Osterglocke 🥀 ~ Der Highway des Lebens
~Der Highway des Lebens~ (A Malec-Story)
Osterglocke - Narcissus pseudonarcissus
Die Osterglocke steht für Glück, Auferstehung, Lebendigkeit, die Kraft den Tod zu überwinden und Respekt
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Es ist 15 Uhr. Die große, weiße Uhr an der Wand tickt unaufhörlich und ich frage mich, wieso ich mir nicht längst eine lautlose angeschafft habe oder wie ich überhaupt bei diesem Krach einschlafen kann.
Wahrscheinlich habe ich mich irgendwie daran gewöhnt, dieses Ticken zu hören. Wenn man nachts nicht schlafen kann, ist es sicherlich beruhigend, dass es nicht ganz totenstill um einen herum ist. Jetzt jedoch signalisiert das Ticken nur zu deutlich, wie träge die Zeit manchmal vergeht, wenn man auf etwas wartet.
Tick Tack. Tick Tack. Seufzend schließe ich kurz die Augen und reibe mir über den Nasenrücken, bevor ich meinen Blick von der Uhr auf das Fenster wende.
Es ist groß und hat einen weißen Rahmen, während die Fensterbank hellbraun ist. Es ist so groß, dass Licht hineinfällt und mein Zimmer erhellt, aber noch klein genug, dass niemand von draußen hier hoch in den ersten Stock sehen kann. Das ist beruhigend, denn ich mag es nicht, beobachtet zu werden, aber andere zu beobachten.
Also sehe ich hinaus und einsamen Spaziergängern zu, die scheinbar ziellos durch den Park laufen. Aber vielleicht sind sie nur deshalb ziellos, weil sie ihren Gedanken folgen, statt auf den Weg zu achten. Gedanken sind oft ruhelos und drehen sich im Kreis. Man sollte ihnen folgen, aber man wird dumm angeschaut, wenn man es auf offener Straße tut.
Vielleicht gehen Menschen deshalb in Parks? Damit sie ihren Gedanken folgen können, ohne dass sie dabei schräg angeguckt werden? Vielleicht.
Ich will auch in den Park, aber ich warte ja auf jemanden. Ich will nicht, dass er sich Sorgen macht, wenn ich nicht da bin. Deshalb warte ich.
Ich frage mich, was er mir heute erzählen wird.
Von seiner Arbeit?
Von seinen Lieblingsbüchern? Seinen Abenteuern im echten Leben?
Vielleicht wird es auch wieder einer dieser Nachmittage, an denen wir einfach nur nebeneinander sitzen, uns an den Händen halten und hinausblicken.
Ich mag es seine Hand zu halten. Sie ist warm und passt perfekt in meine. Außerdem ist es irgendwie beruhigend, wenn er abwesend über meine streicht, während er seinen Gedanken folgt.
Ihm ist es egal, wenn andere ihn komisch anschauen. Er macht es einfach. Ohne Furcht. Das ist ziemlich beeindruckend.
Aber eigentlich zieht es mich nach draußen. Ich will raus und wieder den Frühling sehen. Will seine Farben erkunden. Aber nur mit ihm.
Deshalb warte ich geduldig, während meine Hände die Übungen machen, die ich schon seit Wochen wiederhole. Ausstrecken. Finger wackeln lassen. Zur Faust ballen. Lockerlassen.
Es ist eine Beschäftigung mit einem Sinn, was nicht auf jede Beschäftigung zutrifft. Aber für mich hat sie dieselbe Wirkung wie das Laufen durch den Park für andere. Meine Gedanken fangen an zu kreisen und führen mich in die Vergangenheit.
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Ich war nicht immer so nachdenklich wie jetzt. Ich habe nicht daran gedacht, auf welche Weise das Leben an einem vorbeizieht, sondern habe es einfach vorbeiziehen lassen.
Ich habe mich nicht darum gekümmert.
Mein Job, der nur aus langweiligen Zahlen bestand, war damals das wichtigste für mich. Ohne Zahlen und System ging nichts in meinem Leben. Ich hatte selten Zeit für schöne Dinge, bis ich ihn getroffen habe.
Er hat mich etwas ausgebremst und vom Highway in eine kleine, aber sehr gemütliche Seitenstraße gezogen, an deren Rändern alte Reihenhäuser mit geschmückten Gärten lagen. An der es nicht nach Abgasen stank, sondern nach Blumen duftete.
Allerdings sah keine dieser Blumen so schön aus wie er. Ich habe es geliebt, ihn lachen zu sehen oder auch mal jauchzen, wenn ich ihn in der Luft herumgewirbelt habe.
Trotz seines athletischen Körpers war er für mich ein Leichtgewicht. Immerhin ging ich regelmäßig ins Fitnessstudio.
Mein schnelles Leben hatte plötzlich einen strahlenden Sinn und ich war ... zufrieden. Noch nicht ganz glücklich, aber zufrieden. Schließlich gab es keine Perfektion, wieso dann vollkommenes Glück?
Dann geschah der Unfall und ich wurde von der netten Seitenstraße durch einen Gulli ins schwarze Nichts gezogen.
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Das freudige Lachen von Kindern unterbricht meinen Gedankenzug kurz. Ich habe Kinder früher wegen dieser Lautstärke gehasst, aber jetzt liebe ich sie. Kinder sind so voller Lebensfreude und ihnen ist es egal, dass draußen kein Schnee mehr liegt, denn sie spielen bei jedem Wetter.
Der Schnee hat sich schon lange verabschiedet, denn in der Stadt bleibt er normalerweise nie. Zu kahl und schmutzig. Er zieht das weite Land vor, wo er unberührt fallen kann und auch nicht so schnell wieder vertrieben wird.
Wenn ich so darüber nachdenke, ist es ziemlich verlockend auf dem Land zu leben. Wie der Schnee ist man da ungestört und kann seinen Gedanken bestimmt noch besser folgen als in einem kleinen Stadtpark.
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Damals habe ich diese Ruhe gehasst. Ich habe mich gefühlt als hätte man mir meinen Ferrari, mit dem ich über den Highway raste und in der Seitenstraße Eindruck geschindet hatte, weggenommen und mich mit einem alten VW Polo wieder an die Startlinie gesetzt, mit nichts als meinen Erfahrungen, die ich auf dem Highway des Lebens gesammelt hatte.
Ich war zu langsam für das normale Leben, stand regelrecht still und ich habe es so gehasst!
Ich habe es gehasst, dass mich bereits die ersten Autos der anderen, die die Welt schon einmal hinter sich hatten, überrundeten. Sie schienen mich auszulachen und ich konnte ihnen einfach nicht folgen!
Ich saß fest. Ich musste alles neu lernen nach diesem Unfall: Sprechen, Lesen, Schreiben, Lachen, Stehen, Gehen und vieles mehr. Eben alles, was man für ein Leben, vor allem für eines auf dem Highway, brauchte.
Trotzdem ging es viel zu langsam voran. Ich kroch nur noch über die Straße wie in einem der täglichen Staus in Manhattan zur Rushhour.
Wenn ich zuvor noch einen Blick fürs Schöne gehabt haben sollte, so habe ich ihn spätestens dann verloren.
Ich wurde griesgrämig, pessimistisch, hatte meine Lebenslust und Willen verloren. Er konnte daran auch nichts ändern, obwohl er mich doch manchmal zum Schmelzen bringen konnte.
Manchmal hatte er es geschafft die dunklen Wolken vom Himmel zu vertreiben, damit kurz das Sonnenlicht auf meinen alten Polo kommt und ich die Straße vor mir sehen konnte. Doch so erfrischend diese Momente waren, sie waren nur von kurzer Dauer und dann war es dunkler als zuvor.
Irgendwann verpuffte dann auch der letzte Rest meines Ehrgeizes. Ich hatte aufgegeben, denn was sollte es mir denn bringen, wenn ich es schaffte, wieder aufs Gas zu drücken?
Ich würde bestimmt nochmals über den Rand der Straße schießen und wieder nervig langsam darauf zurückgesetzt werden. Der Highway des Lebens war doch nichts weiter als die verfluchte Regenbogenstraße bei Mario Kart!
Erst ein einschneidendes Ereignis vor rund einem Jahr hatte mich dazu gebracht, meinen Polo wieder mit Benzin zu versorgen, endlich nach dem Gas zu tasten, einen Gang einzuschalten und langsam, aber sicher loszufahren.
Doch das ist ein anderes Gleis, auf das mein Gedankenzug vielleicht später wechselt.
Durch dieses Ereignis habe ich meinen Ehrgeiz wiedergefunden, aber noch so viel mehr.
Ich habe erfahren, wie es ist sich Zeit zu lassen und die Dinge zu betrachten, die außerhalb meines Autos stattfanden. Ich habe die Landschaft beobachtet und ihre Schönheit kennengelernt. Das hat sich übertragen und nun bin ich dazu in der Lage das Besondere auch in ganz anderen Dingen zu sehen.
Und Dinge, die bereits schön waren, sind jetzt nur umso schöner.
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"Bist du schon wieder mit dem Gedankenzug unterwegs?", fragt mich jemand sanft. Ich sehe auf und blicke in wunderschöne, braun getupfte Augen, die mich liebevoll ansehen.
Das Lächeln ist ebenfalls liebevoll und freundlich. Nur die wenigsten würden Sorge darin erahnen, aber ich kenne ihn zu gut, weshalb er es nicht verbergen kann. Nicht vor mir.
Ich kenne diesen Blick nämlich bereits viel zu gut, denn er ist schon sehr lange da. Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann das Lächeln jemals wieder so breit und unbeschwert war, wie es mir die Erinnerungen auf dem Gedankenzug weismachen wollen.
Das ist schon viel zu lange her.
Dabei ist die Sorge bei ihm auch ein Hinweis auf Reife, denn er hat gelernt, dass es nicht nur glitzernde Regenbögen gibt, die über dem Highway des Lebens thronen und ihn paradiesisch werden lassen. Es gibt auch viele dunkle Wolken, die Gewitter zwar ankündigen, die einen aber doch immer eiskalt erwischen.
Es tut mir leid, dass ich für diese Sorge verantwortlich bin, aber es lässt sich leider nicht ändern.
Also erwidere ich das Lächeln und nicke.
"Was soll man hier schon anderes machen?"
"Guter Punkt. Hast du heute schon etwas Bestimmtes vor?", fragt er, während er sich neben mich setzt und nach meiner Hand greift.
Die Ringe an seinen Fingern fühlen sich kalt an auf meiner Haut, aber es ist viel mehr angenehm als störend. Abwesend tänzeln seine schlanken Finger über meinen Handrücken und malen Muster, die nur er sehen kann, während er geduldig auf meine Antwort wartet, die sich erst langsam in meinem Kopf zusammensetzen muss.
"Eigentlich schon. Ich wollte in den Park, aber nicht alleine."
"Dann begleite ich dich und wir machen einen Spaziergang."
"Und folgen unseren Gedanken, wo auch immer sie uns hinführen?"
"Genau."
Magnus hilft mir aufzustehen, denn das fällt mir trotz den ganzen Übungen noch am schwersten. Zum Kleiderschrank hingegen schaffe ich es alleine, bevor er mir wieder hilft, einen Mantel überzustreifen.
Auf sein Drängen hin kommt auch noch ein Schal hinzu, den er mir fürsorglich fest zubindet. Dann schon liegt seine Hand wieder in meiner und wir machen uns auf den Weg.
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Draußen ist es kalt, aber nicht zu kalt sondern eher ... angenehm frisch.
Die Sonne strahlt gelb und fröhlich vom eisblauen Himmel und beleuchtet die noch eher kahlen Bäume, an denen man aber bereits viele grüne Knospen sehen kann. Einige sind bereits geöffnet und winken uns frische Blätter entgegen, die im sanften Wind schaukeln.
Die Bäume werfen ihre Schatten auf den Kiesweg, der durch den Park verläuft. Es ist ziemlich still, aber ich genieße sie, denn wenn es still ist, kann man besser grübeln und ich grüble gerne.
Ich war schon lange nicht mehr hier draußen, aber dennoch kommt mir der Weg, dem wir unbewusst folgen, bekannt vor.
Der Gedankenzug nimmt wieder an Fahrt auf und wechselt wie vermutet das Gleis, denn nun blitzen andere Erinnerungen in meinem Kopf auf.
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Es war wieder einer dieser Tage, an denen ich so kraftlos war. Ich hatte keine Lust auf die anstehende Psychotherapie. Ich hatte keine Lust auf gar nichts und wollte einfach in meinem Bett verrotten.
Es hatte doch alles gar keinen Sinn mehr. Ich kam ohnehin nicht weiter mit meinen Übungen und Aufgeben erschien mir so verlockend einfach. Selbst Magnus konnte mich an diesen Tagen nicht aus dem Tal der Lustlosigkeit holen und obwohl ich sehen konnte, wie ihn das fertigmachte, tat ich nichts dagegen.
Ich ignorierte es viel mehr, bis ihm an einem Frühlingstag der Kragen platzte -auf seine Weise.
Mit verschlossener Miene verfrachtete er mich in einen Rollstuhl, auf den ich zu dieser Zeit angewiesen war, und schob mich hinaus ins Freie. Wir gingen in den Park, der an die Rehaklinik angrenzte und folgten einem Weg, den nur er kannte.
Ich hatte mich kaum gewehrt. Wieso auch? Dagegen ankämpfen, machte schließlich keinen Sinn mehr für mich.
Magnus kam an einer sehr entlegenen Stelle zum Stehen, an der nichts stand, außer ein kleiner Grabstein. Das Blumenbeet davor war sehr gepflegt und irgendjemand hatte gerade erst frische Osterglocken eingepflanzt.
Zumindest glaubte ich, dass diese nur zu dieser Jahreszeit blühten. Ich erblickte ihre Schönheit aber nicht, obwohl das kräftige Gelb durchaus auffällig war und heiter wirkte.
Vor diesem Grab ließ Magnus den Rollstuhl los, ging um ihn herum und sah mich eindringlich an.
"Ich weiß, dass du glaubst, alles sei sinnlos, Alexander, aber das ist es nicht! Du bist nur zu blind, das zu sehen! Du musst kämpfen, denn jeder Tag ist ein Fortschritt, wenn man ihn nur richtig nutzt! Aber das tust du nicht, weil du nicht daran glaubst und Angst hast, weitere Hoffnungen darin reinzustecken, weil du ja vielleicht enttäuscht werden könntest. Aber wer nichts wagt, der nichts gewinnt! Ich verstehe, dass du verzweifelt bist, aber du darfst dich davon nicht unterkriegen lassen und es schon gar nicht mit dir selbst ausmachen. Ich stehe an deiner Seite und weil ich dich liebe, muss ich dir jetzt die Meinung sagen. Bitte hör auf so hoffnungslos zu sein. So blind zu sein. Schlag endlich die Augen auf!"
Seine Stimme war flehentlich und seine Augen weit und voller Trauer. Er sprach nicht laut, ich hatte Magnus selten die Stimme erheben sehen, aber laut genug, damit man ihm zuhörte.
Ich hörte ihm zu, aber es war als würden seine Worte nur gedämpft zu mir durchdringen. Als stünde er hinter einer Plexiglaswand und hätte eine ffp2- Maske im Gesicht.
"Und was ist, wenn dahinter nur Dunkelheit ist?"
"Das Leben ist vieles, aber nicht nur schwarz und weiß. Du wirst nicht nur Schönes sehen, wenn du aus deinen eingelebten Vorstellungen ausbrichst, aber du wirst mehr sehen als bisher."
"Und wenn ich das nicht tue? Wirst du mich verlassen?"
Meine Stimme war schrecklich emotionslos in diesem Moment. Deutlich sah ich den Schauer vor mir, der Magnus' Rücken hinablief und kurzer Schmerz über sein hübsches Gesicht flog. Doch dann legte sich wieder eine seltsame Entschlossenheit ein, die ich nicht verstand.
Wie konnte er sich so sicher sein, dass Aufgeben falsch war? Es war doch so einfach. Viel leichter als Weiterkämpfen, um dann Niederlagen zu erleiden.
Aber vielleicht hatte er ja Recht?
Vielleicht wäre es besser, endlich die Augen aufzumachen und wieder zu kämpfen. Aber ohne ihn würde ich das nicht schaffen, das wusste ich.
"So einfach wirst du mich nicht los, Alexander. Ich bleibe bei dir und wenn du dich zu schwach zum Kämpfen fühlst, dann tue ich es eben, bis du wieder stark genug bist. Ich werde dich nicht verlassen, aber ich kann auch nicht weiter nur zusehen, wie du dich hängen lässt. Das bist nicht du."
Er stockte kurz, bevor er dem Grabstein vor uns Beachtung schenkte und darauf deutete.
"Das ... ist das Grab meiner Mutter. Sie hatte einen Autounfall, genau wie du, war aber danach querschnittsgelähmt.
Hat sie aufgegeben?
Nein, sie hat das Beste daraus gemacht und weitergekämpft. Sie hat nicht aufgegeben. Sie hat es geschafft wieder glücklich zu sein, bis sie einen friedlichen Tod starb, der sie erst in hohem Alter erreichte. Er hätte sie auch viel früher zu sich holen können, aber er hat es nicht geschafft.
Wieso?
Sie hat gegen ihn gekämpft und gesiegt. Das Leben hat über den Tod gesiegt und nach diesem Unfall ist sie wie ein Phönix aus der Asche gestiegen.
Ich weiß, dass du nicht daran glaubst, dass du das auch schaffst, aber das wirst du Alexander. Du bist stark, aber nur, wenn du es auch zulässt und es zumindest versuchst. Für dich, für mich, für uns. Versuch es und öffne die Augen, ansonsten wird deine Welt auf ewig grau bleiben."
Mit diesen Worten ließ er mich zurück und entfernte sich. Ich blieb sitzen und sah wieder die fröhlichen Osterglocken am Grab von Magnus' Mutter an. Ich hatte gar nicht gewusst, dass sie ebenfalls einen Autounfall hatte, aber Magnus redete nur selten über das, was ihn wirklich bewegte, wenn seine Herzenspersonen gerade andere Probleme hatten.
In dieser Hinsicht agiert er genauso wie ich. Stellt sich für andere zurück, da sie ihn gerade mehr brauchten als er sich selbst. Das ist einer der Gründe, wieso ich ihn so liebe.
Die Osterglocken strahlten mich an und ich erinnerte mich daran, wie mir meine eigene Mutter einmal erklärt hatte, dass sie für Wiederauferstehung und Glück standen. Vielleicht hatte Magnus sie deshalb hierher gepflanzt -ich bezweifelte, dass es jemand anderes gewesen war.
Hatte er es gemacht um die Wiederauferstehung seiner Mutter nach dem Unfall zu symbolisieren? Dass sie nicht aufgegeben hatte, wie ich?
Ich spürte, wie sich etwas in mir bewegte, während ich die Blumen betrachtete. Es änderte sich etwas Grundlegendes und ich fasste einen Entschluss. Magnus hatte Recht und ich musste zumindest versuchen zu kämpfen. Für mich, aber auch für ihn, für uns.
Es musste sich etwas ändern. Mit zusammengekniffenen Augen sah ich auf meine Beine hinab. Sie würden die ersten sein, die diese Veränderung spüren würden.
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Der Rest war, wie man so schön sagt, Geschichte.
Ich habe mich zurück gekämpft und bin sogar so weit gekommen, dass ich bald schon wieder in meine alte Wohnung ziehen kann, in der Magnus bislang inoffiziell gelebt hat. Das würde ich aber gerne ändern, nur weiß er davon noch nichts.
Wie bereits vermutet, kenne ich den Ort, an dem wir schlussendlich anhalten. Wieder blühen die ersten Osterglocken in voller Pracht und strahlen mit der Sonne um die Wette.
Diese Blumen haben mir viel gegeben, aber genauso hat es der Mann vor mir, der sich unbewusst an mich lehnt und traurig lächelt.
"Du hast mir davor nie von deiner Mutter und ihrem Schicksal erzählt."
"Es erschien mir einfach nicht der richtige Zeitpunkt, bis ..."
"Du mir eine verbale Backpfeife gegeben hast?"
"Ja. Ich liebe dich, aber das konnte ich uns beiden nicht länger antun. Entschuldige."
"Dafür musst du dich nicht entschuldigen. Du hast mir den Schubs in die richte Richtung gegeben. Ich könnte nicht dankbarer sein", entgegne ich, während ich mich so drehe, dass ich Magnus ansehen kann.
Er sieht gerührt aus, aber nicht wirklich überzeugt. Deshalb nehme ich sein Gesicht in meine Hände und streiche sanft über seine Wangen.
"Ich meine es ernst. Du hast mir den Weg zurück gezeigt. Den Weg ins Licht. Du hast mir klar gemacht, dass es nicht darauf ankommt, wie schnell man auf dem Highway des Lebens unterwegs ist, sondern wen man dabei hat. Man kommt immer zum Ziel, wenn man nur anfängt, jeden Tag dafür zu nutzen, ihn aber auch zu genießen. Das Schöne zu sehen. Du hast mir so viel gegeben und hast im Gegenzug nur verlangt, zu versuchen nicht aufzugeben. Ich möchte dir mehr geben als das, also ...", ich räuspere mich, bevor ich mich etwas wackelig auf meine Knie sinken lasse und die kleine Schatulle aus der Tasche hole, Gott bin ich nervös, "Möchtest du bei mir mit einziehen? Möchtest du offiziell mit mir zusammenleben und auch den Rest deiner Klamotten zu mir holen? Wir können auch umdekorieren. Alles, was du willst, Hauptsache du ..."
Ich werde von einem jauchzenden Magnus unterbrochen, der mich wieder zu sich hochzieht und dann so fest hält, dass ich kaum Luft bekomme. Aber wer braucht schon Luft, wenn er Liebe hat?
Mit einem hoffnungsvollen Lächeln erwidere ich die Umarmung, muss sie aber schon bald lösen, bevor ich ersticke. Das würde unseren Plänen nur im Wege stehen.
Als ich ihn ansehe, strahlt sein ganzes Gesicht und keine Sorge ist zu sehen, sondern einfach nur Freude, die vom Herzen kommt. Kindliche, überschwängliche Freude -etwas, das schon so lange her ist.
Dann fängt er an, wild zu nicken.
"Ja, ja, natürlich! Aber ... heißt das, du wirst bald entlassen?"
"Ja. Nächste Woche darf ich wieder nach Hause und muss nur noch zweimal wöchentlich in die Klinik."
Das Strahlen wird noch etwas breiter und ist bestimmt heller als die Sonne. Meine ganz persönliche Sonne schlingt die Arme um meinen Nacken und zieht mich zu einem Kuss hinab, der immer wieder von glücklichen Lachern durchzogen ist.
"Du hast ihn besiegt! Du hast den Tod besiegt!"
"Wie eine Osterglocke?"
"Besser", schmunzelt er zwischen kleinen Küssen, "Wie die Person, die ich liebe. Wie mein Alexander."
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