Spaziergang im Mondschein
Der Film war zu Ende, richtig viel Action und die Zeit wie im Flug vergangen. Die Nacht war bereits hereingebrochen und hier und da konnte man eine Katze jaulen hören. Es war kühl und so griffen wir nach unseren Jacken. Ab und ins Auto und einfach ins Weite fahren. Dort angekommen, bot sich uns ein herrliches Bild. Es schien als würde der Mond direkt am Berg anstoßen. Weißlich-gelb mit Maserungen durchzogen thronte er majestätisch vor uns. Wie gebannt, stand ich da und zeichnete bereits in Gedanken. "Das könnte ein tolles Buchcover werden", rief ich und Martin schaute verwundert.
"Wie jetzt, Buchcover?", drei Fragezeichen im Gesicht. "Ich denke, passt gut für ein Märchen." Noch immer standen wir da wie angewurzelt. Von weitem hörte man das Rufen von Eulen. Gut, sie waren in unmittelbarer Nähe und da ist es besonders laut, denkt man doch, sie sitzen direkt hinter dir. Zwei kleine Häschen hoppeln über die Wiese. Ein rotbraunes Eichhörnchen hüpfte von Baumwipfel zu Baumwipfel, ließ sich von uns nicht stören.
Die Wiese unter uns erwachte zum Leben: zahlreiche Käferchen setzten sich in Bewegung, eine Blindschleiche schlängelt sich zwischen meinen Beinen hindurch. Eine kleine Mäusefamilie rannte eilends an uns vorbei, sicher wollten sie sich gerade verstecken, vor den Füchsen, die hier umher streiften. Was waren meine Sinne geschärft...und noch immer zeichnete ich an dem Buchcover in Gedanken.
Ich saugte die frische, aber kühle Luft in mich auf, fühlte mich wohl wie schon lange nicht mehr. Martin beobachtete mich gebannt. Ich griff nach seiner Hand, die dann doch ein wenig kühl war. "Was ist mit dir?", fragte ich besorgt."
So sprachlos hatte ich ihn noch nie erlebt. Er sah aus wie ein Mondsüchtiger, der nicht mehr wusste, was er tat.
"Hast du was auf dem Herzen?", fragte ich und hoffte, er würde mir von diesem platinblonden dummen Weibsbild erzählen.
"Erde an Martin"...Plötzlich verließ die Starre seinen Körper. "Hast du das öfters?", fragte ich. "In meinem Kopf ist gerade so ein Chaos ausgebrochen, alte Geschichten drängeln sich wieder nach oben.". Wieder griff ich nach seiner Hand: "Komm lass uns ein Stück gehen!", ließ es zu, dass ich seine noch immer kalte Hand berühren durfte.
Man glaubt kaum, wie viel Tiere nachts unterwegs sind, und sie haben keine Angst.
"Was ist eigentlich mit dem Buch?", fragte er. "Ich hab schon mal darin geblättert und auch gelesen, fühlte mich an meine Kindheit erinnert, werde es bestimmt komplett lesen."
"Und keinen Albtraum gehabt, was für ein Fortschritt!". "Und was ist mit dir", fragte ich ganz vorsichtig. "Nicht jetzt, es ist hier gerade so schön." und ich blickte in zwei traurige Augen. " Dann lass uns noch ein Stück weiter nach oben gehen.". Man konnte spüren, dass ihn etwas sehr quälte. Ich wusste, warum er weiter nach oben wollte. Da fühlte er sich sicher und geborgen.
Er war dem Himmel so nah, tat ihm weh, nicht mehr seine Träume verwirklichen zu können. Damals wollten wir noch einige der höchsten Berge zusammen mit Stephen besteigen. Aber dann schlug das Schicksal gleich mehrfach zu: mein Bruder verunglückte tödlich, Martin bekam Rheuma und ich stand kurz vorm Burnout...Es war so als wollte sich der Berg wehren, dass wir ihn bezwungen hatten.
Jetzt war alles anders: Martin hatte sich ein neues Leben aufgebaut und ich war auch drauf und dran, mich in diese Landschaft zu verlieben. Nur in die Landschaft...Ich wusste es nicht.
Aber mir war eins klar geworden: Mein Leben war dabei sich komplett zu ändern, weil ich es so wollte. Anwältin konnte ich auch hier sein. Und noch so vieles mehr.
Und noch immer strahlte der Mond auf uns herab.
"Langsam sollten wir uns mal wieder auf den Weg machen!", griff nach meiner Hand, zog mich nah an sich heran: "Weißt du eigentlich, dass du mir gefehlt hast, die ganze Zeit, wo wir nicht miteinander geredet haben."...
"Was sollte ich darauf jetzt sagen?". Er hat mir auch gefehlt, aber ich war einfach zu beschäftigt, ständig unter Strom.
Endlich hatte ich meinen besten Freund wieder. Ich hatte Angst, die Freundschaft würde kaputt gehen, wenn mehr daraus werden würde, blockte...
Wenn ich aber ehrlich war, ich war bereits dabei, mich in meinen besten Freund zu verlieben.
Er war das, was ich nie gesucht hatte, aber mich zu finden schien. Eben mehr als nur ein bester Freund, vielleicht der Mann fürs Leben? Oh wie kitschig hörte sich das gerade an. Aber warum sollte man nicht mal träumen dürfen, und manchmal werden Träume wahr?
Doch wir waren beide so verletzt worden, konnten wir jemals wieder vertrauen?
Ich hoffte es, um unseretwillen. Trotzdem brauchte jeder von uns seinen Freiraum. Ich war neugierig auf seine Praxis, hoffte sie morgen besichtigen zu können. Und die vielen Bilder in meinem Kopf wollten zu Papier gebracht werden.
Martin schien auf eine Antwort zu warten und ich brachte nur ein gequältes: "Habe dich auch vermisst!" hervor und ich hakte mich bei ihm ein.
Hatte er mehr erwartet oder war er einfach noch im Banne des gesamten vergangenen Tages?
Ich mag ihn sehr, das steht fest. Nur wie sollte es jetzt weitergehen? Konnten wir noch so ungezwungen miteinander umgehen? Ich wollte ihn berühren...wollte so vieles und traute mich dann doch nicht . Vielleicht würde es alles von selbst kommen...Waren bereits wieder am Auto angekommen. Wortlos stieg ich ein und er fuhr los. Diese Stille war kaum zu ertragen, begann ihn in ein Gespräch zu verwickeln, spürte trotzdem die Anspannung.
Wir fuhren in eine andere Richtung. "Das ist der falsche Weg!", rief ich, während er noch in seinen Gedanken festhing. "Habe ich etwas falsches gesagt?", fragte ich und er schüttelte den Kopf. "Du kannst gar nichts falsches sagen!", war das nun ein Kompliment oder wollte er nur ablenken? Er wendete den Wagen und fuhr nun nun zur Wohnung zurück.
"Scheiße, das wird kompliziert..., aber weglaufen will ich nicht mehr!".
Zurück aus der Natur gingen wir in die Wohnung. Es lag eine eigenartiges Stimmung in der Luft. " Darf ich mich heute neben dich legen?", fragte er mich. Ich holte erst mal tief Luft. Jetzt fühlte ich mich überrumpelt und bedrängt zugleich.
"Das geht mir zu schnell...", weiter kam ich nicht. "Ich möchte heute nicht allein sein!", sagte er mit hoffnungsvollen Blick. Dann gab er mir einen Kuss auf die Stirn.
Was war schon dabei, wenn er einfach neben mir liegt.
Vielleicht würde er mir endlich mal von der platinblonden dummen Ex erzählen. Doch bedrängen wollte ich ihn damit noch immer nicht. Also schnell Bett fertig machen, er und unten im Bad und ich oben. Wir trafen uns dann in meinem Zimmer. Ich kroch unter meine Decke und er lag neben mir. Und noch immer diese erdrückende Stille...
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