurde wieder ruhig, mein Atem und mein Herz beruhigten sich, meine Gedanken ordneten sich wieder und dachten praktisch.

Ich fing an den Auftrag zu planen. Ich buchte mir erst einmal einen Flieger der mich noch heute Abend nach Polen bringen würde, dann kontaktierte ich einen meiner Kontakte, ich gab ihm die Adresse und den Namen meiner Schwester, er sollte ihren Wochenplan herausfinden und mit eine Bauplan des Hauses zukommen lassen.
Ich gab ihm keine genauere Fakten über den Auftrag und er fragte auch nicht nach.

Ich packte noch nicht, ich würde das erst machen wenn ich weiß was in drei Tagen ist, dann kann ich planen was ich brauchen würde.

Etwa eine halbe Stunde später hatte ich die Informationen die ich brauchte. In drei Tagen würde dort eine Party stattfinden, der Grund war nicht wichtig, die Gästeliste interessierte mich nur insofern, dass ich wusste wie viele Leute Auf der Party sein würden. Es würden 112 Leute kommen.
Der Bauplan zeigte mir meine Möglichkeiten. Und innerhalb weniger Minuten hatte ich bereits einen Plan. Das war nicht mein erster Auftrag dieser Art.

Ich konzentrierte mich voll und ganz auf die Arbeit, ich dachte nicht mal an die Adresse oder an meine Schwester, ich musste profesionel bleiben. Musste mich verhalten wie ein Profi meines Faches.

Sielska 83A

Ich würde mein Schwester umbringen, meine einzige Familie die ich noch hatte. Meine Schwester dachte zwar ich sei Tod aber sie war trotzdem meine Familie.

Ich dachte aber nur daran wie viel Fentanyl ich brauchen würde. Ich funktionierte also noch. Gut!

Als ich alles was ich brauchen würde eingepackt hatte, fuhr ich zum Flughafen. Fragt nicht, ich bin Profi, ich weiß wie ich illegale Sachen in ein Flugzeug schmuggeln kann ohne aufzufallen.
Lange dauerte der Flug nicht, ich nahm mir ein Taxi bis zu meinem Hotel in Sielska. Es war schon relativ spät am Abend, also legte ich mich nach einer kleinen Mahlzeit zu Bett. Bevor ich einschlief, dachte ich nochmal an die Adresse.

Sielska 83A.
Meine Schwester. Meine Einzige Familie. Ich bin ein Profi! Ich darf nicht an so etwas denken! Ich darf keine Gedanken an so etwas banales wie die Familie denken! Ich muss mich auf den Job konzentrieren! Auch wenn ich meine Schwester umbringen muss, ich muss mich darauf konzentrieren sie umzubringen nicht auf sie selbst. Ich muss sie als Objekt sehen und die Adresse, Sielska 83A, als neutralen Ort eines Auftrags, und nicht als die Heimat meiner Schwester.
Ich schlief relativ schnell ein, nur um am nächsten Morgen in aller Frühe zu erwachen.

Die Zeit verging zügig. Ich sah mir das Haus und die Gegend an, verfeinerte meinen Plan und bereitete meine Ausrüstung für den nächsten Tag vor.

Ich rieb das Fentanyl zu Pulver und füllte dies in spezielle Behälter. Diese würde ich später an einen Schlauch und eine automatische Luftpumpe anschließen um das Fentanyl in das Haus zu pumpen. Ich kontrollierte mein übliches Equipment. Die Browning mit 9mm und Schalldämpfer, genug Munition, eine Dolch, scharf wie ein Rasiermesser und zwei Wurfmesser, ebenso scharf wie der Dolch. Zusätzlich noch eine Maske einen schwarzen Mantel und eine Atemschutzmaske.

Am Abend des dritten Tages fuhr ich gegen 21 Uhr mit einem gestohlenen Auto los und kam bald darauf an Sielska 83A an. Die Adresse meiner Schwester. Mein Arbeitsplatz für den heutigen Abend.

Die Feier hatte um 20 Uhr begonnen, also sollten mittlerweile alle da sein. Ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt.
Gut so, dann würden die Leute zu mindestens im Haus bleiben.

Ich setzte meine Maske auf, nahm mein Equipment und machte mich auf den Weg. Mein Ziel war ein großer Haselnussbusch hinter dem Haus. Hinter dem Busch angekommen, beobachtete ich das Haus erst einmal ein paar Minuten. Die Party fand wohl hauptsächlich in der Küche und im Wohnzimmer statt, also im Erdgeschoss. Perfekt.

Ich schlich mich zu einem gekippt Fenster im Wohnzimmer, aus dem Gelächter, Musik und Gesprächsfetzen herausdrangen. Ich steckte den Schlauch, der an einem der Gefäße befestigt war, in den Schlitz zwischen Fenster und Fensterrahmen und schaltete die dazugehörigen Pumpe an. Jetzt musste ich mich beeilen.

Ich brachte in den nächsten zwei Minuten noch einen Schlauch an einem anderen Wohnzimmerfenster, einem Küchenfenster und dem Badfenster an. Ich wartete etwa zehn Minuten, mittlerweile hörte man ein paar überraschte Ausrufe, die dumpfen Schläge fallender Körper auf den Boden und das Klirren fallengelassener Gläser. Nachdem alle Geräusche bis auf die Musik verstummt waren, setzte ich die Atemschutzmaske auf, zog meine Pistole und betrat das Haus.

Fentanyl ist tödlich, warreiert aber je nach Körper Masse und Menge. Der ein oder Andere könnte nur betäubt sein und überleben. Deshalb ging ich ihnen, fühlte bei jedem der Gäste den Puls, zählte sie nebenbei um sicher zu gehen, dass ich alle erwischt hatte. Elf der Gäste waren nur betäubt, bei dreien war ich mir ziemlich sicher, dass sie in den nächsten Minuten sterben würden aber ich ging auf Nummer sicher, zog meinen Dolch und schnitt ihnen die Halsschlagader auf. Danach durchsuchte ich das Haus. Ich fand noch zwei Leute die eine zu geringe Dosis Fentanyl abbekommen hatten um völlig betäubt zu sein, sie waren nur Orientierungslos aber noch bei Bewusstsein. Ich erschoss sie. Im Bad im ersten Stock fand ich meine Schwester, sie war ein wenig orientierungslos und desorientiert, aber bei Bewusstsein, sie Sah mich an als ich mit der Pistole in der Hand vor ihr stand. Sie sah mich an, ich weiß heute noch nicht wieso ich gezögert habe und sie nicht gleich erschossen habe, vielleicht weil sie meine Schwester war, vielleicht weil ich sie eigentlich nicht töten wollte. Ich weiß es nicht, aber ich hatte gezögert abzurücken, habe mit mir gehadert, mit dem Teil in mir der völlig gefühlslos seine Arbeit machen wollte und der Teil in mir der in dieser Frau seine Schwester, seine Familie erkannt hatte.

Ich zögerte und gab ihr die Zeit dazu mich zu erkennen, ihre Augen wurden groß vor Erstaunen und sie flüsterte meine Namen. "Alex."
Bei dem Klang meines alten Namens zuckte ich zusammen. Mein altes ich.
"Alex, was machst du hier? Warum hast du eine Pistole in der Hand?" Fragte mich meine Schwester leise mit leicht panischer Stimme. In diesem Moment erinnerte ich mich wer ich war und wieso ich hier war.

Ich war Mr. Grey. Auftragskiller. Profi. Ich hatte eine Job zu erledigen. Ich war nicht hier um meine Schwester zu sehen. Ich war hier um sie umzubringen.
Alex war tot. Damit war sie nicht mehr meine Schwester. Ich wusste bereits das mir die Adresse Sielska 83A immer im Gedächnis bleiben würde, ebenso das geschockte Gesicht meiner Schwester. Aber ich würde damit umgehen können.
Ich fühlte wie ich ruhig wurde. Wie sich diese stille Ruhe einstellte, die ich immer verspürte wenn ich tötete. Und ich drückte ab.


1500 Wörter

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top