Auf ein neues

"Oh, ich liebe diesen Mann", auch wenn seine Einfälle, mich auf andere Gedanken zu bringen, gewöhnungsbedürftig sind. Aber es hat ja funktioniert und durchgefroren waren wir auch nicht Dank seiner guten Vorbereitung, und er wusste auch, dass er mich jederzeit in die Natur locken konnte.

Wir liebten die Natur und egal bei welchem Wetter, wir waren immer dort, wenn es unsere Zeit erlaubte. Außerdem nahmen wir uns vor, es ab und zu an ungewöhnlichen Orten krachen zu lassen, war eben doch anders als sonst und mein Mann hatte irgendwie "Blut geleckt" wie man so schön sagt.

Doch langsam sollte ich in meine neue berufliche Zukunft vorantreiben. Der Banktermin stand und auch der Besichtigungstermin für meine erste eigene Kanzlei stand förmlich vor der Tür. War nur noch zu überlegen wie wir das alles finanziell absichern konnten. Vielleicht sollte ich meine Kanzlei im gleichen Haus ansiedeln, wo Martin seine Praxis hat oder. Doch auch das andere Objekt könnte das bessere sein. In ein paar Tagen würden wir mehr wissen.

Und so lange ich nicht mehr über meine Familiengeschichte weiß, würde ich kein Märchenbuch mehr anfassen. Und außerdem wollte ich endlich weitere Bilder malen, es steckte einfach in mir. Nur warum kommt jetzt erst alles wieder? Meine ganzen Fähigkeiten waren vorher einfach unterdrückt. Das muss mir meine Tante erklären, von meiner Mutter werde ich es nicht erfahren, zumal ich ihr für immer den Rücken gekehrt habe.

Und jemand anders kann mir keine Auskunft über die Familie geben, da ja keiner mehr hier ist. Doch runterziehen lassen werde ich mich trotzdem nicht. Ich werde alle Lügen strafen, die gesagt haben, dass ich es zu nichts bringen werde. Das habe ich mir selbst versprochen und mit Martin habe ich den besten Mann der Welt bekommen.

"Gemeinsam sind wir stark und werden es auch immer sein.", sagte meine Großmutter schon als sie mich immer öfter vor meiner Mutter retten musste. Ihre Wutausbrüche waren in unserer Familie schon legendär. Kein Wunder, dass ich daran wohl immer noch zu knabbern habe.

Doch ich renne nicht mehr weg, sondern suche nach Lösungen. Und langsam wird es auch Zeit, dass ich endlich wieder arbeite. Klienten würde ich genug bekommen, zumal mir mein Chef die entsprechenden Kontakte vermitteln wollte. Nicht umsonst habe ich mich für einen Ortswechsel entschieden. Zu sehr hielt mich die Vergangenheit in ihren Klauen, was auf Dauer einfach zu anstrengend wäre, schließlich hatte ich mich für meinen Mann und einem Leben fern der Großstadt entschieden.

Ich freute mich darauf und nichts und niemand sollte mir das jetzt wieder kaputt machen können. Und mit Freunden konnte man sowieso nur Kontakt halten, wenn beide Seiten das wirklich wollten. Es gibt ' ne Menge Bekannte, nur wenig Freunde...mehr braucht man auch nicht. Ich hatte dazu gelernt, wollte die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.

Martin war es schließlich auch, war und ist mein Seelenverwandter. Wir hatten wirklich viel gemeinsam, aber jeder von uns sollte auch seinen Freiraum haben. Dieses Klammern konnte ich nicht mehr ertragen, woran meine Mutter die Schuld trug. Obwohl...Mutter würde ich sie nicht mehr nennen, eher die Frau,  die mich geboren hat und Jahrzehnte lang für die Fehler meines Vaters hat büßen lassen. Doch ich wollte nur noch nach vorn schauen, nicht zurück.

Die Suche nach meiner Tante, die wieder zurück nach Schweden gegangen war, überließ ich einem Profi. Was daraus wird, werden wir sehen. Martin unterstützte mich dabei und setzte sich geduldig mit mir hin, um zu reden...nicht als Therapeut, sondern als mein Mann. Und dass mit dem Malen wollte ich weiterführen, entspannte mich einfach wundervoll und nebenbei gesagt, entstanden ja auch zahlreiche Kunstwerke, die ich vielleicht mal ausstellen konnte.

Und die Kursleiterin, Lillian, war inzwischen zu einer guten Freundin und Vertrauten von uns beiden geworden. Mit solchen liebenswerten Menschen sollte man sich umgeben. "Wenn man schon eine Veränderung braucht, dann aber richtig!", schrieb ich mir jetzt als Slogan auf die Fahnen für mein weiteres Leben. Wie das klingt? So alt bin ich dann doch noch nicht, aber eigentlich könnte ich das bisher Erlebte schon mit mindestens drei Büchern füllen, was ich vielleicht irgendwann mal tun sollte.

Doch bis es so weit war, musste noch viel Wasser die Mühle hinunterlaufen. Ich hatte begonnen mir wieder Notizen zu machen. Ein untrügliches Zeichen, dass ich nach meiner Meinung arbeitsfähig war. Klingt echt blöd, dieses Wort, aber so heißt ja nun mal. Mein Kampfgeist war wieder neu entfacht worden und so war es auch kein Wunder, dass ich eigentlich mehr aus einer Laune heraus begonnen hatte, alles Erlebte aufzuschreiben.

Mehrere Kapitel widmete ich auch meinem Bruder und sicher wäre er stolz auf mich gewesen, wenn man ihn zu Lebzeiten mehr beachtet hätte. Aber ich wollte das jetzt für ihn tun, ein ehrliches Bild von ihm zeigen, und nicht dass welches meine von mir so gehasste Inzwischen-Nicht-Mehr-Mutter überall verbreitet hatte. Auch meine Oma wäre sicher stolz auf mich, dass ich mich aus dem dunkelsten Kapitel meines Lebens wieder nach oben kämpfte.

Von  ihr hab ich das Durchhaltevermögen und die Fähigkeit alles Wichtige sofort auf einen Blick erfassen zu können. Mit ihr konnte ich stundenlang über alle mögliche reden, sogar über Jungs. Man höre und staune...sie erzählte mir von ihrer ersten großen Liebe, etwas das jedem heilig sein sollte. Wie sagt man so schön: "Die erste Liebe vergisst du nie in deinem Leben!", eine Aussage die auf mehr als fünfundneunzig Prozent der Menschheit zutraf.

Die übrigen fünf Prozent hätten eher auf das Kennenlernen verzichten sollen, aber so etwas konnte man hinterher ja immer sagen. Ein schlauer Satz, den ich nun durch mein ganzes Leben mitschleppte. Ja, die Weisheiten des Alters hatten mir einen reichen Erfahrungsschatz beschert und ich begann nacheinander alles aufzuschreiben, was ich von meiner Oma erfahren, gelernt, mit ihr erlebt hatte. Das war das erste und als zweites führte ich fortan wieder ein Tagebuch, wo ich alles wichtige notierte...Stimmung, Erlebnisse, Ärgernisse und so weiter.

Wer weiß für was es später mal gut sein würde. Mich hatte wirklich der Ehrgeiz gepackt und Martin staunte nicht schlecht, sah er doch wie schnell ich mein erstes Heft bereits vollgeschrieben hatte. "Wenn es dir hilft, dann mach das einfach so weiter! Vielleicht kommst du ja noch hinter euer Familiengeheimnis." Allein der letzte Satz hatte ausgereicht, dass ich begann, tief in meinem Unterbewusstsein nach Antworten zu suchen. Ich war damit so beschäftigt, dass ich mittlerweile alle ungelösten Dinge in meinen Träumen verarbeitete.

Wachte ich auf und wusste noch was ich geträumt hatte, notierte ich mir das auch auf meinem Zettel. Aber ich musste auch aufpassen, mich nicht wieder zu sehr in einen Strudel ziehen zu lassen. "Stress ist gut, zu viel davon aber schadet!"...Schnell aufschreiben, bevor es wieder in der Versenkung meiner Synapsen verschwinden kann.

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