Eine letzte Frage

Von dem Moment ihrer ersten Begegnung an wusste Sabine, dass sie keine Freunde werden würden. Bereits ein mal waren sie auf ihren Abenteuern über die alderaanische Prinzessin gestolpert-damals, auf Ryloth, bei der Sache mit dem Twi'lek-Jungen. Schon damals hatten sie sich nicht verstanden. Und als sie nun plötzlich auf Lothal aufgetaucht war, hatte sie Sabine nur noch mehr Gründe gegeben, nicht mir ihr klarzukommen.
Leia war zweifellos hübsch, ein Jahr jünger als sie selbst und hatte ein unglaubliches Charisma, besonders für ihr junges Alter.
Und die Mandalorianerin war der Prinzessin gegenüber mehr als nur skeptisch. Sie verstand nicht, warum Kanan sie geschickt hatte, um mit Ezra zu reden, nachdem dieser erfahren hatte...
Sabine biss sich auf die Lippe. Gut, ein Stück weit war sie selbst schuld. Und sie fühlte sich auch schlecht deswegen... weil sie nicht richtig gewusst hatte, was sie sagen sollte, als Ezra sich ihr anvertraut hatte. Weil sie ihm nur einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter gegeben hatte, als er eine Umarmung gebraucht hätte. Sie war sich sehr wohl bewusst darüber, dass das nicht die Art Hilfe war, die man brauchte, wenn man etwas derartiges erfuhr. Gerade sie, die Erfahrung damit hatte, hätte es eigentlich besser machen müssen.
Aber vielleicht war genau das auch der Grund gewesen, warum sie sich so schwer getan hatte. Weil sie damals jemanden gebraucht hätte, um ihr zu helfen, über den Tod ihrer Eltern hinwegzukommen. Aber diesen jemand hatte es nicht gegeben, zumindest nicht so richtig. Und vielleicht versuche sie genau deshalb, nicht einfach nur der Mensch zu sein, den Ezra jetzt brauchte, sondern hatte darüber hinaus Angst, in dieser Rolle zu versagen.
Das war keine Sache, über die man jemanden einfach hinweg trösten konnte.
Am liebsten würde sie die Zeit zurückdrehen, alle Zweifel in den Orbit schießen und ihm einfach sagen, dass sie wusste, wie er sich fühlte... Dass sie da sein und zuhören würde, falls er jemanden zum reden brauchte, egal zu welcher Uhrzeit.
Aber sie hatte zu lange gezögert. Und statt ihr hatte Kanan Leia geschickt, um mit seinem Padawan zu reden, weil er eine Freundin brauchte. Die Senatorin war diejenige gewesen, die ihn getröstet hatte. Und das, obwohl sie ihn kaum kannte. Obwohl sie nicht im Ansatz verstehen konnte, was er durchmachte. Ja, ihre Eltern engagierten sich in der Rebellion, daran hegte Sabine keine Zweifel. Aber sie zweifelte doch daran, dass Leia auch nur im Ansatz wusste, was es hieß, Opfer zu bringen. Leute sterben zu sehen, mit denen man Tag für Tag Seite an Seite gekämpft hatte. Natürlich waren finanzielle Mittel ein unerlässlicher Teil ihrer Rebellion... aber Leia würde sich nie die Hände dreckig machen und ihr Leben riskieren müssen, wie es tagtäglich so viele andere taten. Sie war immerhin eine Prinzessin.
Und es hatte weh getan, dass Kanan gerade sie vorgeschickt hatte.
Ohne es zugeben zu wollen, Sabine hasste sie dafür wohl am meisten.
Weil sie es jetzt, da sie dieses seltsame Ziehen in ihrer Brust spürte, wenn sie daran dachte, dass Leia jetzt bei ihm war, nicht mehr leugnen konnte, dass da ein Teil von ihr war, der Ezra allein trösten und beschützen und mit niemandem teilen wollte, und sie vor sich selbst nicht mehr so tuen konnte, als wäre er nur ein guter Freund für sie. Weil sie wusste, dass sie eifersüchtig war. Dass sie es sein wollte, die ihm half, dass etwas in ihr schrie, er sei ihr bester Freund und deshalb sei das ihre Aufgaben.
Specter fünf musste jetzt hinterfragen, was sie in ihm sah, was sie wirklich für ihn empfand. Ketsu hatte sie schon so weit gebracht, dass sie realisiert hatte, dass er vielleicht etwas mehr als nur ein Freund für sie war, aber jetzt, in genau diesem Moment, war sie weit darüber hinaus, nur darüber nachzudenken. Sie wusste jetzt mit einer fast beängstigenden Sicherheit, dass Ezra ihr inzwischen mehr bedeutete, als sie zugeben wollte.
Sie wollte Leia dafür erschießen, dass sie ihn angefasst, ihn auch nur schief angeschaut hatte. Dafür, dass sie glaubte, ihn trösten zu dürfen, ohne seinen Schmerz verstehen zu können. Sabine hatte Angst. Angst, dass Leia Ezra, vielleicht, ohne es zu wollen, noch mehr verletzte, als er es ohnehin schon war – weil, sie mochte eine gute Politikerin sein... aber gerade deshalb könnte jemand wie sie, die trotz allem, was sie über das Imperium wusste, noch Teil des Senats war, nie wirklich verstehen, was hier draußen in der Galaxis passierte. Dass es hier um Leben und Tod ging, und nicht bloß darum, für den nächsten formellen Ball das passende Outfit auszusuchen.
Sie wollte Ezra davor schützen, verletzt zu werden.

Als sie mit Ezra wieder hinaus kam... es dürften kaum mehr als ein paar Minuten gewesen sein, die sie zusammen in der Phantom verbracht hatten... »fröhlich« wäre vermutlich nicht das richtige Wort gewesen, aber er schien zumindest bereit zu sein, sich auf die Mission zu konzentrieren. Einen Moment fragte sie sich, wie Leia es wagen konnte, ihm nach allem, was er durchgemacht hatte, so wenig Zeit zu schenken. Wenn sie sich schon vordrängeln wollte, dann sollte sie ihm gefälligst Mühe geben und ihm tatsächlich helfen... und so wenig Zeit reichte dazu nicht.
„Ezra, ich-", begann sie, so leise, dass er sie kaum hören konnte, aber dann brach sie ab. Es hatte keinen Sinn. Nicht jetzt. Es war gut, wenn sein Fokus momentan die Mission war. Danach konnte sie immer noch mit ihm darüber reden. „Prinzessin, könnte ich Euch mal für einen Moment unter vier Augen sprechen?", zischte sie dann Leia zu, in einem Tonfall, der keinerlei Widerspruch duldete, und packte sie am Arm.
Die junge Frau blieb völlig gefasst.
„Mit Vergnügen. Aber ich würde dir raten, mich loszulassen, sonst wirst du es bereuen", zischte sie zurück.
„Das kannst du vergessen!", gab Sabine wütend zurück, als Ezra außer Hörweite verschwunden war, und begann, Leia an die Wand zu drücken. „Sag mal, wer glaubst du eigentlich, dass du bist?! Du hast doch überhaupt keine Ahnung, was er gerade durchmacht!"
„Was ist eigentlich dein Problem? Ich versuche nur, euch zu helfen, und wenn das beinhaltet, dass ich ihm helfe, damit er sich besser fühlt, tue ich das auch. Das sollte dich doch eigentlich freuen."
Die Prinzessin hatte alle Mühe, auch nur halbwegs diplomatisch zu bleiben, aber das hier waren ihre Verbündeten, und deshalb hatte sie nicht vor, einen von ihnen zu verletzten – es sei denn, er oder sie würde ihr einen guten Grund geben, und sie war aktuell noch dabei, zu bewerten, ob ein grundloser Angriff auf sie Grund genug war.
„Mein Problem ist, dass du dich verdammt nochmal zurück in dein Schloss verkriechen sollst! Leute wie du haben keine Ahnung, wie es hier draußen an der Front aussieht! Du kannst das doch überhaupt nicht verstehen! Du hast doch nie jemanden verloren, der dir wichtig war!"
Leia blinzelte heftig. Die Wunde war noch frisch. Ein falscher Gedanke, und sie war wieder im Paucris-System, und Blut lief über ihre Hände.
Sie musste sich zusammenreißen, um nicht loszuheulen.
Das reichte. Sie atmete tief durch... und verlor dann endgültig die Fassung. Zwei Bewegungen, dann war sie frei und Sabine hielt sich jaulend den rechten Arm.
„Tu nicht so, als wüsstest du auch nur das Geringste über mich. Du hast überhaupt keine Ahnung, was ich durchgemacht habe", knurrte sie. „Und ja, ich weiß auch nichts über dich, aber wenigstens bin ich nicht so anmaßend wie du. Aber aus... was? – Eifersucht? – in den Wunden einer anderen Person herumzustochern, ist echt absolut das Letzte, und gerade jemand, der so viel Lebenserfahrung zu haben behauptet, sollte das eigentlich wissen."
Und damit drehte Leia sich um, und verschwand in Richtung Besprechungsraum. Sie wusste, wie sie ihre Gefühle lange genug unterdrücken konnte, bis die Mission vorbei war – aber falls sie es nicht schaffte, war die Mandalorianerin die allerletzte, von der sie wollte, dass sie sie weinen sah.

Sabine blieb allein im Flur zurück. Sie war vollkommen fassungslos. Nicht nur, dass sie einen Gegner so sehr unterschätzt hatte, dass sie innerhalb von Sekunden verloren hatte, ohne sich auch nur wehren zu können – was schon schlimm genug gewesen wäre... Sie hatte sich außerdem wahnsinnig unangemessen aufgeführt. Es war weniger, dass sie bereute, die Teenagerin angeschrien zu haben – aber sie bereute, ihr etwas in die Hand gegeben zu haben, mit dem sie es tatsächlich schaffte, Sabine dazu zu bringen, sich zu schämen. Weil sie recht hatte.
Specter fünf hatte in der Tat keine Ahnung, was sie durchgemacht hatte... aber auf alle Fälle war sie nicht die unschuldige ahnungslose Prinzessin, für die sie sie gehalten hatte. Und das hieß wiederum, dass sie Ezra vielleicht wirklich hatte helfen können. Und statt froh darüber zu sein, dass es ihm besser ging, hatte die Mandalorianerin gerade diejenige, die ihm geholfen hatte, attackiert, weil sie vor lauter Eifersucht ihre Gefühle nicht unter Kontrolle gehabt hatte.
Sie schämte sich dafür... aber sie war viel zu stolz, um Leia die Genugtuung zu geben, einzugestehen, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Stattdessen blieb sie einfach weiter wütend – was sie, wenn sie an ihren pochenden Arm dachte, auch durchaus berechtigt fand.

Sobald Leia weg war, beschloss Sabine, Kanan darauf anzusprechen, warum er sie geschickt hatte. Specter eins schaute fast ein wenig amüsiert in ihr wütendes Gesicht.
„Was, warst du etwa eifersüchtig?", witzelte er. „Der Grund dafür ist ganz einfach. Du weißt doch, dass die Mission schnell weitergehen musste, oder?"
„Schon, aber- was hat das damit zu tun?"
„Ich brauchte jemanden, der ihn schnell wieder auf die Beine bringt, zumindest kurz. Gerade so lange, bis die Mission vorbei ist. Und mit jemandem zu reden, der ihn nicht so gut kennt, dass er in sein Herz hinein schauen kann, war in dem Moment die einzige Option. Wenn du mit Ezra geredet hättest... ein paar Sätze hätten nicht gereicht. Er hätte sich dir richtig geöffnet, und zugelassen, dass er seine Emotionen rauslässt. Das ist vor jemand Fremdem nicht so einfach." Sie wusste, dass Kanan recht hatte. Ezra hasste es ja schon, sich vor der Crew verletzlich zu zeigen. Vor einer fast Fremdem hätte er nie geweint. Leia hatte ihn stattdessen dazu gebracht, seine Emotionen runterzuschlucken. Die Mandalorianerin dachte grimmig, dass Specter sechs und sie sich da wohl in nichts nachstanden. „Kurz gesagt: er brauchte jemanden, der ihm hilft, auf andere Gedanken zu kommen, und dazu war Leia genau die Richtige. Aber richtig helfen, das Ganze zu verarbeiten, könnte sie nie. Das sollte sie auch gar nicht. Weil das Zeit braucht. Und diese Zeit hatte sie hier nicht. Aber du hast sie. Genau jetzt. Er braucht dich, und das weißt du genauso gut wie ich. Also geh jetzt zu ihm. Sag ihm all das, was du ihm vorhin nicht sagen konntest."

Sabine klopfte zweimal, und wartete dann darauf, dass er ihr erlaubte, reinzukommen. Sie hätte auch verstanden, wenn er jetzt allein sein wollte – und sie hätte es auch akzeptiert.
„Komm rein", antwortete er schließlich, und als sie eintrat, sah sie, wie er sich mit dem Ärmel über die Augen wischte.
„Du weinst", stellte sie fest.
„Nein, ich-", begann er sofort, sich zu verteidigen.
Er schämte sich ein bisschen. Er wollte nicht, dass sie ihn für ein kleines Kind hielt... gerade nachdem er ihr gesagt hatte, dass er mit all diesen Dingen lange abgeschlossen hatte.
„Das ist okay. Ich hab auch ganz viel geweint, weißt du? Als meine Eltern gestorben sind. Ich hab mich so furchtbar verletzlich gefühlt. Und das war unheimlich, weil ich nicht wusste, was ich mit diesem Gefühl anfangen sollte." Er schaute ein wenig irritiert zu ihr hoch. Zeb war nicht da. Er hatte Ezra seine Ruhe gönnen wollen, nach allem, was passiert war... und sie vermutete, dass es ihm weh tat, den Jungen so zu sehen, und er dieses Gefühl so sehr hasste, dass er geflüchtet war, um anderswo damit klarzukommen. Sie wusste, dass er jetzt wohl daran dachte, was mit seiner Familie passiert war. Er hatte dem Jungen wirklich gewünscht, das nicht auch durchmachen zu müssen... aber manchmal war das Universum ein schrecklich unfairer Ort. „Darf ich?", fragte sie, neben ihn auf das Bett deutend.
Ezra lächelte schwach.
„Klar."
„Ich war zehn, weißt du? An dem Tag, als meine Eltern gestorben sind, habe ich zum ersten Mal jemanden getötet. Und danach... diese ganzen Gefühle, die in mir hochkamen... ich hab mich noch nie so allein gefühlt wie an dem Tag, nachdem sie gestorben sind. Tristan war ganz abwesend. Er hatte schon mal seine Eltern verloren und kam überhaupt nicht damit klar. Er wollte mir aber nicht zeigen, wie sehr es ihn fertig macht, glaube ich. Er war mit seinem Schmerz lieber allein... und deshalb war ich auch allein, ohne es zu wollen. Aber gerade deshalb möchte ich nicht, dass du auch allein bist. Weil ich weiß, wie sich das anfühlt. Und deshalb will ich, dass du weißt, dass ich für dich da bin. Du darfst mich jederzeit holen, ganz egal, wie spät es ist, und wenn ich schlafe, darfst du mich jederzeit wecken, falls du mich brauchst, okay? Ganz egal, ob du nun reden willst, nicht schlafen kannst oder einfach nur jemanden brauchst, bei dem du dich ausheulen kannst. In Ordnung?"
Ezra nickte energisch. Dann ließ er sich gegen ihre Brust sinken und fing leise an zu schluchzen.
„Ich... ich vermisse sie einfach so furchtbar, weißt du? Es ist so lange her, und... ich... ich hätte mir keine Hoffnungen machen dürfen, aber ich hätte sie so furchtbar gern wiedergesehen. Nur ein einziges Mal. Es gibt doch so vieles, was ich ihnen noch sagen will."
Sie schloss ihre Arme um ihn und rieb ihm über den Rücken.
„Ich weiß." Eine Weile saßen sie einfach nur da, und sie hielt ihn, während er weinte. „Möchtest du mir ein bisschen was über sie erzählen?", fragte sie schließlich vorsichtig.
„Okay." Er schniefte. Seine Stimme zitterte, als er sprach, und seine Schluchzer unterbrachen ihn immer mal wieder... aber es schien ihm gut zu tun, über sie zu reden. „Ich... es gibt vieles, an das ich mich nicht mehr so genau erinnere, aber... Mom hat oft Feuereintopf und Pashi-Nudeln gemacht. Das habe ich geliebt. Mom und Dad sind immer abwechselnd zur Arbeit gegangen. Ich war nie allein zu Hause. Damals habe ich mir nichts dabei gedacht, aber... wahrscheinlich hatten sie Angst, dass das Imperium sie findet und mir etwas zustößt, wenn sie nicht in der Nähe sind. Abends haben wir immer zusammen gegessen. Wenn ich schreiend aus einem Albtraum aufgewacht bin, kamen sie immer sofort angerannt. Auch daran war vermutlich ihre Angst vor dem Imperium schuld." Er schwieg einen Moment, um zu überlegen. „Dad ist mit mir manchmal Speeder gefahren. Über die Felder. Immer und immer und immer schneller. Mom meinte danach, sie konnte gar nicht hinsehen, woraufhin Dad meinte, dass sie sich an ihre gemeinsamen Ausflüge erinnern soll. Dann hat sie immer gegrinst. Und manchmal, wenn ich nicht schlafen konnte, hat er mich in den Schlaf gesungen. Ich erinnere mich, dass sie mir diesen Plüschbantha geschenkt haben, als ich noch klein war, den ich überall mit hin geschleppt habe. Daran, dass wir ein Raumschiff hatten, das Sonnenglanz hieß, weiß aber nicht, was damit passiert ist. Nur, dass es irgendwann einfach weg war. Ich glaube, das war kurz bevor meine Eltern verschwunden sind." Ezra seufzte leise. „Ich schäme mich furchtbar, weil es so viel gibt, was ich nicht über sie wusste. So viel, was ich sie nicht mehr fragen konnte."
„Das verstehe ich gut." Sie lächelte ihn an. „Darf ich dich was fragen?"
„Klar", antwortete er, ließ sie los, griff dann aber mit seinen zitternden Fingern nach ihren.
Sie ließ ihn gewähren. Er war völlig fertig. Sie brauchte keine Macht, um das zu spüren. Sie wusste es, weil sie es am eigenen Leib erfahren hatte. Weil sie es ihm ansah. Aber er schaffte es trotz der Tränen auf seinen Wangen irgendwie schon fast wieder, zu Lächeln, und das war mehr, als sie geglaubt hatte, heute zu schaffen. Das war gut. Mehr noch. Das war fantastisch. Und wenn es ihm half, ihre Hände zu halten... dann durfte er das. Momentan hätte sie ihm so ziemlich alles durchgehen lassen.
„Wenn du ihnen, jetzt und hier, noch eine letzte Frage stellen könntest... was würdest du sie fragen?", sagte sie dann, woraufhin seine Miene nachdenklich wurde.
„Hm... ich schätze, ich wüsste gern, wie sie sich kennengelernt haben", antwortete er nach einer Weile. „Und du? Was würdest du deine Eltern fragen?"
„Versprichst du mir, dass du nicht lachst?"
„Warum sollte ich?", fragte er ein bisschen irritiert.
„Weil es mir albern vorkommt. Weil die meisten wohl etwas so elementares fragen würden wie du, und ich... ich würde nach meinem Namen fragen."
„Nach deinem Namen?"
Ezras Stimme klang nicht, als würde er sich lustig machen, sondern einfach nur überrascht.
„Ich... Es ist nur... dafür, dass für meine Eltern die mandalorianische Kultur alles war... ist mein Name... nun ja... nicht besonders mandalorianisch." Sie lachte. „Und ich frage mich, warum."
„Das ist nicht albern, Sabine. Ich glaube, an deiner Stelle würde mich das auch interessieren... wenn auch vielleicht nicht am meisten."
„Und was würdest du meine Eltern stattdessen fragen?", erwiderte sie und hob amüsiert eine Braue.
„Ich würde sie fragen, ob sie wussten, was für eine tolle junge Frau aus dir werden würde." Es war nicht der wohlbekannte Ton, den er benutzte, wenn er mit ihr flirtete. Er war einfach nur völlig ehrlich. „Danke, Sabine. Für alles."
Sie lächelte verlegen.
„Das ist das Mindeste für meinen Patzer eben. Ich... ich war so beschäftigt damit, nach etwas zu suchen, das dir wirklich helfen würde, dass ich zu langsam war."
„Beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass du mir jetzt gerade wirklich hilfst?"
„Ein wenig."
„Möchtest du mir auch etwas über deine Eltern erzählen?", fragte er dann, völlig aus dem Blauen heraus.
„Ich-", stammelte sie überrascht. „Okay."
Sie atmete tief durch. Ezra strich zaghaft über ihre Hand.
„Du musst nicht, wenn du nicht willst."
„Nein, ich... es ist nur... es ist viel zu lange her, dass ich über sie gesprochen habe. Ich weiß nicht so recht, wo ich anfangen soll..."
„Bei mir war es ja auch nicht viel. Erzähl einfach das Erste, das dir in den Sinn kommt."
Sabine nickte.
„Mein Vater hat einen Teil seiner Kindheit nicht auf Mandalore verbracht, weil seine Mutter nicht von dort stammte. Von wo sie war weiß ich gar nicht. Aber sie sind ab und an dort hin geflogen, als er noch jung war. Mit mir war er nie dort. Warum genau weiß ich nicht. Vielleicht, weil Mom eine vollständig mandalorianischere Erziehung für mich wollte. Vielleicht auch, weil seine Mutter kurz vor meiner Geburt verstorben ist, und der Planet ihn zu sehr an sie erinnert hat. Ich finde es irgendwie schade, dass ich mich nicht daran erinnern kann, welcher es war, sonst hätte ich irgendwann selbst dort hin reisen können. Oh, und mein Vater war kein besonders guter Koch. Ich glaube, das habe ich von ihm", sagte sie und lachte ein wenig. Gleichzeitig lag aber auch etwas trauriges, melancholisches in ihrer Stimme. „Ich weiß, dass meine Eltern gut mit Tristans befreundet waren, aber an seine erinnere ich mich eigentlich gar nicht, weil ich noch ziemlich jung war, als sie umgekommen sind. Ich weiß noch, dass mein Vater gegen Ende furchtbar traurig gewirkt hat. Meine Mutter hat angefangen, mich zu trainieren, da war ich nicht mal sieben. Sie war immer ziemlich streng, aber sie konnte auch liebevoll sein. Sie war die Art Mutter, die meinte, »K'atini!« zu schreien, würde reichen, um mir zu helfen, wenn ich mir weh getan hatte."
Ezra schmunzelte ein wenig.
„Das ist also die Frau, der du deine harte Schale zu verdanken hast, was?"
Sabine nickte.
„Sie konnte echt gut kochen. Manchmal vermisse ich es, mandalorianisch zu essen, aber wir haben nunmal besseres zu tun, als Zutaten zu besorgen. Außerdem würde ich mit meinen Kochkünsten bloß meine Erinnerung daran verschandeln."
Inzwischen hatte sie auch Tränen in den Augen. Auch wenn es bei ihr schon so lange her war... manchmal tat es immer noch weh. Harte Schale hin oder her. Und es tat gut, über sie zu reden.
„Irgendwann koche ich dir mal was, wenn du ein Rezept auftreiben kannst", bot Ezra an. „Also, falls ich darf."
Sie blinzelte überrascht.
„Klar", erwiderte sie dann lächelnd. „Irgendwann." Ezra gähnte. „Müde, hm?"
Er nickte.
„Darf ich dich was bescheuertes fragen?", meinte er dann verlegen.
„Was immer du willst."
„Ich..." Er schaute weg. „Nein, vergiss es. Das ist kindisch. Und das würdest du auch nicht wollen."
Einen Moment lang wirkte er wie ein verängstigtes kleines Kind... aber das durfte er auch. Er hatte gerade erfahren, dass seine Eltern tot waren. Das war nichts, was ein Erwachsener auf die leichte Schulter nehmen konnte... und Ezra war fast noch ein Kind.
»Das sind wir beide«, dachte sie in diesem Moment, auch wenn sie das nie laut gesagt hätte.
„Du... du willst nicht allein schlafen, oder? Du hast Angst davor, Albträume zu haben."
Seine Augen weiteten sich überrascht.
„Woher weißt du-"
„Weil ich mich nur zu gut daran erinnere, was ich damals für Albträume hatte. Manche davon habe ich heute noch. Also okay. Ausnahmsweise."
„Geht das denn in Ordnung?", fragte er und schaute sie etwas besorgt an. „Mit deinem Arm, meine ich."
Jetzt war sie es, die perplex war.
„Das hast du gemerkt?"
„Ich kenne dich inzwischen einfach ziemlich gut", erwiderte er und schaute sie dann fragend an.
„Das geht schon in Ordnung. Meinem Arm geht's schon viel besser, danke. Hab mich vorhin nur etwas mit Leia gezofft. Und das hatte ich leider auch irgendwie verdient."
„Weißt du, die Prinzessin ist eigentlich echt nett. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass sie dir irgendeinen Platz streitig macht. Auch wenn sie hier ist, bist du immer noch die stärkste Frau auf dem Schiff. Lass dich nicht einschüchtern."
„Komm her, Laserhirn", murmelte Sabine, verdrehte die Augen und zog Ezra in eine Umarmung. Sie freute sich, dass er zumindest ansatzweise wieder scherzen konnte, auch wenn er natürlich ein Stück weit seinen Schmerz damit überdeckte. „Du darfst so viel vor mir heulen, wie du willst. Das braucht dir nie peinlich zu sein. Versprichst du mir, dass du das nicht vergisst?"
„Nur, wenn du auch daran denkst, dass das für dich genauso gilt", erwiderte er.
„Versprochen."

Eine Weile später lagen sie zusammen in ihren Schlafanzügen auf der oberen Koje des Bettes. Sie hatte ihre Arme um ihn gelegt, und er kuschelte sich an sie. Letztendlich... letztendlich waren sie beide fast noch Kinder. Waisen, die irgendwie in einen Krieg hinein geraten waren, der gerade erst begann. Sie hatten beide bereits getötet. Sie war Mandalorianerin. Bei ihrem Volk war es normal, sie war dazu ausgebildet, zu kämpfen. Aber er... er war nur der Sohn zweier Eltern, die sich gegen das Imperium ausgesprochen hatten. Den Großteil seiner Kindheit hatte er allein verbracht. Nichts hätte ihn darauf vorbereiten können. Und jetzt... einen Moment lang hatte er sich erlaubt, zu hoffen, dass seine Eltern noch am Leben waren. Auch ihretwegen. Inzwischen waren sie tot... und er musste dasselbe durchmachen wie sie vor sechs Jahren. Und doch... irgendwie stand er das durch. Und sie bewunderte das, eben gerade weil er nicht auf all das, was jetzt passierte, vorbereitet worden war. Er war ein Kind, das in einen Krieg geraten war, den es nicht verschuldet hatte... Ein Kind, das mit jedem Tag voller Tod und Zerstörung weniger Kind war. Und trotz allem, was er selbst verloren hatte... war er bereit dazu, alles aufzuopfern, um anderen zu helfen.
Die Mandalorianerin beschloss, dass es erst mal egal war, was Ezra für sie war. Jetzt gerade war er traurig und fertig und sie war seine beste Freundin. Und sie würde für ihn da sein, solange er sie brauchte. Alles andere war erst mal unwichtig.
Sabine konnte spüren, wie heftig der Junge in ihrem Arm zitterte. Er würde sicher nicht gut schlafen... aber wenn er aufwachte, würde sie da sein, und ihn daran erinnern, dass er es überstehen würde.
Sie wusste, dass es noch nicht okay war... aber irgendwann würde es vielleicht etwas besser werden.

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