3/7 Eine Kurzgeschichte zum Thema Planlosigkeit

"Planlosigkeit beschreibt ein planloses Vorgehen", las sie laut vor, während sie sich nachdenklich am Kopf kratzte. Sauer schloss sie auch diese Seite und drehte sich schließlich schwungvoll mit ihrem Schreibtischstuhl zu ihrem besten Freund um, der desinteressiert auf ihrem Bett lümmelte und in einer Auto-Zeitschrift blätterte. Tolle Hilfe!

"Jetzt sag doch auch mal was!", verlangte sie aufgebracht, doch er verdrehte nur grinsend die Augen. Er sah nicht ein, warum sie gar so ein Drama daraus machte, er hatte die Kurzgeschichte zu dem vorgegebenen Schlagwort schließlich auch erfolgreich beendet. Als Frau Grabowivski ihnen die Aufgabe verkündet hatte, hätte man eine Stecknadel fallen hören können, so still wurde die Klasse. Bis seine beste Freundin in hysterisches Gelächter ausbrach und die Lehrerin fragte, ob das ein verspäteter Aprilscherz sein sollte, wenn ja fände sie es gar nicht witzig. Die Lehrerin übrigens auch nicht.

"So eine absolut dämliche Aufgabe kann wirklich nur der alten Grabowivski einfallen, es wird echt Zeit, dass sie in den Ruhestand geht!" echauffierte sie sich weiter und steigerte sich fortlaufend in ihren Monolog hinein. Natürlich ohne es zu bemerken. 

"Dann schreib doch eine Kurzgeschichte über irgendeinen Wissenschaftler, der die Synonyme von Planlosigkeit entdeckt", grummelte er, um wenigstens etwas beizutragen, war jedoch nicht wirklich bei der Sache. Allerdings schien es nicht zu wirken, denn sie schnaubte nur und wandte sich dann betont ihrem Laptop zu, um erneut wild auf die Tastatur einzuhämmern. Am Ende des Tages war sie sowas von durch...

"Ganz super Idee! Allerdings weiß das chaotische Tohuwabohu in meinem Kopf nichts damit anzufangen und verbündet sich mit der Verwirrung, um ein Durcheinander zu bilden. Das wäre doch eine super Einleitung."

Ironisch lachend schüttelte sie den Kopf und schaltete den Laptop erneut in den Energiesparmodus. Er hatte leicht reden. Er war solch ein Genie der deutschen Sprache, dass auf seinem Schreibtisch bestimmt schon eine perfekte Kurzgeschichte darauf wartete, an einen Verlag gebracht zu werden. Eine Zusatz-Eins hatte er jedenfalls von vornherein sicher. Damit war er ganz anders als sie, denn Wörter hatten in ihrem Kopf keinen Platz. Manchmal kam es ihr sogar so vor, als würde sie in Zahlen träumen, so voll gestopft war ihr Kopf damit. Für Kurzgeschichten war da einfach kein Platz. Sie hatte tatsächlich schon überlegt, ob sie versuchen sollte, eine mathematische Formel für die Planlosigkeit zu finden, doch war sich dann doch etwas albern vorgekommen. Schließlich konnte Frau alles schaffen. Zumindest versuchte sie sich das einzureden.

Ein Rascheln signalisierte ihr dann endlich, dass ihr Kumpel nun auch endlich erkannt hatte, in welchem Dilemma sie steckte und nun so weit an den Rand ihres Bettes robbte, um einem Blick auf den, leider schwarzen, Bildschirm zu erhaschen.

"Probieren wir es doch einmal rational", versuchte er einen Anfang zu finden, "was ist das erste, was du denkst, wenn du dieses Schlagwort hörst?"

"Ähh", stammelte sie und kramte verzweifelt in ihrem Kopf nach einer Idee. Doch alles, was ihr einfiel war, dass die Wurzel aus 625 leichter zu lernen war, als die Wurzel aus 2025.

"Keine Ahnung", gab sie schließlich niedergeschlagen zu und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. So oft, wie sie sich an diesem Nachmittag schon die Haare gerauft hatte, war es ein Wunder, dass ihre Frisur noch nicht einem Steckdosenunfall glich. Aber lange würde das bestimmt nicht mehr anhalten.

"Aber, das ist doch perfekt!", rief er aufgeregt und trat voll neuem Elan neben sie. Ihr zweifelnder Blick war ihm dabei reichlich egal. "Du musst dieses Gefühl jetzt nur auf das Papier übertragen und schon hast du dein Meisterwerk."

"Häh?", machte sie wenig intelligent und schaute ihn planlos an. Seinen Gedankengängen sollte man folgen können.

Er konnte allerdings auch nicht verstehen, wie jemand so oft auf der Leitung stehen konnte. Man könnte glatt meinen sie würde sich dort häuslich einrichten.

"Schreib einfach darüber, dass jemand keinen Plan hat", wiederholte er seine Idee noch einmal ganz langsam. Ganz, als wäre sie ein kleines begriffsstutziges Kind.

Doch sie lachte nur, schaltete den Laptop wieder an und las dann laut mit, während sie tippte:"Ich hab keinen Plan, ich hab keinen Plan, ich hab-"

"Schon gut, ich mach das", unterbrach er sie genervt und verscheuchte sie mit einer wedelnden Handbewegung von ihrem Platz vor dem Schreibtisch. Dieses Drama war ja nicht mehr mit anzusehen.

Die nächsten Minuten waren nur erfüllt von dem Klicken seiner, auf der Tastatur hin und her flitzenden Finger. Dann lehnte er sich zufrieden zurück und sie wurde das Gefühl nicht los, dass nun sie die Zusatz-Eins sicher hatte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top