Der Honigtopf

-Sichtweise Hermine Granger-

Zusammen mit meinen Freunden bestieg ich die von Thestralen gezogene  Kutsche, die uns runter nach Hogmeade bringen sollte. Es hatte angefangen zu regnen, weshalb es eine reine Wohltat war, den langen Weg hinunter ins Dorf nicht laufen zu müssen. Während ich noch immer an den Kuss von eben denken musste, plauderten Ginny, Harry und Ron munter über das heutige Training. Abwesend blickte ich nach draußen, musterte die vorbeifliegende Landschaft und fühlte mich irgendwie fehl am Platz. Ich war halt einfach kein Quidditch Fan. Die Spiele waren zwar interessant anzuschauen, aber ein gutes Buch zog ich dem definitiv vor.

>>Wir müssen gleich nach unserer Ankunft in den Honigtopf! Ich hoffe, das noch nicht alle Schokofrösche ausverkauft sind...Mir fehlt nur noch eine Karte, bis meine Sammlung komplett ist. Könnt ihr euch das vorstellen? Eine Karte...<<, wechselte Ron das Thema. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie er angestrengt in seiner Manteltasche kramte, offensichtlich auf der Suche nach ein paar Sickel und Knuts.

>>Du suchst doch schon ewig nach der Schokofroschkarte von Claudius Ptolemäus. Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit sie ausgerechnet heute zu finden, ist gering. Warum tauschst du nicht einfach mit jemandem? <<, schlug Ginny vor.

>>Ich will sie selber finden! Tauschen ist doch viel zu einfach <<, erwiderte Ron mit fester Stimme. Endlich schien er in seiner Tasche fündig geworden zu sein. In der Hand hielt er eine mickrige Anzahl an Münzen, die er nun sorgsam abzählte. Das hatten Remus und Ron wohl gemeinsam. Von Reichtum war keiner der beiden geprägt. Aber wenn interessierte das schon? Gold war nicht alles!

>>Ach, da fällt mir ein, Neville hat mir neulich erzählt, dass es eine neue Sammelreihe geben soll. Diesmal mit Quidditchspielern <<, warf Harry ein. Stumm seufzte ich. Na super, jetzt ging es schon wieder um Quidditch.

Spontan schoss mir eine Frage durch den Kopf. Ob Remus wohl auch Schokofroschkarten sammelt, oder gesammelt hat, als er noch jung war? Eigentlich sah er nicht gerade nach einem Sammler aus, aber er liebte Schokolade. Wäre also gar nicht so abwegig, dass er sie zumindest damals gesammelt hatte. Nachdenklich zog ich die Augenbrauen zusammen. Keine Ahnung, warum ich mich für diese unnütze Information interessierte. Vielleicht weil es etwas war, was ich nicht über ihn wusste.

>>Echt jetzt? <<, rief Ron begeistert aus. Gedankenverloren betrachtete ich mein Spiegelbild in der Fensterscheibe. Wie schon so oft in der letzten Zeit fragte ich mich, was meine Gefühle Remus betreffend, wohl zu bedeuten hatten. Es war mehr, als eine einfache Freundschaft, soviel stand fest. Doch ich liebte Ron, oder? Mittlerweile war ich mir da nicht mehr so sicher. Nicht nach dem Kuss vor wenigen Augenblicken.

>>Und das hast du ausgerechnet von Neville? Der interessiert sich doch überhaupt nicht für solche Sachen<<, fragte Ginny skeptisch nach. Vielleicht sollte ich aufhören darüber nachzudenken und mich lieber auf das hier und jetzt konzentrieren. Es musste doch im Bereich des Möglichen liegen, mal nicht über Remus nachzudenken.

>>Ich nehme mal an, dass er es von jemand anderen erfahren hat <<, meinte Harry schulterzuckend.

>>Dann ist es bestimmt nur ein Gerücht <<, gab die Rothaarige patzig zurück.

>> Wir werden ja sehen... <<, warf Ron unbekümmert ein.

Als die Kutsche hielt, stürmte Ron, ohne Rücksicht auf Verluste, einfach hinaus ins Freie. Kopfschüttelnd schaute ich ihm nach. Anscheinend hatte er es wirklich sehr eilig, zum Honigtopf zu gelangen. Gut das ich mich nicht mit ihm allein verabredet hatte, sonst hätte ich jetzt blöd dagestanden. So war ich wenigstens in angenehmer Begleitung von Harry und Ginny.

Im Honigtopf war es, wie zu erwarten, brechend voll. Ron stand bereits vor einem Fass, welches randvoll, gefüllt mit Schokofrosch-Verpackungen, war. Seine Augen leuchteten vor Begeisterung wie die eines Kindes.

Neugierig blickte ich mich ebenfalls im Laden um. Eigentlich aß ich Süßigkeiten nur sehr selten, was wohl der Erziehung meiner Eltern zu verschulden war, schließlich waren sie Zahnärzte. Aber heute würde ich mal eine Ausnahme machen. Spontan griff ich nach einer Schachtel voll quickender Zuckermäuse, ehe ich bei der Schokolade stehen blieb. Aufmerksam schaute ich mir die verschiedenen Sorten an. Ob ich für Remus eine Tafel kaufen sollte? Bestimmt würde er sich darüber freuen. Allerdings käme es etwas komisch rüber, wenn ich ihm aus heiterem Himmel einfach etwas schenkte. Sicher würde er sich wundern und es nicht annehmen wollen. Ich wusste von Harry, dass er es nicht mochte, wenn man Geld für ihn ausgab. Also verwarf ich den Gedanken wieder und ging hinüber zur Kasse.

Als ich den Laden mit Harry, Ron und Ginny im Schlepptau verließ, bereute ich es doch, keine Schokolade für Remus gekauft zu haben. Was war schon dabei, einem guten Freund Süßigkeiten zu schenken? Ich meine, es waren ja keine herzförmigen Pralinen, oder?

>>Geht ihr schon mal vor, ich habe ganz vergessen für meine Eltern Zahnweiß-Pfefferminzlakritze zu kaufen <<, log ich ohne rot zu werden. Keiner hinterfragte meine Ausrede, und so gingen die anderen schon mal zu „Die drei Besen". Ich dagegen betrat zum wiederholten Male den Honigtopf.

Als ich vor der riesen Auswahl an Schokoladentafeln stand, wusste ich gar nicht was ich kaufen sollte. Welche Sorte bevorzugte Remus und welche nicht? Ich hatte keinen blassen Schimmer. Nicht das ich am Ende noch das Falsche kaufte.

>>Kann ich dir helfen? <<, sprach mich plötzlich eine ältere Dame an. Nach der Kleidung und dem Namenschild zu urteilen, musste sie die Ehefrau des Ladenbesitzers Mr. Flume sein.

>>Ähm...ja, vielleicht. Kennen sie zufällig Remus Lupin? Er ist Lehrer auf Hogwarts. Er hat mir neulich sehr geholfen, deshalb wollte ich ihm eine Kleinigkeit schenken, als Dankschön sozusagen<<, spann ich mir schnell eine unverfängliche Geschichte zusammen. Das Gesicht der Verkäuferin fing bei Remus Namen an zu strahlen.

>>Na wenn das so ist, komm mal mit! <<, forderte sie mich lächelnd auf. Ohne eine weitere Erklärung abzuliefern, wandte sie mir den Rücken zu und ging voraus. Irritiert von ihrem seltsamen Verhalten, folgte ich ihr.

>>Da werde ich allen Ernstes gefragt, ob ich Remus kenne...das ich nicht lache<<, hörte ich sie leise kichern. Perplex zog ich die Augenbrauen zusammen.

Wir schritten an der Kasse vorbei zu einer Tür, die sich nur schwerlich öffnen ließ, und die nette Frau führte mich in den Raum dahinter. Es schien ein Lagerraum zu sein, was ich merkwürdig fand, da ich ja wusste, dass sie normalerweise die Waren im Keller aufbewahrten. Schwerfällig bückte sich die ältere Dame vor einem übervollen Regal. Sie holte einen Karton hervor, auf dem groß und breit Remus Name stand. Sie stellte die Kiste auf einen wackeligen Tisch ab und öffnete sie. Neugierig trat ich näher. Die leicht korpulente Ladenbesitzerin zog eine Schachtel hervor, die sie mir schmunzelnd überreichte. Mit großen Augen las ich die Beschriftung darauf.

>>Pralinen? Ich kann ihm doch keine Pralinen schenken! <<, rief ich entsetzt aus.

>>Wieso nicht? Ist doch nur Schokolade. Seine Lieblings-Schokolade, die du meines Erachtens doch haben wolltest, oder nicht? << Mütterlich sah sie mich an.

>>Ja, sicher, aber...<< Zweifelnd begegnete ich ihrem Blick.

>>Ach Kindchen, nun mach dir doch nicht so viele Sorgen! Remus Freunde, James und Sirius, haben die damals ständig für ihn gekauft. Immer wenn der arme Junge wieder krank war, haben sie ganze Wagenladungen davon mitgenommen <<, schwelgte sie mit einem nostalgischen Funkeln in den Augen in Erinnerungen.

>>Ist denn was Besonderes an den Pralinen, dass sie sie hier hinten im Laden aufbewahren? <<, wollte ich interessiert wissen.

>>Oh ja. Wir stellen sie per Hand her und die Füllung ist ein spezielles Rezept. Natürlich streng geheim. Jedenfalls passt sie sich den Wünschen desjenigen an, der die Praline in der Hand hält. Hast du Lust auf Karamell, wird sie zu Karamell. Lust auf Zuckerwatte? Kein Problem <<, erklärte sie mir unverwandt.

>>Wow, das ist ja großartig! Wie kommt man auf so eine Idee? << Begeistert strahlte ich sie an.

>>Remus stand auch immer so unschlüssig vor dem Schokoladenregal, wie du vorhin. Da haben mich James und Sirius irgendwann gefragt, ob es nicht möglich sei, eine Schokolade herzustellen, die jede Geschmacksrichtung beinhaltet... Gesagt, getan <<, berichtete sie mir. Nebenbei stellte sie den Karton wieder auf seinen rechtmäßigen Platz ab.

>>Und warum ist sie dann nicht frei verkäuflich? <<, fragte ich skeptisch.

>>Dann würden wir ja keine Schokolade mehr verkaufen und dafür nur noch diese Pralinen. Die Zutaten für das Spezialrezept sind ziemlich teuer. Das könnten wir uns auf Dauer nicht leisten. Nein, wir stellen sie speziell nur für Remus her. << Damit schob sie mich wieder hinaus zur Kasse. Schnell griff ich auf dem Weg dorthin nach einem Becher Zahnweiß-Pfefferminzlakritze für meine Eltern.

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