23. Kapitel
Wir haben verstecken, fangen und Fußball gespielt, wobei Tommy natürlich so gut wie immer gewonnen hat. Der Kleine hat seinen Frust wegen Lisa ganz vergessen und ich habe auch schon eine Weile nicht mehr darüber nachgedacht, aber mein Handy ändert das. Auf dem Display steht die Festnetznummer von den Kleavelands und es gibt nicht viele Möglichkeiten, wer das sein kann.
>Ja?<
>Nana<, höre ich Lisa schluchzen, dann Sarah, die im Hintergrund ihren Namen ruft.
>Was ist passiert?<, frage ich sie sofort und winke Jason zu mir, der sich Tommy schnappt und auf den Arm nimmt.
>Mama sagt, dass Papa nicht mein Papa ist und wir weg ziehen. Weg von Papa, Tommy und dir. Ich will nicht weg von euch.< Ihre Stimme zittert und ich kann ihren Schmerz praktisch spüren. Mein erster Gedanke ist, dass sie etwas falsch verstanden haben muss, aber ich glaube es nicht. Lisa ist klug und wenn sie sich nicht sicher wäre, würde sie nachfragen.
So schnell ich kann laufe ich Jason entgegen und forme lautlos das Wort „Parkplatz" mit meinen Lippen. Er nickt knapp und ich konzentriere mich wieder auf Lisa.
>Das musst du nicht<, versichere ich ihr so ruhig wie möglich. >Wir kommen nach Hause und klären das ja?<
>Ja<, bringt sie zwischen ihren Schluchzern hervor und weint noch mehr. >Papa<, sagt sie und ich gebe Jason mein Handy, ohne weiter nachzufragen.
>Lisa?< Er muss an meiner Art zu sprechen erkannt haben, dass sie es ist. Er reicht mir Tommy und hört Lisa zu.
>Was hat Lisa denn?<, will Tommy wissen und ich bin ratlos.
Was soll ich ihm sagen?
Irgendetwas sehr schlechtes passiert da grade in der Familie Kleaveland und das gefällt mir ganz und gar nicht.
>Das ist schwer zu erklären. Wir fahren nach Hause und sehen nach ihr<, weiche ich aus und er hält sich an meiner Bluse fest. Jason wird schneller und ich habe Probleme mit ihm mitzuhalten, bis er mir mein Handy zurück gibt und Tommy wieder nimmt. Er ist wütend, das ist nicht schwer zu erkennen, darum folge ich ihm schweigend und nehme ihm die Schlüssel ab, als er das Auto geöffnet hat. Er starrt mich einen Moment lang an, dann nickt er knapp, schnallt Tommy in seinem Sitz fest und ich fahre uns nach Hause.
Ich halte es für eine gute Idee, Jason nicht anzusprechen, darum tue ich es auch nicht und fahre zügiger als üblich, ohne es zu übertreiben. Schließlich fahre ich, damit Jason seine Wut nicht an seinem Auto und der Verkehr auslassen kann.
Sobald ich auf der Einfahrt stehe, springt er schon raus und geht zum Haus, während ich Tommy aus seinem Sitz hole, der wirklich verängstigt ist, aber was soll ich ihm sagen? Ich versuche es einfach mit ein paar beruhigenden Worten und trage ihn ins Haus. Drinnen finde ich Sarah in der Küche mit diesem Erik, keiner von beiden beachtet mich. Jason ist nicht zu sehen, deshalb gehe ich nach oben und zu meinem Zimmer, weil dort die Tür offen steht. Jason kniet neben meinem Bett, eine völlig aufgelöste Lisa in den Armen. Tommy will runter, darum lasse ich ihn und er schließt sich den beiden an.
>Es wird alles gut<, sagt Jason leise und Lisa streckt eine Hand nach mir aus. Ohne zu zögern gehe ich zu ihr und gebe ihr meine Hand, drücke sie.
>Wir gehen nicht weg<, versichere ich ihr und sie nickt.
>Hier hast du dich also versteckt.< Wir drehen uns alle nach Sarah um, die in der Tür steht und auf uns herab sieht. Erik steht nur ein Stück hinter ihr, ein selbstgefälliges Grinsen im Gesicht. >Komm her.< Lisa schüttelt den Kopf und nimmt Jasons Hand, als er aufsteht.
>Ich will nicht.< Sarah kneift die Augen zusammen und stemmt die Hände in die Hüfte, offensichtlich ungeduldig.
>Jason, gib sie mir. Die Scheidungspapiere kommen im Laufe der Woche, dann gehört sie ohnehin mir.<
>Sie ist nicht dein Besitz<, wiederspricht er, funkelt sie wütend an.
>Natürlich nicht, dir gehört sie aber auch nicht. Findest du nicht, sie sollte bei ihren richtigen Eltern aufwachsen?< Ich kann sehen, wie sich Jason plötzlich anspannt und sein Blick zwischen ihr und Erik hin und her huscht. Er fügt Puzzleteile zusammen, die ich nicht kenne, dann schüttelt er langsam den Kopf.
>Er?<, fragt er schließlich und sie lacht.
>Wer denn sonst? Glaubst du wirklich, dass ich ein Kind von dir wollte? Lisa ist Eriks Tochter und Tommy war ein Unfall. Ich wollte noch ein zweites Kind von Erik, aber ich war schon von dir schwanger. Ich konnte nicht abtreiben, sonst hätte ich es getan.< Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich mir Jason und die Kinder schnappen und verschwinden will.
Wie konnte ich zwei Jahre mit ihr unter einem Dach leben und nicht sehen, was für ein Monster sie ist?
Tommy weint und klammert sich an Jasons Arm, der selbst völlig am Boden zerstört ist. Lisa hält sich die Ohren zu und versteckt sich hinter Jason.
Warum kann ich nichts tun?
>Glaubst du wirklich, irgendeine Frau will dich um deinetwegen? Du bist ein Weichei, Jason. Sieh dich doch an. Du siehst gut aus und hast Geld, dazu ein Kind, das nie jemand wollte. Außer dir vielleicht. Was noch? Eine verlogene Nanny, der du vermutlich dein Herz ausschüttest und vertraust, obwohl du rein gar nichts über sie weist. Hat sie dir von den Schulden erzählt? Von der Spielsucht?< Sie verdreht alles und biegt es sich zu Recht, wie es ihr in den Kram passt. Jason sieht mich an, völlig fertig mit der Welt. Er weiß nicht, wem er glauben soll, das sehe ich ihm an und ich kann ihn verstehen. Das hier ist zu viel für ihn.
>Das stimmt nicht. Ich-<
>Ach hör doch auf!<, unterbricht mich Sarah und zeigt mit dem Finger auf mich. >Du billiges Ding hast doch selbst versucht, mit seiner Kreditkarte abzuhauen. Erik hat dich damit in einer Bank gesehen, das kannst du nicht leugnen. Du bist nur geil auf das Geld und erzählst ihm alles, was er hören will. Dir kommt es sehr gelegen, dass ich die Nase voll habe und zu Erik zurück will, nicht wahr?< Diese Frau macht mich wirklich wütend. >Und du?<, fragt sie Jason. >Hast du sie schon geschwängert oder hat sie dir noch nicht oft genug gesagt, wie sehr sie dich doch liebt?< Damit hat sie es geschafft, meine Sicherung durchbrennen zu lassen.
Sie kann mich so schlecht machen, wie sie will, aber das?
>Du bist hier billig!<, schrie ich sie an, doch sie hebt nur eine Braue. >Du betrügst einen Mann, der dich wirklich liebt und trotzdem heiratet er dich. Du lebst acht Jahre als seine Frau und schiebst ihm ein falsches Kind unter und wofür? Um ihn zu verlassen und diesem Arschkriecher nachzujagen? Es ist wahr, ich habe Schulden aber nein, ich habe nie Geld gestohlen um sie zu bezahlen und war auch nie spielsüchtig. Ich habe Jason nie hintergangen und niemals angelogen, im Gegensatz zu dir. Weißt du, dass nicht er derjenige ist, der hier verliert? Nein, du bist es<, fahre ich sie an und gehe drohend auf sie zu.
Das muss endlich mal gesagt werden!
>Erik Prove ist mindestens so reich wie Jason, das stimmt, aber wusstet du auch, dass er auf dem absteigenden Ast ist? Seine Firma geht den Bach runter, deshalb will er, dass du Jason verlässt und so viel Geld mitnimmst, wie du kannst. Deshalb will er plötzlich ganz offiziell mit dir zusammen sein und deshalb hat er dir einen Antrag gemacht. Nur wegen Geld.< Sarah starrt mich an, noch immer mit spöttischem Blick, aber nicht mehr so überzeugt wie vor meinem Ausbruch. >Ich habe Fehler gemacht und dazu stehe ich, aber ich habe nie vorsätzlich jemanden verletzt. Ich liebe Jason und die beiden Kinder, völlig egal, wer ihre leiblichen Eltern sind. Wenn du nur einen winzigen Funken Anstand oder die Gefühle einer Mutter hast, dann lässt du sie bei ihm. Du kannst diesen Kindern keine Mutter sein, wenn du eine so verdrehte Vorstellung von Liebe hast. Jason hat dir immer alles von sich gegeben und was hat er getan?<, frage ich sie und deute auf Erik.
Er ist genau so schlimm wie Sarah. Nein, er ist noch schlimmer, er ist Schuld an all dem.
>Im Endeffekt hat er dich geschwängert, um sich einen Zugang zu dir zu sichern und was noch? Bis seine Firma angefangen hat rote Zahlen zu schreiben hat er sich kaum noch gemeldet, habe ich Recht? Vor zwei Monaten ist er dann plötzlich aufgetaucht, mit geöffneten Augen und wollte eine Familie, anstelle der Karriere. Er wollte alles für dich hinschmeißen, richtig?< Sie weicht zurück und ich weiß, dass ich mit meinen Mutmaßungen ins Schwarze getroffen habe. >Du kannst tun, was du willst, aber ich werde nicht Kampflos das Feld räumen.< Sarah will sich zu Erik umdrehen, aber der hat sich schon vor einer Weile aus dem Staub gemacht. Langsam lässt sie die Schultern sinken und sieht zu Jason, mit Tränen in den Augen.
>Es tut mir leid<, sagt sie, aber Jason schüttelt nur den Kopf.
>Kommt ihr zwei, wir gehen.< Lisa und Tommy nehmen jeweils eine seiner Hände und verlassen mit ihm das Zimmer. Ich weiß nicht, ob ich mich schon einmal einsamer gefühlt habe. Mein Herz tut weg und ich muss den Blick auf den Boden senken. Ich kann ihnen nicht nachsehen, es schmerzt zu sehr.
>Jason, ich-<
>Nana?<, wird Sarah von Lisa unterbrochen und ich sehe zu ihr. Sie reicht mir eine Hand und lächelt zaghaft. Mein Blick wandert zu Jason, der mich ernst ansieht, dann nickt er. Mir steigen Tränen in die Augen vor Glück und ich gehe zu Lisa, gebe ihr meine Hand.
>Danke.< Sie lächelt nur und wir alle lassen uns von Jason mit ziehen.
Bin ich wirklich ein Teil dieser wundervollen Familie, Sarah ausgenommen?
Sarah bleibt zurück mit ihrem Scherbenhaufen, den sie selbst verursacht hat und sieht uns nach. Sie hat nichts mehr, aber sie selbst hat es so gewollt. Es ist mir gleich, was aus ihr wird, solange es Jason und seinen Kindern gut geht. Ich werde alles tun was nötig ist, um ihnen zu helfen, sich ein neues Leben aufzubauen und glücklich zu werden.
ENDE
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