Anker
Na, was machen Sie jetzt?, fragte Mr. Prince' Stimme in ihrem Kopf.
Sie klang aber keinesfalls höhnisch, spottend oder sonstiges.
Mr. Prince, was verleiht mir die Ehre Ihrer Anwesenheit?, fragte Anna nach.
Sie saß auf ihrem Bett und las in einem Buch. Sie unterbrach es kurz, nur um feststellen zu müssen, dass niemand hinter ihr war. Hätte ja sein können, dass die Stimme von hinten kam.
Ich muss mit Ihnen reden., begann er.
Legen Sie los, nur zu., forderte sie ihn auf loszulegen.
Ihr Buch legte sie weg, es war unhöflich, mit jemandem zu reden und gleichzeitig etwas anderes zu machen. Das Buch fand seinen Platz auf der Fensterbank, gleich neben der kleinen Pflanze, von denen Anna sechs besaß.
Was wollen Sie mit mir bereden, oder sollte ich eher bedenken sagen?, neckte Anna.
Unterlassen Sie die Korrektionen. Denken Sie unsere 'Verbindung' ist Zufall?, fragte er.
Also, wenn ich anmerken dürfte, nein. Aber ich habe gehört, dass Seelenverwandte eine Verbindung haben, da ist mir aber nichts geistliches bekannt., gab sie ihm ihren Wissensstand preis.
Ich habe eine Bibliothek zur Verfügung, die ich durchkämmen könnte. Wie steht es mit Ihnen?, erklärte er und fügte eine Frage hinzu.
Ähh nein, aber ich habe Internetzugang., antwortete sie verlegen.
I-Internetzugang? Was ist das?, fragte er hörbar verwirrt.
Sie wissen nicht was Internet ist? Ach du-
Sagt man nicht.
Man unterbricht jemanden während des Redens nicht!
Miss Teal , ich darf das.
Mr. Prince, das ist unhöflich.
Bevor er in Gedanken antworten konnte lachte sie lauthals los. Sie fiel fast vom Bett deswegen. Er kannte kein Internet!? Da musste bei ihm etwas sehr schief gelaufen sein! Kein Internet... Anna schüttelte den Kopf. Das war ja noch nie passiert, und gehört hatte sie von so etwas noch nie.
Lachen Sie mich gerade aus?
Vielleicht?, dachte sie und prustete erneut los.
Hören Sie auf! Diese Verbindung muss dringend gelöst werden! Also tun Sie gefälligst etwas dafür! Meine Gedanken sollen auch meine bleiben!
Okay, okay, Sir, ich werde mich bemühen.
Doch stattdessen setzte Anna sich an ihren Schreibtisch und vervollständigte ihren Deutsch Aufsatz.
"Die Verbindung ist irgendwie ganz lustig", murmelte sie und kaute abgelenkt auf ihrem Kuli herum.
Sie hoffte, dass er das nicht gehört hatte, immerhin wollte er sie loswerden. Auch, wenn sie ihn nicht loswerden wollte, aber sas musste er ja nicht wissen. Sie schmiss sich kurz nach Mitternacht aufs Bett und schlief erschöpft ein. Ein lautes Vogelgezwitscher weckte sie am nächsten Morgen auf.
Demotiviert schlug sie auf den Wecker ein. Heute hatte sie etwas ganz komisches geträumt. Severus Snape hatte überlebt und sie war eine Hexe. Sie stand in den Toren Hogwarts' und wurde von McGonagall mit ins Schloss genommen, der sprechende Hut hatte sie nach Gryffindor eingeteilt. Das war komisch, wirklich sehr komisch. Sie konnte den Traum aber nicht steuern. Geshiftet war sie also nicht. Und von luzidem träumen (Klarträumen) hatte sie noch nie etwas gehört.
Um acht Uhr saß sie wie bestellt auf ihrem Stuhl und starrte lustlos in den Laptop. Ihr kam eine Idee: Sie könnte doch googeln, was es mit fremden Stimmen im Kopf auf sich habe.
Wie erwartet, kam eigentlich nichts, was sie brauchbar fand. Außer ein Artikel, dessen Überschrift ihr sofort ins Auge stach. Seelenverwandschaft, der Anker im anderen, stand dort geschrieben.
Seelenverwandschaften existieren nur in ganz seltenen Fällen, jedoch sind ein paar von ihnen erforscht worden. Zu diesem Phänomen gehören alte Schicksale, die fast dieselben sind. Eine durchlebte Krise, von denen beiden Parteien nicht bewusst ist, dass sie es gemeinsam durchlebt hatten. Manchmal kann aber auch einfach eine komplizierte Planeten- und Sternstellung dazu führen, dass man einen Seelenverwandten bekommt. Die Gedanken des einen sind wie ein Anker im Körper des anderen. Schmerzen sind, laut Betroffenen Personen, nicht übertragbar. Die Seelenverwandschaft kann nur durch den Tod eines Mitglieds aufgelöst werden.
Anna schlug sich eine Hand gegen den Kopf. Das konnte nicht wahr sein! Es gab das wirklich! Sie bildete sich das nicht bloß ein!
Mr. Prince! Mr. Prince!, schrie sie in Gedanken an ihn.
Was!? Ich führe gerade Unterricht!
Unterricht?
Ja.
Egal, ich habe da etwas gefunden, bezüglich unserer 'Verbindung'.
Sagen Sie schon!
Sie las den Text vor.
Das ist unmöglich! Was könnte denn unsere Seelen vereint haben?
Sir, ich weiß es nicht! Ich durchlebe und durchlebte kein dramatisches Ereignis. Oh- doch, eine Pandemie, eine schwere Krankheit!
Aber ich nicht. Miss Teal, das einzige wäre-
Er sagte nichts.
Was? Sagen Sie schon, bei mir ist es sicher, ich erzähle es nicht weiter.
Ein Krieg. Bitte, keine weiteren Fragen.
Okay, ein Krieg. Hmm, aber was veranlasst dann diese 'Verbindung'?
Miss, ich weiß es nicht. In der Bibliothek lässt sich nichts dergleichen finden.
Dann werden wir wohl oder übel damit leben müssen.
Miss Teal! Das geht doch nicht! Ich bekomme alles mit, an das sie denken! Wollen Sie das!?
So schlimm sind meine Gedanken nicht.
In unangebrachten Situationen kann ich manchmal sogar etwas sehen, dass Sie sehen. Ich möchte Ihnen aber nicht die Privatsphäre rauben!
Sir, dann schauen Sie weg!
Ein Anruf traf gerade ein. Anna ging ran, er war für ihren Vater bestimmt. Sie massierte sich die Schläfen und ging duschen. Sie hatte keine Ahnung, dass eine gewisse Person in England nun genau das selbe tat. Hatte das mit der Verbindung zu tun, oder war es einfach die Gewohnheit der beiden, ihre Gedanken unter der Dusche zu ordnen? Wenn sie jedenfalls davon gewusst hätten, dass der jeweils andere genau das selbe wie sie selbst taten, dann hätte vermutlich das Gedankenordnen auch nichts mehr gebracht. Snape wusste nicht einmal, ob seine mehr als sehr guten Okklumentikschilde halfen. Er war sich sehr unsicher, und er hasste das Gefühl von Unsicherheit. Er musste dann andauernd an dieses eine Problem denken und konnte nicht schlafen, ehe es gelöst war. Und sein heutiges Problem, beziehungsweise eher das für sein restliches Leben war: Anna. Bessergesagt die Verbindung zu ihr. Er beschloss, die Verbindung zu lösen. Koste es, was es wolle. Ihm fiel das Sprichwort (Nichts ist umsonst, selbst der Tod kostet das Leben) ein und er stieß einen sarkastischen Lacher aus. Wie wahr doch solche Sprichwörter sein konnten. Aber er wollte diese Verbindung für immer lösen. Tief entschlossen stieg er die Treppen zum Astronomieturm empor. Er schluckte schwer. Hier hatte vor Jahren seinen besten Freund und zugleich Ersatzvater töten müssen. Er ging nach vorne zum Geländer und schaute in den Mond. Es war Vollmond.
Lupin würde jetzt sein Wehrwolfdasein ausleben. Mit seinen Tränken. Kurz musste er lächeln, bevor er wieder ernst wurde und dann wieder an seinen Entschluss dachte.
Auf Wiedersehen, Miss Teal., dachte er und kletterte über das Geländer.
Sein Blick wanderte noch einmal zum Mond und...
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