Eine reine Herzenssache

Da stand er nun. Der Mann, der in meinem Leben für soviel Leid gesorgt hatte. Wie ich ihn hasste! Mein Hass ihm gegenüber ist so groß, dass ich es gar nicht mehr beschreiben kann. Wie er da vor mir stand, mit diesem kalten, schadenfrohen Grinsen.
Ich verengte die Augen und griff unauffällig hinter meinen Rücken, wo sich eine Pistole befand.
Ich wollte es beenden.
Hier und jetzt.
Ein für allemal.
"Weist du was? Heute ist der Tag, an dem alles vorbei sein wird.", sagte ich mit ausdrucksloser Stimme und zog dann in Sekundenschnelle die Waffe, richtete sie auf ihn, legte die Finger an den Auslöser...
...und spürte einen entsetzlichen Schmerz in meiner Brust.
"Ja, da hast du wohl recht. Heute wird alles für DICH vorbeisein.", sagte er, wobei er nach wie vor die Waffe, auf mich gerichtet, in der rechten Hand hielt.
Ich sah hinunter. Er hatte genau das getroffen, was er wollte: mein Herz.
Ich ließ die Pistole fallen und sackte zusammen. Panisch drückte ich beide Hände auf die klaffende Wunde in meiner Brust und versuchte, die nicht enden wollende, Blutung zu stoppen. Vergebens...
Ein Husten durchschüttelte meinen ganzen Körper und machten den Schmerz nur noch schlimmer. Ich beugte den Kopf nach vorne, noch immer hustend. Mit brennenden Augen sah ich auf den blutbefleckten Boden vor mir und spürte auch dabei, wie ein einzelner Blutfaden aus meinem Mund und über mein Kinn lief, ehe er tropfenweise auf dem,
bereits blutbefleckten, Boden landete.
"Du... elendiger Bastard!", knurrte ich durch meine zusammengepressten Zähne und hob den Blick wieder, um ihm direkt in die Augen zu sehen.
Er hatte mir bereits alles genommen. Er war nie für mich da. Hat mich und meine Mutter im Stich gelassen, sogar, als sie sterbenskrank war und wir kaum Geld hatten, um uns zu versorgen. Mittlerweile war sie Tod, nur wegen ihm! Er hat wirklich nicht davor zurückgeschreckt mir das Leben zur Hölle zu machen und anscheinend freut es ihn sogar, zumindest seinem Grinsen nach zu urteilen.
"Ich hatte eine Kugel. Und ich habe mein Ziel getroffen. Schade, ich hatte wirklich mehr von dir erwartet.", sagte er bloß, wobei sein Grinsen verschwand und er mich enttäuscht ansah und leicht den Kopf schüttelte. Dann wand er sich von mir ab, bereit mich zum Sterben zurückzulassen.
"Glaubst du, dass so einfach wieder so abhauen kannst, wie damals?", fragte ich kaum hörbar, doch er blieb stehen. "Ich habe nichts von all dem vergessen. Glaubst du, du kannst wieder vor deinen Taten fliehen? Oh nein, diesmal nicht.", fuhr ich mit erstickter Stimme fort und kämpfte mich langsam wieder auf. Ich erhob mich wankend von den Knien, ging in die Hocke und stand dann ganz auf. Dabei hatte ich meine Pistole aufgenommen, welche ich vorher zu Boden hatte fallen lassen. Diese in der rechten Hand und die Linke auf meine Wunde pressend, ging ich stolpernd mit langsamen Schritten auf ihn zu. Alles war verschwommen und mein Sichtfeld wurde auch immer dunkler.
Er machte sich nichtmal die Mühe weiterzugehen. Stattdessen stand er nur weiterhin, mit dem Rücken zu mir gewandt, da.
"Weist du eigentlich, wie scheiße mein Leben war? Wie es ist, glückliche Kinder mit ihrer Familie zu sehen, wenn einem selber alles genommen wurde?", fragte ich ihn anklagend und näherte mich ihm immer weiter.
"Ich hätte dich gebraucht... Jedes Kind braucht einen Vater, der für es da ist. Also wo warst du?", fragte ich, meine Stimme nichts weiter, als ein trockenes Flüstern.
Ich stand direkt hinter ihm. Ich sah, wie er die Hände zu Fäusten ballte, bemerkte das Zittern seines Körpers, realisierte, wie er sich plötzlich zu mir drehte, bereit mir den tödlichen Schlag zu versetzen.
. . .
Er ließ seinen Arm senken, seine Faust öffnete sich wieder. Mit entgeistertem, glasigem Blick stand er direkt vor mir.
"Jetzt ist die Zeit gekommen, dass du für deine Taten einstehst.", hauchte ich nur und war selber dem Ende nah.
Sprachlos sah auf meine rechte Hand, welche an der Pistole ruhte und welche ich wiederum nun  an seine fest gegen seine Brust presste. Mit der linken Hand hielt ich nun seine Schulter fest, um ihn am Umfallen zu hindern. Zitternd stellte ich mich auf Zehnspitzen, um an sein Ohr zu gelangen.
"Du hast mich nie geliebt oder, 'Paps'? Ich war dir scheißegal, obwohl ich nie aufgehört habe dich lieb zu haben und zu hoffen, dass du zurückkommen würdest.", flüsterte ich in sein Ohr und brachte ein schwaches Lächeln zustande.
"Hier endet unsere Zeit jetzt wohl...
Wir sehen uns im nächsten Leben, okay?...

...Und ach ja, sei bitte nicht so ein Arschloch, wie jetzt, versprochen?"
Das waren die letzten Worte, die ich sagen konnte. Ich entfernte mich wieder von seinem Ohr und trat einen Schritt nach hinten.
Seinen Ausdruck konnte ich nicht deuten.
War er wütend, weil sein Leben nun doch vorbei war?
Traurig, weil er seine Taten doch bereute?
Ich weis es nicht...
Das letzte was ich tat, war seine Schulter loszulassen. Ich sah ihn, wie in Zeitlupe, nach hinten fallen und hörte gedämpft das dumpfe Geräusch, als sein Körper auf dem Boden aufschlug.
Lächelnd schloss ich die Augen, fiel nach vorne auf die Knie und ließ mich mit dem Bauch auf den Boden fallen.
Da lagen wir nun Beide. Gestorben durch die Hand des Anderen und im Tode nebeneinander für immer vereint, bereit sich unserem jeweiligen Schicksal zu fügen ...

~ End ~

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