Okklumentik
-Sichtweise Hermine Granger-
Ich saß in der Bibliothek und versuchte mich auf meinen Verwandlungsaufsatz zu konzentrieren, doch es gelang mir nicht. Die ständige Verbindung zu Remus Geist führte zu permanenten Kopfmerzen, Erschöpfung und Beeinträchtigung meiner Konzentration. Remus hatte damit begonnen, seinen Geist für mehrere Stunden vor mir zu verschließen, damit ich mich wenigstens auf den Unterricht konzentrieren konnte. Doch er litt ununterbrochen weiter. Unsere Gehirne waren einfach nicht dazu gemacht, ständig für zwei denken zu müssen. Ich musste in der Kunst der Okklumentik unterrichte werden und Remus konnte dem nur zustimmen. Also hatten wir uns für heute Nachmittag verabredet.
Ich muss gestehen, dass ich aufgeregt war. Nicht auf die Nachhilfestunden, sondern weil ich seit gefühlten Wochen das erstmal wieder alleine mit Remus sein würde. Die Sehnsucht zu ihm hielt mich seit Tagen gefangen. Remus erging es ähnlich. Der Wolf, Moony, war unruhig. Er vermisste meine Anwesenheit, das konnte ich ganz deutlich spüren. Remus Gefühle dagegen waren ein einziges Für und Wieder. Er wusste, dass er sich nicht von mir fern halten konnte, Moony würde es nicht zulassen. Zunehmend machte er sich Sorgen darüber. Er versuchte seine eigenen Gefühle vom Wolf zu trennen, um zu analysieren, ob er dasselbe fühlte wie er. Oft lauschte ich vor dem Schlafengehen seinem inneren Konflikt. Er kam mit sich selbst einfach nicht auf einen Nenner. Der Wolf wollte das eine, er das andere. Es war wirklich kompliziert.
Remus liebte Tonks, auch wenn sie jetzt schon über ein Jahr tot war. Noch immer vermisste er sie schrecklich, wodurch es ihm schwer fiel, Platz für mich zu schaffen. Er spürte die Sehnsucht, das Verlangen, die Liebe, doch es waren die Gefühle des Wolfes, nicht seine eigenen. Trotzdem musste er ihnen nachgeben, ohne sich dagegen wehren zu können. Es war nicht so, dass er nichts für mich empfand. Tief in sich verborgen wusste er, dass er dasselbe empfand, wie ich für ihn. Doch die Zweifel waren einfach zu groß. Ich war mir jedoch sicher, dass er es früher oder später realisieren würde. Bis dahin musste ich mich mit den Gefühlen des Wolfes begnügen.
Der Tag verging wie im Flug. Pünktlich um neunzehn Uhr stand ich vor Remus Privaträumen. Da er mich kommen gesehen hatte, öffnete er mir bereits die Tür, noch bevor ich die Hand zum Klopfen erheben konnte. Als ich ihn sah, packte mich eine unbändige Freude, die so überwältigend war, sodass ich mich nicht beherrschen konnte. Euphorisch sprang ich ihm in die Arme. Da er mit dieser spontanen Reaktion nicht gerechnet hatte, taumelte er nach hinten in den Raum hinein. Lachend schlang er die Arme um mich.
>>Da ist wohl jemand froh mich zu sehen<<, meinte er amüsiert. Genießerisch zog ich seinen Duft ein und genoss seine Körperwärme. Tiefe Zufriedenheit ergriff mich und ein Gefühl von Geborgenheit füllte mich aus. Fest drückte ich meinen Kopf gegen seine Halsbeuge, schloss die Augen und kostete jede Minute aus. Interessiert verfolgte er meine Emotionen.
>>Alsooo..., wir können den ganze Abend hier so stehen bleiben, oder wir fangen mit dem Unterricht an. << Schmunzelnd sah er auf mich hinab, ehe er mich sanft aber bestimmend von sich drückt. Seufzend sah ich zu ihm auf. Die Nachhilfestunde kam mir in diesem Moment so nebensächlich vor. Lieber hätte ich mich weiter an ihn geschmiegt und den Abend in trauter Zweisamkeit verbracht. Doch ich rief mich zur Vernunft. Remus würde nächste Woche wieder anfangen zu arbeiten, da war es wichtig, dass auch er sich wieder voll konzentrieren konnte.
>>Okay...<<, gab ich resigniert zurück. Remus entging meine Enttäuscht nicht. Aufmunternd drückte er meine Schulter.
>>Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. << Lächelnd zwinkerte er mir zu, ehe er mit zitternden Fingern nach meiner Hand griff und mich zum Sofa führte. Dicht setzten wir uns nebeneinander. Besorgt musterte ich seine Hände, die unaufhörlich bebten, so als wäre er aufgeregt. Schlagartig verkrampfte er sich und wollte mir seine Hände entziehen, doch ich hielt sie eisern fest. Ich wollte nicht, dass er sich unwohl in meiner Gegenwart fühlte und erst recht nicht, dass er sich vor mir schämte. Beruhigend lächelte ich ihn an. Erst jetzt fiel mir auf, dass eine große Narbe senkrecht seine linke Augenbraue durchschnitt. Sie führte dicht am Auge vorbei und endete schließlich am Jochbein. Andächtig fuhr ich mit dem Zeigefinger darüber, was ihm eine Gänsehaut bescherte.
>>Da hast du aber nochmal Glück gehabt, dass es nicht deine Auge erwischt hat. << Liebevoll strich ich ihm über die Wange, ehe ich meine Hand wieder zurückzog. Stumm nickte Remus. Das Gesprächsthema war ihm unangenehm.
>>Was weißt du über Okklumentik? <<, wechselte er das Thema, da er nicht weiter auf seine Verletzungen eingehen wollte. Kurz überlegte ich, was Harry mir bisher dazu erzählte hatte.
>>Es ist die magische Verteidigung des Geistes gegen das Eindringen von außen. Es soll bezwecken, die eigenen Gedanken und Gefühle vor anderen abzuschirmen... Dazu benötigt man viel Willenskraft und Disziplin. << Unsicher sah ich zu ihm auf. Ich zweifelte keineswegs an meiner Aussage sondern eher, ob ich so viel Willensstärke und Disziplin überhaupt aufbringen konnte, um diesen Zweig der Magie zu erlernen.
>>Genau! Okklumentik ist eine seltene und vor allem schwierige Gabe. Nur der eigene Wille und ein hohes Maß an geistiger und emotionaler Disziplin kann verhindern, dass ein anderer deine Empfindungen, oder Erfahrungen zu sehen bekommt. Okklumentik ist leicht zu brechen, wenn man sich nicht voll auf die Geheimhaltung seiner Gedanken und Gefühle konzentrieren kann. Du bist besonders verletzlich, wenn du von starken Emotionen abgelenkt wirst. Wenn du zum Beispiel müde bist, hat dein Gegner leichtes Spiel, da du ihm nur wenig Widerstand entgegenbringen kannst. Um deine Gedankenwelt im Schlaf zu schützen, kannst du keine aktive Okklumentik anwenden. Es ist deshalb hilfreich, vor dem Einschlafen immer bewusst deinen Kopf leer zumachen, aber dazu kommen wir später noch <<, erklärte Remus. Aufmerksam hörte ich ihm zu.
>>Fortgeschrittene Okklumentiker könnten sogar eine „falsche" Mentalitätsschicht erzeugen, sodass demjenigen, der Legilimentik benutzt, vorgetäuscht werden kann, dass dies die Legitime ist, während die echten Gedanken tief verborgen bleiben. Dies würde jetzt aber zu weit führen. Dein Bestreben sollte erstmal darin liegen, deine Gedanken vor mir abzuschirmen. << Zustimmend nickte ich. Ich war schrecklich nervös. Beruhigend drückte Remus meine Hand.
>>Also, fange wir mit den Grundlagen an. Zuerst musst du lernen, dich von sämtlichen Emotionen zu befreien. Am besten schließt du dafür die Augen. << Gehorsam tat ich was er sagte, doch es war mir ein absolutes Rätsel, wie ich mich meiner Gefühle entledigen sollte.
>>Konzentriere dich! Versuche bewusst wahrzunehmen, was du zum jetzigen Zeitpunkt fühlst <<, riet mir Remus. Minutenlang saß ich einfach nur da. Ich war nervös, fühlte mich auf eine merkwürdige Art und Weise gestresst, war unsicher, hatte Angst zu versargen, was mir wiederum Sorge bereitete. Außerdem verspürte ich Glück, Freude, Geborgenheit, Vertrauen und Zuneigung, da Remus in meiner Nähe war.
>>Und jetzt entledige dich all dieser Gefühle. Diszipliniere deinen Geist! <<, forderte Remus. Ratlosigkeit, Verwirrung, Hilflosigkeit kamen dazu. Wie sollte ich all diese Emotionen ablegen? Ich versuchte einfach an nichts zu denken, mich an nichts zu erinnern, nichts zu fühlen...Doch es war schwer.
>>Normal würde ich jetzt Legilimentik anwenden, um in deine Gedanken einzudringen, da es bei uns aber etwas komplexer ist, wird es wohl erstmal darauf hinauslaufen, dass du üben musst, deinen Kopf frei zubekommen. Wenn ich eine Veränderung spüre, gebe ich dir Bescheid<<, hörte ich Remus sagen. Stumm nickte ich und versuchte mich weiter darauf zu konzentrieren, an nichts zu denken. Irgendwo im Zimmer tickte eine Uhr. Bewusst lauschte ich dem Sekundenzeiger und blendete alles weitere aus. Es schien zu funktionieren, denn nach wenigen Minuten lobte mich Remus.
>>Du zeigst ein gewisses Talent, das muss ich schon sagen. Als Übung solltest du so häufig wie möglich versuchen, deinen Geist von jeglichen Emotionen zu befreien. << Ich strahlte Remus an und konnte selbst kaum glauben, dass ich schon beim ersten Mal einen Fortschritt erzielt hatte.
>>Von wem hast du Okklumentik gelernt? <<, wollte ich neugierig wissen.
>>Ich hab es mir frühzeitig selbst beigebracht. Gerade in meiner ersten Lehrzeit hier in Hogwarts, war es mir eine große Hilfe gewesen. Ich hab zwar selbst damals an Sirius Schuld geglaubt, trotzdem wollte ich ihn nicht verpfeifen. Severus und Albus sind, oder in Albus Fall waren, hochqualifizierte Legilimens. Hätte ich meinen Geist nicht geschützt, hätten sie sofort in Erfahrung gebracht, dass Sirius ein nicht registrierter Animagus war <<, berichtete Remus.
>>Verstehe...<<, sagte ich nachdenklich. Ich fand es bewundernswert, dass er sich ganz alleine diese Fähigkeit angeeignet hatte.
>>Kann ich dir vielleicht eine Tasse Tee anbieten? << Liebevoll funkelten mich seine Augen an. Lächelnd nickte ich. Ja, ein heißer Tee konnte jetzt wirklich nicht schaden. Noch immer hatte ich wahnsinnige Kopfschmerzen.
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