02 Die Winkelgasse
Wie abgesprochen, kam Professor McGonagall am Dienstagnachmittag wieder und brachte die kleine Familie in die Winkelgasse.
Lia brachte vor Staunen den Mund fast nicht mehr zu. Besonders liebte sie die kleinen Wunderlichkeiten in den Schaufenstern. Die alle den Anschein erweckten, nicht still stehen zu vermögen und unaufhörlich ihren Platz wechselten.
Ms. Carter beobachtete ihr Tochter belustigt. Nur selten zeigte Lia echte kindliche Begeisterung. Als Musikerin war Ms. Carter ein Freigeist, so hatte sie die Idee einer geheimen, magischen Welt recht gelassen hingenommen.
Mr. Carter hingegen konnte seine Skepsis einfach nicht los lassen. Ihm kam dieser ganze Ort doch sehr eigenartig und fremd vor. Besonders unangenehm befand er Gringotts. Die kleinen, unfreundlichen Wesen die dort arbeiteten, überstiegen dann doch was sein schon sehr festgefahrener Verstand bereit war zu akzeptieren.
Obwohl Mr. Carter keine sehr ausgeprägte Fantasie hatte, war er dennoch kein dummer Mann und so war ihm bewusst, dass man auch in dieser Welt ohne Geld nicht weit kommen würde. Dementsprechend und obgleich er selber diesem Irrsinn nicht viel abgewinnen konnte, war er bereit eine nicht unerhebliche Summe für seine Tochter, in große, schwere Münzen zu tauschen.
Lia bekam nur wenig mit von den Gedanken ihrer Eltern. Für ein sonst sehr aufmerksames Kind war das eine Seltenheit. In ihrer Hosentasche hielt sie fest umklammert einen kleinen Zettel. Es war eine Einkaufsliste, die sie nach dem Vollenden ihres Masterplans zusammengestellt hatte.
Nach Gringotts brachte Professor McGonagall die kleine Familie zu Madam Malkins Anzüge für alle Gelegenheiten.
Madam Malkin stellte Lia sogleich auf einen kleinen Schemel und ließ einen langen Umhang über ihren Kopf gleiten. Das Abstecken dauerte keine drei Minuten worauf Madam Malkin einmal ihren Zauberstab schwang und vier schwarze Umhänge nähten sich von alleine zurecht. Mit einem weiteren Schwung faltenden sich die Schuluniformen und ihr neuer, sehr grässlicher Spitzhut ordentlich in eine Tüte auf dem Tresen.
Ms. Carter, die von Professor McGonagall erklärt bekommen hatte, wie die Zauberer-Währung funktionierte, bezahlte.
Weiter ging es zu einer Apotheke. Sie war ganz und gar nicht was sich Mr. und Ms. Carter unter einer Apotheke vorstellten. Von Reinlichkeit konnte hier keine Rede sein. Allerlei tierische und pflanzliche Teile waren dort ausgestellt. Manches hing sogar von der Decke! Lia konnte sich nicht entscheiden ob sie den Ort fantastisch oder abstoßend fand. Besonders die teilweise noch lebenden und sich kringelnden Insekten waren ihr zuwider. Den Einkauf dort gestaltete die Familie so kurz wie möglich.
Danach ging es zu dem Laden auf den Lia schon den ganzen Tag gewartet hatte: Flourish & Blotts. Kurz nachdem sie den Laden betreten hatten, reichte Lia ihrer Mutter die Schul-Einkaufsliste.
„Mama kannst du bitte die Bücher holen? Ich würde gerne schauen ob ich noch ein paar extra Bücher über Hogwarts finden kann."
Ms. Carter schaute skeptisch, schlug Lias Bitte jedoch nicht ab, schließlich hatte sie keinen Grund dafür. Sie war sich dennoch sicher, dass ihre Tochter mal wieder etwas ausheckte.
Lia verschwand sogleich hinter den Regalen mit Geschichtsbüchern. Ohne große Umschweife griff sie ein Exemplar von Geschichte Hogwarts' und machte sich auf zum obskureren Teil des Geschäfts.
Dort fand sie ein paar Unheil verkündende Bücher, die sich in verschiedensten Formen mit Voldemort beschäftigten und leider alle waren getreu der Harry Potter Reihe. Der kleine Harry war am 31. Oktober 1981 Waise geworden. Er überlebte aus unbekannten Gründen den Todes-Schwur woraufhin Voldemort spurlos verschwand. Bis heute lebt er bei Muggle-Verwandten.
Lia seufzte. Wenigsten hatte sie sich nicht umsonst in den letzten Tagen so viele Gedanken gemacht. Sie kramte ihre kleine Liste hervor.
Nach langen Grübeln kam Lia zu dem Ergebnis, dass sie keine andere Wahl hatte als mit Dumbledore zu reden. Selbst wenn sie nichts in der Geschichte verändern würde, wäre es unvermeidlich für sie Okklumentik zu lernen und das schnellst möglich.
Olivia hatte kaum Erinnerungen an Legilimentik aber es wäre eine Katastrophe wenn der Voldemort in Quirrel ihre Gedanken lesen könnte.
Ein Glück für Lia war, dass sie schon Oktober 1977 geboren war. In Olivias verblassten Erinnerungen, die besonders gut mit Zahlen war, konnte Lia den Geburtstag von Harry finden. Der 31. Juli 1980. So hatte Lia eine Gnadenfrist von zwei Jahren bevor sie Turban-Quirrel als Lehrer bekommen würde. In dieser Zeit würde sie Okklumentik meistern müssen.
Als Folge dessen war der erste Gegenstand auf ihrer Liste ein Buch über Okklumentik. Jedoch war sie sich nicht sicher ob Flourish & Blotts solche Bücher überhaupt besaßen.
Lia fand zwar ein, zwei Bücher die sich am Rande auch mit dem Gedankenlesen und dessen Abwehr beschäftigen aber nichts das eine Leihe, wie sie es war, wirklich weiter bringen würde. Ihr Okklumentik Unterricht würde wohl bis zum Schulanfang warten müssen.
Der zweite Gegenstand auf Lias Liste war ein Buch über Seher. Am besten eins das deren Verhalten näher beschrieb.
Jetzt da sie entschieden hatte mit Dumbledore zu reden, war immer noch die Frage wie. Einfach die komplette, bizarre Wahrheit? Lia war sich nicht sicher. Daher wollte sie ein Buch über Seher kaufen um zu schauen ob sie in der Lage wäre einen Solchen zu imitieren. Besonders gut gefiel ihr die Idee dennoch auch nicht. Solch Lügen tendierten einem dazu auf die Füße zu fallen.
Nein, wesentlich geschickter war es erst gar nicht zu lügen, sondern die Wahrheit einfach ein bisschen in die richtige Richtung zu drehen. Wahrheit war doch immer objektiv. Wer sollte ihr das schon nachweisen?
Nach kurzem Suchen fand Lia die Abteilung über Wahrsagerei. Die meisten Bücher dort kamen ihr doch sehr fraglich vor.
Am Ende sah Wie ich mein drittes Auge öffne – für Anfänger noch am vielversprechendsten aus. Wenigstens hatte es keine albern, mystisch fuchtelnde Frau auf dem Cover wie: Hilda Wischwunder – eine Sicht ins Ungewisse.
Danach suchte sich Lia noch einen Band Einfache Alltagszauber: Vom Aufräumen bis zum Zähneputzen und kehrte zum Tresen am Eingang des Ladens zurück, wo ihre Eltern und Professor McGonagall schon mit den Schulbüchern auf sie warteten. Geschickt platzierte sie ihre Bücher so auf dem Tresen das Geschichte Hogwarts' ganz oben auf dem Stapel lag.
Ms. Carter warf einen kurzen Blick auf ihre Bücher, sagte aber nichts. Dieses Mal war Lia auch gar nicht um ihre Mutter besorgt. Viel wichtiger war es ihr das Professor McGonagall sie nicht mit einem Seher Buch erwischte. Wenn sie später wirklich die Seherin spielen sollte, war es wichtig das Lia sich so verhielt, dass die Professoren von ganz alleine zu dem Schluss kamen sie wäre eine Wahrsagerin. Wenn Lia, ein Muggelmädchen, es einfach wie einen Fakt heraus posaunte, wäre das nur verdächtig.
So wie der Kassierer anfing die Bücher durch zu gehen, um einen Preis berechnen zu können, sprach Lia Professor McGonagall an.
„Im Brief stand das Erstklässler keinen eigenen Besen besitzen dürfen, warum sollte ich denn einen Besen mit nach Hogwarts bringen?" fragte Lia, die ganz richtig einschätze, dass man Professor McGonagall am besten mit Quidditch ablenken konnte.
Obwohl Professor McGonagalls Gesicht nichts von seiner Strenge verlor, lies sie sich doch willig auf das Gespräch ein und Lia war fast sicher, dass die Professorin nichts von ihrer Bücher Auswahl mitbekommen hatte.
Mr. Carter schulterte die Tüten voller Bücher und sie verließen das Geschäft. Auf dem Weg zu ihrem nächsten Stopp, entdeckte Lia einen Süßigkeiten-Laden. Mit etwas Betteln ihrerseits, erlaubte Ms. Carter einen kurzen Blick.
„Aber wirklich nur ganz kurz Lia." warnte sie noch als diese schon im Laden verschwand. Lia lief geradewegs zum Tresen und griff sich dort eine Packung Schokokugeln. Während sie zwei silberner Sickel auf den Tisch legte, zeigte sie auf den Haufen Werbebroschüren die am Rand des Tresen lag.
„Darf ich so eine mitnehmen, Bitte?" fragte sie, mit ihrem besten Lächeln. Die rundliche Hexe hinter dem Tresen nickte freundlich. „Aber natürlich, Schätzchen." Dann legte sie noch eine Gummischnecke zu den Schokokugeln und zwinkerte ihr gutwollend zu.
Lia bedankte sich fröhlich, nahm eine Broschüre, faltete sie ordentlich und stecke sie in ihre Hosentasche. Damit war der letzte Punkt auf ihrer Liste auch abgehackt.
Zufrieden mit sich riss Lia die Tüte auf und gab ihren Eltern wie Professor McGonagall jeweils eine Schokokugel.
Ollivanders Laden war eng und schäbig. Obwohl Olivia sich erinnerte, dass das Geschäft in den Büchern sehr staubig war, was ohne Frage stimmte, hatte Lia doch mit etwas mehr... Pflege gerechnet. Schreckte so ein heruntergekommener Laden denn keine Kunden ab? Ihre Eltern waren jedenfalls nicht überzeugt.
Sie mussten nicht lange warten und der Ladenbesitzer kam aus den Tiefen der Zauberstabkartons hervor gewuselt.
Lia stellte fest, dass Ollivander etwas eulenhaftes hatte. Besonders die Augen. Diese hatten ihren Blick auf sie gefichst. „Guten Tag", sagte er sanft.
„Der erste Zauberstab nehme ich an?"
Lia, die sich durch sein Äußeres nicht verunsichern lies, lächelte freundlich. „Genau."
„Welche ist denn ihre Zauberhand?", fragte Ollivander. Obwohl Lia ihn problemlos verstand, wartete sie bis Professor McGonagall ihr den Begriff erklärt hatte bevor sie Ollivander ihre rechte Hand hinhielt. Der Zauberstabmacher zog ein silbriges Maßband hervor und begann mit unter die seltsamsten Abstände zu bemessen.
„Nun gut.", sagte er und verschwand in den Tiefen seines Geschäftes, nur um kurz darauf mit einer kleinen Schachtel wieder aufzutauchen.
„Ahorn und Phönixfeder, elf Zoll, handlich und geschmeidig. Nur zu, nur zu, versuchen sie ihn."
Vorsichtig nahm Lia den Zauberstab aus dem Karton. Bevor sie jedoch dazu kam einen Schwung zu vollführen, entriss ihn Ollivander ihr schon wieder.
Der nächste war eine Roteiche, dann Buche, Efeu und Erle. Zehn Zoll, zwölf ½ Zoll, 7 ¼ Zoll sogar 14 Zoll aber keiner blieb länger als ein paar Sekunden in Lias Hand ehe Ollivander ihn ihr wieder entwand.
Ihre Eltern und Professor McGonagall waren inzwischen vor die Tür getreten um dem engen, staubigen Laden zu entfliehen.
„Schwierig, schwierig" sagte der Zauberstabmacher glücklich und verschwand wieder hinterm Tresen. Lia befand ihn als recht kauzig.
„Versuchen sie den hier, Elder und Einhornhaar, Zehn ¾ Zoll, kaum biegsam."
„Elder?" fragte Lia, die sofort an den Elderstab denken musste.
„In der Tat, schwieriges Holz, nur schwer zu zähmen. So manche Kleingeister glauben es würde großes Unglück bringen."
Lias Hand, die nach dem Zauberstab gegriffen hatte, stockte in der Luft.
„Er bringt Pech?"
„Nur den Zauberern und Hexen die zu schwach sind ihn zu meistern." Sagte Ollivander, der überhaupt keinen Frevel daran zu sehen schien, solch einen Zauberstab einem Kind anzubieten.
Nach kurzem Zögern griff Lia nach dem Stab. Sie war immer noch diejenige, die ihr Schicksal bestimmte und nicht so ein lausiger Zauberstab.
Zu ihrem Entsetzten kribbelte es warm durch ihren Arm bei der Berührung und nach einem leichten Wischen von ihr blühte die halb vertrocknete Blume auf Ollivanders Tresen zu neuem Leben.
„Du wahnsinniger Zauberstab!" zischte sie leise. Den Zauberstab lies das kalt.
Ollivander währenddessen klatschte freudig in die Hände.
„Aah, vortrefflich. Wirklich ausgezeichnete Wahl. Nur selten komme ich zu dem Vergnügen einen solch wählerischen Zauberstab zu verkaufen."
Lias geübtes Lächeln war dieses mal etwas wacklig, dennoch bezahlte sie die Neun goldenen Galleonen klaglos.
Fein, dem Stab würde sie es schon zeigen.
Den letzten Stopp des Tages hatte Lia einer Menge Betteln zu verdanken. Nach viel Gehader hatten ihre Eltern schlussendlich zugestimmt ihr ein Haustier zu besorgen. Wobei Ms. Carter und Lia eine Kröte gleich von vornherein ausgeschlossen hatten.
Mr. Carter hingegen sträubte sich vehement gegen eine Eule, wobei er sich weigerte den Grund dazu genauer zu erläutern. Es würde also eine Katze werden.
Wie jeder Laden in der Winkelgasse, zumindest wie es schien, war auch Magische Menagerie ein sehr enger Laden. Lia wunderte sich warum das so war. Sie hatte bisher gedacht, dass magische Vergrößerung mehr ein Standard-Zauber war. Zumindest Hermine sowie Mr. Weasley beherrschten ihn und er erschien ausgesprochen nützlich.
Zudem war es auffallend laut hier, Mr. und Ms. Carter waren gar nicht erst mit herein gekommen. Vorsichtig manövrierte sich Lia einen Weg durch die Käfige. Kurz erhaschte sie einen Blick auf Krummbein. Sie musste gestehen, sie war versucht, eine so intelligente Katze war bestimmt nützlich.
Lia kraulte ihm sanft hinter den Ohren. „Keine Sorge, in ein paar Jahren wird eine nette Hexe kommen und dich hier wegbringen." Krummbein mauzte zustimmend darauf. Wobei selbst sein Maunzen etwas kratzendes hatte.
Lia stand auf und klopfte sich den Staub ab. Dabei fiel ihr Blick auf eine junge, schwarze Katze, die sie mit funkelnden Augen beobachtete. Bei aller Liebe, das Kätzchen war ein bisschen unheimlich. Lia räusperte sich um die Gänsehaut los zu werden, dann hielt sie ihm ihre Hand hin.
Wenn sie in diesem Leben schon zum Pech verurteilt war, konnte sie auch gleich in die Vollen gehen. Das Kätzchen stutze kurz, schnupperte vorsichtig und leckte dann ihre Finger ab.
Großartig dachte Lia, wenn das kein Omen war. Sie hob das Kätzchen vor ihr Gesicht. „Ein Junge, huh. Wie wär's mit Amon, Führst der Unterwelt?" Die junge Katze mauzte und zappelte. Lia interpretierte das kurzer Hand als ja.
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